Stubentiger einsperren?
In Walldorf müssen Katzen den Sommer über drin bleiben. Muss das wirklich sein, ginge es nicht anders?
Pro
Alfred Wiedemann, Reporter
Natürlich grenzt es an Tierquälerei, wenn man Katzen, die an Freigang gewöhnt sind, einsperren soll – einen ganzen Sommer lang. Natürlich haben die Katzen die Haubenlerchen nicht ausgerottet. Das waren ihre Frauchen und Herrchen: Dauerappetit auf billiges Essen und der Wunsch nach Bauland haben dafür gesorgt, dass die Lebensräume für Vögel durch monotone Äcker und Neubaugebiete verschwunden sind. Der Katzen-hausarrest ist eine Art Notwehr der Naturschutzbehörden, es geht ums Überleben der allerletzten Haubenlerchen am Ortsrand. Aufs Neubaugebiet dort will ja niemand verzichten. Und versucht worden ist schon viel, um die anderen natürlichen Feinde der Vögel wie Marder und Füchse zu dezimieren. Auch Zäune um Nistplätze haben eben nicht ausgereicht. Bleibt nur, etwas gegen die vielen freilaufenden Katzen zu unternehmen. Dass die gefährlich sind für Vögel, steht fest. Vermutlich werden Richter entscheiden, wie schwer das Leid der eingesperrten Stubentiger wiegt im Vergleich zum Haubenlerchen-exitus. Echte Katzenfreunde, nicht nur in Walldorf, lassen ihr Tier zur Vogelbrutzeit schon längst morgens nicht mehr raus. Sie haben es auch kastrieren und chippen lassen. Das würde nicht nur Vogelleid mindern, weil weniger gejagt und umhergestreift wird. Auch verwilderte Katzen wären seltener. Die machen Schlimmeres durch als Hausarrest.
Contra
Tanja Wolter, Teamleiterin
Katzen monatelang einsperren, um Vögel zu schützen? Wer auch immer auf diese Idee gekommen ist, mit dem sind die Gäule durchgegangen. Und das nicht nur, weil Katzen auf Veränderungen in ihrem Alltag äußerst sensibel regieren, bis hin zu Rückzug und Futterverweigerung. Sondern weil es auch ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Privatsphäre der Besitzer ist – und darüber hinaus wenig bringt. Denn der Hauptfeind der Haubenlerche ist nicht die Katze, sondern die intensive Landwirtschaft, die den Vögeln den Lebensraum raubt – und damit der Mensch.
Nichts gegen den Schutz der putzigen und seltenen Haubenlerche. Aber zu Lasten anderer Tiere, das ist grotesk. Laut der Landesverfassung sollen alle Tiere als Lebewesen und Mitgeschöpfe geachtet und geschützt werden. Das Tierschutzgesetz schreibt jedem Tierhalter vor, den Bedürfnissen seines Tieres gerecht zu werden. Wer seine an Auslauf gewohnte Katze nicht mehr vor die Türe lässt, macht das Gegenteil. Widersprüchlicher kann man Vogelschutz nicht betreiben.
Natürlich sind Katzen kleine Raubtiere, sie reißen zu viele geschützte Vögel. Dem Problem kann man aber auch anders begegnen, etwa über eine Kastrationspflicht. Den Jagdinstinkt der eigenen Hauskatze kann man übrigens mit einer relativ einfachen Methode reduzieren: viel spielen. So simpel kann Vogelschutz auch sein.