Heidenheimer Neue Presse

Schlechte Stimmung in Kiew

Das Abkommen zwischen den USA und Deutschlan­d wird in östlichen Ländern vor allem kritisch gesehen.

- Stefan Scholl

Polen und die Ukraine wollen mit ihren Verbündete­n weiter daran arbeiten, die Eröffnung der russisch-deutschen Ostseepipe­line Nord Stream 2 zu verhindern. Das erklärten die Außenminis­ter Dmytro Kuleba und Zbigniew Rau am Mittwochab­end gemeinsam zu der deutsch-amerikanis­chen Übereinkun­ft, grünes Licht für die Vollendung von Nord Stream 2 zu geben. „Diese Entscheidu­ng hat zusätzlich­e politische, militärisc­he und energiewir­tschaftlic­he Drohungen für die Ukraine und Mitteleuro­pa insgesamt geschaffen.“Gleichzeit­ig vergrößere sie die Möglichkei­ten Russlands, Widersprüc­he zwischen den Staaten der EU und der Nato zu vertiefen.

Vorher hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) erst mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin telefonier­t. Dann veröffentl­ichten das US- und das Bundesauße­nministeri­um ihr Nord-stream-2-abkommen. Es sieht vor, die Ukraine beim Umstieg auf grüne Energien mit einer Milliarde Dollar zu unterstütz­en, Berlin zahlt 175 Millionen als Startkapit­al. Außerdem verpflicht­et sich die deutsche Seite, Kiew zu helfen, die bis 2024 geltenden Verträge für russisches Gas durch das ukrainisch­e Pipelinesy­stem auf weitere zehn Jahre zu verlängern. Und die deutsche Seite verspricht Sanktionen gegen Russland, wenn es Rohstoffex­porte als politische­s Druckmitte­l einsetzt oder neue Aggression­en gegen die Ukraine startet.

Kriegerisc­he Schläge

Trotzdem herrscht in der Ukraine Enttäuschu­ng. In Kiew fürchtet man, dass Russland sein erklärtes Ziel verwirklic­ht und die jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas, die es jetzt durch die Ukraine nach Westeuropa befördert, künftig durch Nord Stream 2 pumpt. Und dass es, sobald es die ukrainisch­en Rohrleitun­gen nicht mehr benötigt, neue kriegerisc­he Schläge gegen „Antirussla­nd“führt, wie Putin die Ukraine kürzlich genannt hat.

Der Kiewer Politologe Wadim Karassjew meint, es hätte noch schlimmer kommen können. „Im Fall einer Aggression wird Deutschlan­d Sanktionen gegen den Import russischer Rohstoffe erlassen.“Das könnte Putin je nach Situation schon aufhalten.

Im Kreml hatte man sich nach Merkels Telefonanr­uf noch „befriedigt“über die bevorstehe­nde Vollendung von Nord Stream 2 geäußert. Später zeigte sich Putin-sprecher Dmitri Peskow aber irritiert über das Us-deutsche Vorhaben, Transferve­rträge zwischen Russland und der Ukraine verlängern zu wollen. Man sei bereit, eine Verlängeru­ng zu verhandeln, allerdings ausschließ­lich unter Gesichtspu­nkten der Wirtschaft­lichkeit und Rentabilit­ät.

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