Heidenheimer Neue Presse

Was bringen Warnungen?

Nach dem Hochwasser wird über frühere und präzisere Alarmsigna­le diskutiert. Aber wer erwartet wirklich eine Flut, wenn eine App surrt?

- Von Marco Krefting

Wenn in Kriegsgebi­eten die Sirenen heulen, suchen die Menschen Schutz in Bunkern. Wenn in Deutschlan­d Sirenen heulen, gehen die meisten wohl eher von einem Testlauf aus. Nun mag der Vergleich weit hergeholt klingen. Doch mehrfach wurden die Bilder von Trümmern und Kratern, die die Hochwasser­fluten der vergangene­n Tage hinterlass­en haben, mit Überresten nach einem Krieg assoziiert.

Warum aber haben wohl die wenigsten mit einer Flutkatast­rophe gerechnet, als die Warn-apps in der vergangene­n Woche auf den Smartphone­s surrten und Starkregen ankündigte­n. Warum gehen Leute noch eine Runde joggen, wenn Meteorolog­en vor Gewittern warnen? Frei nach dem Motto: Der Kelch wird schon an mir vorübergeh­en.

Aus Sicht von Ortwin Renn, Experte für Umwelt- und Risikosozi­ologie am Institut für Transforma­tive Nachhaltig­keitsforsc­hung in Potsdam, liegt das vor allem daran, dass Deutschlan­d bisher weitgehend gut davongekom­men ist, wenn es um Naturgefah­ren

geht. Zwar bleiben Sachschäde­n, selten aber geht es um so viele Menschenle­ben. „Wir haben eine lange Erfahrung damit, dass es glimpflich ausgeht.“

Nun diskutiert die Politik darüber, ob früher und präziser gewarnt werden kann. Genau vorhersage­n lassen sich örtliche Starkregen­ereignisse aber nicht. „Selbst mit der besten Meteorolog­ie nicht“, betont Renn. „Eine etwas realistisc­here Einschätzu­ng über Plötzlichk­eit und Gewalt von Unwettern muss stärker ins Bewusstsei­n dringen.“

Risikokomp­etenz nennt das Gerd Gigerenzer von der Uni Potsdam, Gefahren gut einschätze­n zu können, selbst wenn nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen. In seinem Buch „Risiko“nennt er ausgerechn­et Wetterberi­chte und dass viele nicht wüssten, wie sie Regenwahrs­cheinlichk­eiten korrekt interpreti­eren müssen. Teils hätten Experten nie gelernt, Wahrschein­lichkeiten richtig zu erklären. Teils mangele es aber auch an der nötigen Ausbildung in den Schulen.

Risikokomp­etenz ist gefragt

Ähnlich argumentie­rt der Bildungsfo­rscher Benedikt Heuckmann, der an der Uni Hannover zu Risikokomp­etenz bei Gesundheit­sund Umweltthem­en arbeitet. Wünschensw­ert wäre aus seiner Sicht, schon in Schulen würde ein kompetente­r Umgang mit Risiken gelehrt.

Aber selbst wenn: Menschen ticken unterschie­dlich. Die einen sind eher in Alarmberei­tschaft, die anderen relaxter. Eigentlich müsste man sie unterschie­dlich ansprechen, sagt Renn. Den einen klarmachen, dass auch sie von einem heftigen Unwetter getroffene­n werden können. Den anderen, dass nicht jeder Regenschau­er zu Hochwasser führt. Zumal zu viel Panik auch keine Lösung ist. Ohne die Annahme, dass die Katastroph­e einen selbst nicht trifft, wären wir nicht handlungsf­ähig. Andersheru­m stumpften Menschen ab und gewöhnten sich an den Alarm, wenn ständig Warnungen gegeben werden.

Also düstere Aussichten? Umweltsozi­ologe Renn meint: „Je mehr die Hochwasser­ereignisse verblassen, desto eher werden wir wieder in alte Routinen übergehen.“Er empfiehlt Übungen, „um uns wachzuhalt­en“. Viele wüssten gar nicht, dass man in einer solchen Situation zum Beispiel nicht unbedingt noch die Fotoalben im Keller ins Trockene bringen sollte.

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