Fragen um mutmaßliche Brandstifterin
Eine Frau soll mehrere Male in Wohnungen Feuer gelegt und Polizisten bei der Festnahme angegriffen und beleidigt haben. Ihr das alles nachzuweisen, damit tut sich das Schöffengericht noch schwer.
Wir haben es hier mit einem sehr komplexen Fall zu tun“, gab Amtsgerichtsdirektor Rainer Feil am Ende eines achtstündigen Gerichtstags zu, dem zwei weitere Prozesstage folgen werden. Danach werden 18 Zeugen und ein Sachverständiger ihre Aussagen gemacht haben in einem Verfahrung um mehrfache Brandstiftung und Beamtenbeleidigung. Doch was war eigentlich geschehen?
Mehrere Taten
Staatsanwalt Peter Laiolo warf der Angeklagten unter anderem zweifache schwere sowie einmal versuchte schwere Brandstiftung vor. Daneben soll die Frau mehrmals Polizisten beleidigt und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet und einen Streifenwagen beschädigt haben. Sieben Taten zwischen Januar 2019 und Juli 2020 zählte der Staatsanwalt auf. So soll die Angeklagte im Januar 2019, nachdem ihre Wohnung im Rembrandtweg ausbrannte und sie von der Polizei abgeführt wurde, im Streifenwagen randaliert und damit einen Sachschaden in Höhe von rund 400 Euro verursacht haben. Dies gestand die Frau auch ein.
Brandstiftung im „Raben“
Zur ersten Brandstiftung soll es im selben Jahr in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai im ehemaligen Hotel Raben an der Erchenstraße gekommen sein. Während der Zimmermieter gegen 1 Uhr kurz das Haus verließ, um Zigaretten zu holen, soll die Angeklagte dessen Zimmer beziehungsweise eine Matratze, einen Teppich sowie einen Schrank in Brand gesteckt haben. Als der Mieter wiederkam, saß die Frau im Treppenhaus, während schon Rauchschwaden aus dem ehemaligen Hotelzimmer quollen.
Zeugen bestätigten dies gestern, direkt bei der Brandstiftung beobachtet hatte sie jedoch keiner. Mit viel Fingerspitzengefühl gelang es Richter Feil in den ersten zwei Stunden, einen Draht zur Angeklagten, die nach eigener Aussage schon mehrere Suizidversuche begangen hatte, herzustellen. Sie selbst stritt die Brandstiftungen allesamt ab. Zur Klärung dieses Sachverhalts wurde ein kriminaltechnisches Gutachten des Landeskriminalamtes Stuttgart angefordert.
Zweimal Feuer in einer Nacht
Die zweite Brandstiftung folgte laut Anklageschrift in der Nacht auf den 18. Juni 2019 in einer Wohngemeinschaft an der Nördlinger Straße, eine weitere Brandstiftung soll sie versucht haben. Zunächst habe die Angeklagte mehrere Baumwolltücher und Zeitungen auf eine Herdplatte gelegt und diese angeschaltet. Die Zeugen, die zur Tat aussagten, stimmten darüber überein, dass es den kleinen Brand gab und dieser gemeinsam gelöscht wurde. Doch widersprachen sie sich in den Feinheiten, wer was genau gemacht haben soll. Ebenso gab es unterschiedliche Aussagen, wer den Brand zuerst bemerkt und wer daraufhin die Rettungskette in Gang gesetzt hatte. Und so wurde die überspitzte Frage „Wer war wann, wo und warum?“bald zu so etwas wie dem geflügelten Wort der Verhandlung.
Falschaussage eines Zeugen
Ein Zeuge machte vor drei Jahren bei der Polizei gar falsche Angaben, um einen Mitbewohner zu schützen. In der Hauptverhandlung änderte er seine Aussage grundlegend. Der Grund: Der geschützte 28-Jährige sei schon vorbestraft und habe acht Monate Gefängnisstrafe abgesessen, wohl wegen Brandstiftung. Dies wurde von den übrigen Zeugen, die in der Nacht alle bei einer Party in der Wohngemeinschaft waren, bestätigt. Damit wurde die Angeklagte erheblich entlastet, was die Brandstiftung anging.
Nur wenige Stunden später soll sie in derselben Wohngemeinschaft ein weiteres Mal versucht haben, Feuer zu legen. Beim Anzünden eines Hemdes will sie der 28-Jährige, der selbst als Zeuge aussagte, gesehen haben. Der Verteidiger der Angeklagten, Rechtsanwalt Ulrich Carle, befragte den Zeugen mehrfach nach dem Feuerzeug, welches die Angeklagte verwendet haben soll. Der 28-Jährige beharrte darauf, dass es sich beim Tatwerkzeug um ein rotes Piezo-feuerzeug handle. Von dieser Meinung wich er auch nicht ab, als ihm Richter Feil mitteilte, dass die Polizei am Tatort ein blaues Feuerzeug mit Feuerstein sicherstellte. „Dann hat die Polizei wohl ein falsches Feuerzeug sichergestellt“, bemerkte Feil.
Mehrere Polizisten beleidigt
Am 29. Februar soll die Angeklagte eine Polizistin beleidigt haben. Sie, wie auch andere Polizisten, werden am zweiten Prozesstag aussagen. Am 2. Juli wurde die Polizei in Giengen zur Wohnung der Frau in die Barbarossastraße gerufen. Die Angeklagte soll sich im Badezimmer eingeschlossen haben und wollte sich erneut umbringen. Als die Polizei die Frau festnahm, um sie in die Psychiatrie des Heidenheimer Klinikums zu bringen, wehrte sie sich wohl heftig. Nur fünf Tage später kam es erneut zu einem Zwischenfall in ihrer Wohnung.
Nach einem Nachbarschaftsstreit, bei dem die Angeklagte verletzt wurde, drohte ihr die Polizei erneuten Gewahrsam an, da sich die Frau trotz gutem Zuredens nicht beruhigen wollte. Was folgte, so ein Polizist in seiner Aussage, sei ein drei- bis vierminütiger „Kampf“mit der Angeklagten gewesen, die sich nicht von den vier nun anwesenden Beamten festnehmen ließ. Zuvor verfehlte sie den Kopf des Polizisten nur knapp mit ihrer Faust. Außerdem sollen Beleidigungen wie „Hurensöhne“und „Schwuchtelköpfe“gefallen sein.
Angeklagte entschuldigte sich
Obwohl sich die Angeklagte nicht bewusst an den versuchten Schlag erinnern konnte, gab sie an, dass sie dies sehr bereue, wie auch alle anderen von ihr an diesem Tag behandelten Ausraster. Sie lasse sich nun einmal nicht gerne anfassen und habe dies den Polizisten auch immer so mitgeteilt. Ihre „Ticks“, bei denen sie die Polizisten beleidigte und zum Teil auch verletzte, seien nicht von ihr gewollt.
Beim nächsten Prozesstag am kommenden Montag werden ein Sachverständiger und die Therapeutin der Angeklagten aussagen. Auch soll dann das Leben der Frau in den Mittelpunkt gestellt werden.
Wir haben es hier mit einem sehr komplexen Fall zu tun.