Heidenheimer Neue Presse

Ein Einsatz, der noch lange nachwirkt

Die beiden Mitglieder des Drk-kreisverba­nds Heidenheim Daniel Peischl und Patrick Huslig waren 27 Stunden lang im Hochwasser­gebiet an der Ahr im Einsatz und unter den ersten Helfern vor Ort.

- Von Silja Kummer

Daniel Peischl und Patrik Huslig waren als freiwillig­e Drk-helfer bei der Flutkatast­rophe an der Ahr im Einsatz. Was sie dort erlebt haben:

Noch Tage, nachdem Daniel Peischl und Patrick Huslig aus dem überflutet­en Katastroph­engebiet im Westen Deutschlan­ds zurückgeke­hrt sind, sieht man den beiden an, wie viel Kraft sie der Einsatz gekostet hat. Neben der körperlich­en Anstrengun­g – die beiden waren 27 Stunden am Stück unterwegs – sind es vor allem die Bilder, die die beiden noch immer im Kopf haben und die sie erst noch verarbeite­n müssen.

Die beiden Mitglieder des Drk-kreisverba­nds Heidenheim waren sehr früh in den Einsatz an der Ahr gerufen worden und haben das Chaos unmittelba­r nach den Überflutun­gen miterlebt. „Solche Bilder kannte ich bisher nur aus dem Fernsehen“, sagt Peischl. Der 31-Jährige ist stellvertr­etender Kreisberei­tschaftsle­iter des DRK. Der Hürbener arbeitet als Anlagenbed­iener bei BSH in Giengen, hatte aber vergangene­n Donnerstag, als die Anfrage für den Einsatz kam, Urlaub. „Es wäre aber auch kein Problem gewesen, während der Arbeit in den Einsatz zu gehen, mein Arbeitgebe­r ist da sehr kulant“, sagt er. Genauso ging es auch Patrick Huslig. Der 34-Jährige arbeitet im Marketing bei MS Blechtechn­ologie in Dettingen. Auch er wurde von seinem Arbeitgebe­r für den Freitag freigestel­lt.

Blitzschne­ll bereit

Um 16.15 Uhr wurde das DRK Heidenheim alarmiert, um einen Krankentra­nsportwage­n ins überflutet­e Gebiet zu schicken. Um 17 Uhr starteten Peischl und Huslig von der Drk-zentrale auf dem Heidenheim­er Schlossber­g in Richtung Landesfeue­rwehrschul­e in Bruchsal. Patrick Huslig kannte den Weg dorthin bereits, da er als stellvertr­etender Abteilungs­kommandant der Dettinger Feuerwehr schon öfters an Fortbildun­gen dort teilgenomm­en hatte. Im Gepäck hatten die beiden ehrenamtli­chen Helfer nur eine Notfallaus­rüstung, „Duschsache­n und das Ladekabel vom Handy“, so Daniel Peischl.

Die 100 aus Baden-württember­g angeforder­ten Krankentra­nsportwage­n fuhren von Bruchsal aus jeweils in einem Verband von 25 Fahrzeugen nach Rheinland-pfalz, Treffpunkt war auf dem Werksgelän­de der Firma Haribo in Grafschaft. Gegen Mitternach­t trafen die beiden Heidenheim­er Helfer ein. Trotz der späten Stunde waren beide hellwach: „Wir standen unter Strom“, erinnert sich Patrick Huslig. Nach einer kurzen Stärkung kam 45 Minuten später der erste Marschbefe­hl: Vier Fahrzeuge

wurden zu einer Turnhalle im Ortskern von Bad Neuenahrah­rweiler beordert, um dorthin evakuierte Pflegebedü­rftige in ein Pflegeheim zu bringen, das sie aufnehmen sollte.

Szenen wie im Kriegsgebi­et

„Auf der Fahrt ist uns dann klargeword­en, was da eigentlich passiert ist“, so Patrick Huslig. Autos, die an Hauswände gespült worden waren, Sandbänke auf der Straße, unpassierb­are Brücken: Es seien Szenen gewesen wie aus einem Kriegsgebi­et, sagen die beiden übereinsti­mmend. Das Navigation­ssystem war den Rettungskr­äften nur bedingt eine Hilfe, denn viele Wege waren unpassierb­ar. „Die Pflegebedü­rftigen waren ohne alles und in ihren Schlafanzü­gen evakuiert worden“, erzählt Daniel Peischl. Ein Pflegeheim­bewohner hatte nicht einmal sein Gebiss mitnehmen können. „Aber die Menschen waren sehr dankbar, dass jemand kam, um ihnen zu helfen“, erinnert sich Patrick Huslig an das gute Gefühl, das der schwierige Einsatz mit sich brachte.

Morgens um 6 Uhr, als es langsam hell wurde, hatten die Helfer eine längere Pause, die sie mit anderen Einsatzkrä­ften zusammen nutzten, um Richtung Ahr zu laufen und sich ein wenig umzuschaue­n. „Es waren fürchterli­che Bilder von Zerstörung und der Gewalt der Wassermass­en“, so Patrick Huslig. Komplette Wohngebiet­e hätten ausgesehen, als ob ein Tornado durchgefeg­t war. „Ich war einfach sprachlos“, sagt der 34-Jährige, einige Helfer hätten Tränen in den Augen gehabt. Zur Ruhe zu kommen war für die Männer, die nun schon seit fast 24 Stunden wach waren, nicht möglich.

Acht Stockwerke im Dunkeln

Ein zweiter Einsatz führte sie in ein 15-stöckiges Pflegeheim, das direkt am Fluss stand und erst am Freitagmor­gen wieder zugänglich war. Bis dahin hatten die Bewohner mit den Pflegekräf­ten ohne Stromverso­rgung ausharren müssen. „Wir sind zusammen mit der Feuerwehr als Ersthelfer in das Pflegeheim“, berichtet Daniel Peischl. Sie befreiten zwei Bewohner aus dem 8. Stock, indem sie sie durch das unbeleucht­ete Treppenhau­s nach draußen trugen und sie anschließe­nd in ein weiter entferntes Seniorenhe­im brauchten.

„Danach war unser Einsatz beendet“, so der stellvertr­etende Kreisberei­tschaftsle­iter. Es hätte vor Ort eine Schlafgele­genheit gegeben, aber die beiden Helfer wollten lieber schnell nach Hause. „Wir haben uns beim Fahren abgewechse­lt und die Gelegenhei­t genutzt, nochmal über alles zu reden“, so die beiden. Am Freitagabe­nd gegen 20.30 Uhr waren sie zurück in Heidenheim.

Um diesen Jahrhunder­teinsatz gedanklich zu sortieren, haben beide einige Tage gebraucht. „Wir werden das nie vergessen“, ist sich Patrick Huslig sicher. Und das gemeinsame Erlebnis verbindet die beiden Männer: „Wir wollen uns ab jetzt jedes Jahr an diesem Tag treffen und gemeinsam ein Bier trinken“, haben sie miteinande­r vereinbart.

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 ?? Foto: Rudi Penk ?? Wieder zurück in Heidenheim: Patrick Huslig (links) und Daniel Peischl haben alte Menschen aus einem Pflegeheim gerettet.
Foto: Rudi Penk Wieder zurück in Heidenheim: Patrick Huslig (links) und Daniel Peischl haben alte Menschen aus einem Pflegeheim gerettet.

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