Heidenheimer Neue Presse

Alt werden hinter Gittern

Nur ein Teil der Gefängniss­e im Land ist auf den demographi­schen Wandel vorbereite­t. Wohin mit Gefangenen, die pflegebedü­rftig werden?

- Von Theo Westermann

Corona hat spezielle Angebote der Justizvoll­zugsanstal­t Bruchsal für ältere Insassen ausgebrems­t. „Aber jetzt wollen wir das wieder aufgreifen“, sagt Thomas Weber, Leiter der JVA Bruchsal. Rund fünf Prozent der Insassen in Bruchsal sind über 60 Jahre alt, aktuell sind es 27 Häftlinge. „Sie haben ihre speziellen Bedürfniss­e, kommen etwa nicht mehr so klar mit der Hektik des Alltags“, so Weber. Vor Corona gab es zweimal im Monat spezielle Treffen für sie, zum Beispiel mit medizinisc­hen Angeboten, sozialer Beratung oder auch speziellem Sport. „Das kam gut an, auch bei jenen, die sonst schwer mobilisier­bar sind.“Bruchsal ist für Häftlinge mit langen Strafen zuständig.

Die alternde Gesellscha­ft stellt den Justizvoll­zug im Land vor große Herausford­erungen. Ein zentrales Thema dabei: Die Unterbring­ung pflegebedü­rftiger und körperbehi­nderter Gefangener. Ende 2021 befanden sich in Gefängniss­en im Land 298 Senioren über 60 Jahre, aktuell sind es 258. Neun Jahre zuvor waren es noch 226. „Ohne die Entwicklun­g näher beziffern zu können, dürfte die Zahl älterer Gefangener aufgrund demographi­scher Entwicklun­gen weiterhin zunehmen“, antwortete Justizmini­sterin Marion Gentges (CDU) auf eine entspreche­nde Anfrage der Spd-fraktion.

Für die Unterbring­ung mobilitäts­eingeschrä­nkter älterer Gefangener sind landesweit in einem Großteil der Haftanstal­ten in einer gewissen Anzahl rollstuhlg­eeignete Haftplätze vorhanden. Hier hat man auch jüngere Häftlinge mit Behinderun­gen im Blick. Für Gefangene mit höherem Pflegegrad ist das Justizvoll­zugskranke­nhaus Hohenasper­g eine Alternativ­e.

Bei älteren Gefangenen spielen Drogenprob­leme, Nationalit­ätenkonfli­kte oder Gewalt unter Gefangenen im Alltag kaum eine Rolle, konstatier­t das Justizmini­sterium gegenüber der Spd-fraktion. Aufgabenst­ellungen seien eher altersgere­chte Unterkunft und Arbeitsmög­lichkeiten, Beschäftig­ungsund Sportangeb­ote und der Erhalt sozialer Außenkonta­kte.

Die Außenstell­e Singen der JVA Konstanz ist speziell auf ältere Häftlinge zugeschnit­ten. Männer über 62 Jahre, die eine Freiheitss­trafe von mehr als 15 Monaten verbüßen, kommen in der Regel hierher. Die Zellen sind tagsüber bis 22 Uhr geöffnet, auch der Innenhof. Häftlinge mit erhebliche­r Fluchtgefa­hr kommen deshalb nicht nach Singen. Zudem müssen sie gemeinscha­ftsfähig sein und dürfen nicht pflegebedü­rftig sein.

Im März 2022 saßen in Singen 39 Gefangene ein, bei insgesamt 48 Haftplätze­n. In den Gefängniss­en in Freiburg (44 Personen), in Bruchsal (27) und in Offenburg (19) gibt es ebenfalls einen größeren Anteil älterer Gefangener.

Eine vom ehemaligen Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) in Auftrag gegebene Studie über die medizinisc­he Versorgung gab 2020 eine Reihe von Empfehlung­en auch mit Blick auf ältere Häftlinge ab. Für Gefangene mit höherem Pflegegrad soll im Justizvoll­zugskranke­nhaus Hohenasper­g eine spezielle Station mit bis zu zehn Plätzen geschaffen werden. Für jene, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, soll es in einem neuen medizinisc­hen Kompetenzz­entrum der JVA Offenburg bis zu zehn Plätze geben. In den ebenfalls geplanten Zentren der Justizvoll­zugsanstal­ten Freiburg, Mannheim, Rottenburg und Stuttgart sollen Pflegeabte­ilungen mit jeweils bis zu zehn Betten für Gefangene der Pflegegrad­e 2 und 3 eingericht­et werden. In Bruchsal soll das Krankenrev­ier barrierefr­ei werden. Standards soll der geplante Neubau der JVA Rottweil setzen, in der 52 barrierefr­eie Haftplätze vorgesehen sind. Die Ausbauplän­e richten sich aber nach den Haushaltsm­itteln. In Mannheim, Offenburg, Bruchsal sowie im Justizvoll­zugskranke­nhaus gab es aber bereits Begehungen

mit einer Fachfirma, um Lösungsans­ätze bei baulichen Einschränk­ungen für die Unterbring­ung von pflegebedü­rftigen Gefangen zu ermitteln. Die Umsetzung erfolgt nun durch die staatliche Vermögens- und Hochbauver­waltung im Einvernehm­en mit der betroffene­n JVA, so ein Sprecher des Justizmini­steriums

In Bruchsal ist dies angesichts des historisch­en Altbaus eine echte Herausford­erung, wie Anstaltsle­iter Weber sagt. So stellt aktuell eine steile Treppe die Verbindung zwischen der Station und der Arztpraxis dar. Dafür plant nun das Amt für Vermögen und Bau einen Treppenlif­t. Corona hat auch hier für Verzögerun­gen gesorgt – „die Zugangsbes­chränkunge­n für Externe haben dies behindert“, resümiert der Anstaltsle­iter.

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Foto: Jan Woitas/dpa Ein Häftling im Rentenalte­r geht mit einem Rollator über den Flur im Seniorentr­akt der JVA Waldheim. Die betagten Insassen stellen normale Haftanstal­ten oft vor Probleme.

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