Pflegefamilien dringend gesucht
Vor allem größere Kinder finden nur schwer einen geeigneten Platz und die Corona-pandemie hat die Arbeit des Heidenheimer Jugendamts noch schwieriger gemacht.
Corona hat Familien vor viele Herausforderungen gestellt, wie gut sie bewältigt wurden, das wird sich in vielen Fällen erst noch zeigen. Karin Romul, Leiterin des Fachbereichs Jugend und Familie am Landratsamt, rechnet damit, dass das Thema die gesamte Jugendpflege noch länger beschäftigen wird. „Da wissen wir alle nicht, was da noch auf uns zurollt“, ist ihre Befürchtung.
Wie aber konnte die ohnehin schwierige Arbeit des Jugendamts in Zeiten der Pandemie funktionieren? Kindergärten und Schulen sind oftmals die ersten, die bemerken, wenn es in einer Familie Probleme gibt, und können dem Jugendamt entsprechende Hinweise geben. Das fiel in den langen Zeiten des Lockdowns zwar größtenteils weg, dafür habe man mehr Meldungen aus dem Umfeld oder auch von Nachbarn erhalten, erklärt dazu Yvonne Kälble, Geschäftsbereichsleiterin soziale Dienste. Trotz Corona hätten die Mitarbeiterinnen des Jugendamts den Kontakt zu Familien in schwierigen Situationen auch immer gehalten.
61 Kinder in Obhut genommen
Nicht immer konnten allerdings die Probleme in den Familien gemeinsam gelöst werden. In 61 Fällen entschied das Jugendamt, dass die Kinder zu ihrem Wohl in Obhut genommen, also aus der Familie herausgenommen werden. Kälble ist dabei wichtig zu betonen, dass davon Familien aus alles sozialen Schichten gleichermaßen betroffen waren. In diesem Jahr dürfte die Zahl der Inobhutnahmen ähnlich hoch liegen, vermutet sie aufgrund der aktuellen Entwicklung. Zum Vergleich: 2019 hatte es 35 Inobhutnahmen gegeben. Jedes dieser Kinder braucht eine Pflegefamilie,
in der es mit viel Verständnis und Zuneigung aufgenommen wird.
Und da beginnt die nächste schwierige Aufgabe für die Mitarbeiterinnen des Jugendamts: die Suche nach der passenden Pflegefamilie. Die Betonung liegt dabei auf „passend“. Denn wenn sich Kind und Pflegeeltern miteinander wohlfühlen, sei das die beste Voraussetzung für eine gute gemeinsame Zukunft, erklärt Dagmar Lübcke-klaus.
Vertrauensverlust vermeiden
Geht das Zusammenleben schief, sei die Frustration bei den Pflegeeltern groß. Noch schlimmer sei der Bruch und der damit verbundene Vertrauensverlust aber für das Kind. Das gelte es unbedingt zu vermeiden und deshalb sei das Jugendamt laufend auf der Suche nach neuen Pflegeeltern.
Auch hier hat Corona die Arbeit sehr erschwert. Die Pflegeeltern machen üblicherweise zunächst einen Kurs, um sich auf ihre neue Aufgabe vorzubereiten. Voriges Jahr musste ein solcher Kurs im Frühjahr abgebrochen werden und konnte erst im Spätsommer beendet werden. In diesem Jahr gab es nun erstmals einen Online-kurs für angehende Pflegeeltern. Alles etwas aufwendiger als sonst, aber beim Jugendamt ist man froh um jede potentielle Pflegestelle.
Keine Plätze für Jugendliche
Auf der anderen Seite gibt es auch derzeit im Kreis Heidenheim
Pflegestellen, die nicht belegt sind. Das liege daran, dass viele Pflegeeltern möglichst ein Baby oder Kleinkind aufnehmen möchten, das dann auch dauerhaft in ihrer Familie bleibt. Schon bei etwas größeren Kindergartenkindern und erst recht bei Schulkindern, sei es schwer eine Familie zu finden, erklärt Lübcke-klaus. „Für Jugendliche gibt es gar niemanden“, fügt sie mit Bedauern an. Dabei gäbe es oftmals Jugendliche, denen man den Halt einer Familie wünschen würde, ergänzt Kälble.
Besondere Herausforderung
Besonders schwierig ist auch die Suche nach Bereitschaftspflegeplätzen. Die braucht es dann, wenn eine Inobhutnahme zur Sicherheit
eines Kinds von jetzt auf nachher passieren muss. Das kann schon auch mal mitten in der Nacht sein. Dann stehen diese Familien parat und bieten erst einmal einen geschützten Platz. Eine große Herausforderung, das wissen auch die Mitarbeiterinnen des Jugendamts. Je nach den Umständen wechseln diese Kinder später in eine dauerhafte Pflegefamilie. Nicht selten ziehe sich allerdings das rechtliche Verfahren hin und aus mancher Bereitschaftspflege sei eine Dauerpflege geworden. Ein großer Vorteil für das Kind, das sich dort schon gut eingelebt habe und angekommen sei. Doch damit wieder eine Stelle weniger, an die sich das Jugendamt im Notfall wenden kann.
Doch selbst, wenn noch nicht klar sei, wie und wo ein Kind untergebracht werden könne, sei das niemals ein Hinderungsgrund im Notfall zu handeln, betont Kälble. Dann versuche man in Zusammenarbeit mit Jugendämtern anderer Kreise eine Familie zu finden oder aber eine entsprechende Einrichtung.