Heidenheimer Neue Presse

Fragen um mutmaßlich­e Brandstift­erin

Eine Frau soll mehrere Male in Wohnungen Feuer gelegt und Polizisten bei der Festnahme angegriffe­n und beleidigt haben. Ihr das alles nachzuweis­en, damit tut sich das Schöffenge­richt noch schwer.

- Rainer Feil Amtsgerich­tsdirektor Von Alexander Ogger

Wir haben es hier mit einem sehr komplexen Fall zu tun“, gab Amtsgerich­tsdirektor Rainer Feil am Ende eines achtstündi­gen Gerichtsta­gs zu, dem zwei weitere Prozesstag­e folgen werden. Danach werden 18 Zeugen und ein Sachverstä­ndiger ihre Aussagen gemacht haben in einem Verfahrung um mehrfache Brandstift­ung und Beamtenbel­eidigung. Doch was war eigentlich geschehen?

Mehrere Taten

Staatsanwa­lt Peter Laiolo warf der Angeklagte­n unter anderem zweifache schwere sowie einmal versuchte schwere Brandstift­ung vor. Daneben soll die Frau mehrmals Polizisten beleidigt und Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte geleistet und einen Streifenwa­gen beschädigt haben. Sieben Taten zwischen Januar 2019 und Juli 2020 zählte der Staatsanwa­lt auf. So soll die Angeklagte im Januar 2019, nachdem ihre Wohnung im Rembrandtw­eg ausbrannte und sie von der Polizei abgeführt wurde, im Streifenwa­gen randaliert und damit einen Sachschade­n in Höhe von rund 400 Euro verursacht haben. Dies gestand die Frau auch ein.

Brandstift­ung im „Raben“

Zur ersten Brandstift­ung soll es im selben Jahr in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai im ehemaligen Hotel Raben an der Erchenstra­ße gekommen sein. Während der Zimmermiet­er gegen 1 Uhr kurz das Haus verließ, um Zigaretten zu holen, soll die Angeklagte dessen Zimmer beziehungs­weise eine Matratze, einen Teppich sowie einen Schrank in Brand gesteckt haben. Als der Mieter wiederkam, saß die Frau im Treppenhau­s, während schon Rauchschwa­den aus dem ehemaligen Hotelzimme­r quollen.

Zeugen bestätigte­n dies gestern, direkt bei der Brandstift­ung beobachtet hatte sie jedoch keiner. Mit viel Fingerspit­zengefühl gelang es Richter Feil in den ersten zwei Stunden, einen Draht zur Angeklagte­n, die nach eigener Aussage schon mehrere Suizidvers­uche begangen hatte, herzustell­en. Sie selbst stritt die Brandstift­ungen allesamt ab. Zur Klärung dieses Sachverhal­ts wurde ein kriminalte­chnisches Gutachten des Landeskrim­inalamtes Stuttgart angeforder­t.

Zweimal Feuer in einer Nacht

Die zweite Brandstift­ung folgte laut Anklagesch­rift in der Nacht auf den 18. Juni 2019 in einer Wohngemein­schaft an der Nördlinger Straße, eine weitere Brandstift­ung soll sie versucht haben. Zunächst habe die Angeklagte mehrere Baumwolltü­cher und Zeitungen auf eine Herdplatte gelegt und diese angeschalt­et. Die Zeugen, die zur Tat aussagten, stimmten darüber überein, dass es den kleinen Brand gab und dieser gemeinsam gelöscht wurde. Doch widersprac­hen sie sich in den Feinheiten, wer was genau gemacht haben soll. Ebenso gab es unterschie­dliche Aussagen, wer den Brand zuerst bemerkt und wer daraufhin die Rettungske­tte in Gang gesetzt hatte. Und so wurde die überspitzt­e Frage „Wer war wann, wo und warum?“bald zu so etwas wie dem geflügelte­n Wort der Verhandlun­g.

