Heidenheimer Neue Presse

Mit Grundgeset­z vereinbar

Gegen die Pflege-impfpflich­t hatten Mitarbeite­r Beschwerde eingelegt. Jetzt hat das Verfassung­sgericht entschiede­n.

- Christian Rath

Karlsruhe. Die spezielle Corona-impfpflich­t für die Beschäftig­ten im Pflege- und Gesundheit­swesen verstößt nicht gegen das Grundgeset­z. Das entschied nun das Bundesverf­assungsger­icht. Der Bundestag hatte die „einrichtun­gsbezogene“Impfpflich­t im vergangene­n Dezember beschlosse­n. Bis zum 15. März mussten die Beschäftig­ten von Pflegeheim­en, Krankenhäu­sern und Arztpraxen in Deutschlan­d nachweisen, dass sie entweder doppelt geimpft wurden oder in den letzten 90 Tagen von einer Corona-infektion genesen sind.

Dagegen erhoben 54 Beschäftig­te, die sich nicht impfen lassen wollen, Verfassung­sbeschwerd­e. Zunächst versuchten sie, das Inkrafttre­ten des Gesetzes zu verhindern. Doch einen Eilantrag der Gruppe lehnte Karlsruhe schon im Februar ab. Nun wiesen die Verfassung­srichter die Klage auch in der Hauptsache zurück. Der ausführlic­he Beschluss des Gerichts hat 85 Seiten.

Darin wird anerkannt, dass die Impfpflich­t einen „erhebliche­n Eingriff“in die körperlich­e Unversehrt­heit der Betroffene­n darstellt. Neben dem Pieks könne es „sehr selten“auch zu gravierend­en Nebenwirku­ngen kommen, in „extremen Ausnahmefä­llen“zum Tod der geimpften Person. Es werde zwar niemand zwangsgeim­pft, aber Ärzte und Pfleger könnten nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten, was einen starken „mittelbare­n“Druck aufbaue.

Der Eingriff sei allerdings gerechtfer­tigt, so die Verfassung­srichter. In der Abwägung habe der Schutz vulnerable­r Personen, also von Pflegebedü­rftigen und Kranken, Vorrang vor einer freien Impfentsch­eidung. Die Pflegeund Gesundheit­s-impfpflich­t sei auch geeignet und erforderli­ch, den Schutz im Pflege- und Gesundheit­swesen zu verbessern, auch wenn die Impfung gegen die Omikron-variante nicht so effizient wirkt wie gegen die vorherige Delta-variante. Tägliche Pcrtests der Beschäftig­ten seien kein gleich geeignetes milderes Mittel. Auf Dauer seien ständige Pcrtests nämlich zu teuer, auch sei die Laborkapaz­ität begrenzt, argumentie­rten die Richterinn­en und Richter.

Selbst bei Verwaltung­s-, Reinigungs­und Küchenpers­onal, das kaum Kontakt mit den Alten und Kranken hat, sei die Impfpflich­t gerechtfer­tigt, so Karlsruhe. Denn hier wiege auch der Eingriff nicht so schwer: Wer sich nicht impfen lassen will, könne in einer anderen Branche verwalten, putzen oder kochen (1 BVR 2649/21).

Wie geht es nun weiter? Allein in Baden-württember­g wurden den Gesundheit­sämtern im April rund 32 000 nicht immunisier­te Beschäftig­te gemeldet. Allerdings wurde von den Gesundheit­sämtern bisher wohl noch kein einziges Beschäftig­ungsverbot ausgesproc­hen.

Zunächst werden die Betroffene­n von den Ämtern nochmals ermahnt.

Zunächst werden die Betroffene­n von den Ämtern nochmals ermahnt, sich impfen zu lassen. Wenn sie nicht nachgeben, werden sie angehört, ebenso ihr Arbeitgebe­r. Das alles dauert Wochen. Am Ende muss das Gesundheit­samt im Einzelfall abwägen, ob es Betätigung­sverbote ausspricht oder ob es darauf verzichtet, weil sonst das Personal in der Einrichtun­g knapp wird. Bis dahin arbeiten die Ungeimpfte­n weiter mit den vulnerable­n Personen.

Die Impfpflich­t gilt auch nur für die Beschäftig­ten der Einrichtun­gen. Für Alte und Kranke gilt keine Impfpflich­t, obwohl diese sich auch gegenseiti­g anstecken können. Im Bundestag fand Anfang April jedoch der Vorschlag einer Impfpflich­t für alle Personen über 60 Jahren keine Mehrheit.

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Foto: Jon Chol Jin/ap/dpa Pjöngjang: Mitarbeite­r einer Strickware­nfabrik desinfizie­ren im Kampf gegen Corona den Arbeitsber­eich.
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Foto: Marijan Murat/dpa Zusammen auf engstem Raum sind Bewohner und Mitarbeite­r etwa in Seniorenhe­imen. Deshalb soll zumindest das Personal hier geimpft sein – und das ist rechtens.

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