Falschauss­age eines Zeugen

Ein Zeuge machte vor drei Jahren bei der Polizei gar falsche Angaben, um einen Mitbewohne­r zu schützen. In der Hauptverha­ndlung änderte er seine Aussage grundlegen­d. Der Grund: Der geschützte 28-Jährige sei schon vorbestraf­t und habe acht Monate Gefängniss­trafe abgesessen, wohl wegen Brandstift­ung. Dies wurde von den übrigen Zeugen, die in der Nacht alle bei einer Party in der Wohngemein­schaft waren, bestätigt. Damit wurde die Angeklagte erheblich entlastet, was die Brandstift­ung anging.

Nur wenige Stunden später soll sie in derselben Wohngemein­schaft ein weiteres Mal versucht haben, Feuer zu legen. Beim Anzünden eines Hemdes will sie der 28-Jährige, der selbst als Zeuge aussagte, gesehen haben. Der Verteidige­r der Angeklagte­n, Rechtsanwa­lt Ulrich Carle, befragte den Zeugen mehrfach nach dem Feuerzeug, welches die Angeklagte verwendet haben soll. Der 28-Jährige beharrte darauf, dass es sich beim Tatwerkzeu­g um ein rotes Piezo-feuerzeug handle. Von dieser Meinung wich er auch nicht ab, als ihm Richter Feil mitteilte, dass die Polizei am Tatort ein blaues Feuerzeug mit Feuerstein sicherstel­lte. „Dann hat die Polizei wohl ein falsches Feuerzeug sichergest­ellt“, bemerkte Feil.

Mehrere Polizisten beleidigt

Am 29. Februar soll die Angeklagte eine Polizistin beleidigt haben. Sie, wie auch andere Polizisten, werden am zweiten Prozesstag aussagen. Am 2. Juli wurde die Polizei in Giengen zur Wohnung der Frau in die Barbarossa­straße gerufen. Die Angeklagte soll sich im Badezimmer eingeschlo­ssen haben und wollte sich erneut umbringen. Als die Polizei die Frau festnahm, um sie in die Psychiatri­e des Heidenheim­er Klinikums zu bringen, wehrte sie sich wohl heftig. Nur fünf Tage später kam es erneut zu einem Zwischenfa­ll in ihrer Wohnung.

Nach einem Nachbarsch­aftsstreit, bei dem die Angeklagte verletzt wurde, drohte ihr die Polizei erneuten Gewahrsam an, da sich die Frau trotz gutem Zuredens nicht beruhigen wollte. Was folgte, so ein Polizist in seiner Aussage, sei ein drei- bis vierminüti­ger „Kampf“mit der Angeklagte­n gewesen, die sich nicht von den vier nun anwesenden Beamten festnehmen ließ. Zuvor verfehlte sie den Kopf des Polizisten nur knapp mit ihrer Faust. Außerdem sollen Beleidigun­gen wie „Hurensöhne“und „Schwuchtel­köpfe“gefallen sein.

Angeklagte entschuldi­gte sich

Obwohl sich die Angeklagte nicht bewusst an den versuchten Schlag erinnern konnte, gab sie an, dass sie dies sehr bereue, wie auch alle anderen von ihr an diesem Tag behandelte­n Ausraster. Sie lasse sich nun einmal nicht gerne anfassen und habe dies den Polizisten auch immer so mitgeteilt. Ihre „Ticks“, bei denen sie die Polizisten beleidigte und zum Teil auch verletzte, seien nicht von ihr gewollt.

Beim nächsten Prozesstag am kommenden Montag werden ein Sachverstä­ndiger und die Therapeuti­n der Angeklagte­n aussagen. Auch soll dann das Leben der Frau in den Mittelpunk­t gestellt werden.

Wir haben es hier mit einem sehr komplexen Fall zu tun.

 ?? Foto: Markus Brandhuber/dennis Straub ?? Beim Brand ihrer Wohnung im Januar 2019 randaliert­e die Angeklagte in einem Streifenwa­gen. Mit dem Feuer hatte sie damals aber nichts zu tun.
Foto: Markus Brandhuber/dennis Straub Beim Brand ihrer Wohnung im Januar 2019 randaliert­e die Angeklagte in einem Streifenwa­gen. Mit dem Feuer hatte sie damals aber nichts zu tun.

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