Wo Holzwege nicht im Irgendwo enden
Eine Ausstellung mit zeitgenössischen Kleinskulpturen im Heidenheimer Schlossmuseum erlaubt ab Sonntag einen durchaus repräsentativen Blick auf die Holzbildhauerei nach 1945.
Auf einem Holzweg landet man normalerweise im Irgendwo. Aber gut, das gilt für den Wald. In einem Schloss kann das schon ganz anders aussehen. In Heidenheim tut es das auch. „Holzwege“lautet der Titel einer Ausstellung, die am kommenden Sonntag im Museum auf Schloss Hellenstein eröffnet wird. Und spätestens deren Untertitel – „Zeitgenössische Kleinskulptur aus Hölzern“– macht klar, dass es hierbei nicht um Forstwirtschaft, sondern um Kunst geht.
Die Schau ist, wenn man so will, die Fortsetzung einer Präsentation im vergangenen Jahr, nur mit anderen Materialmitteln. „Eisenwege“war die Parole einer Ausstellung mit Kleinplastiken aus Stahl, die von Juni bis Oktober 2021 das Bild im Schlossmuseum bestimmt hatten. Das war nicht nur schön und interessant anzusehen, sondern sollte tatsächlich als Auftakt verstanden werden und einem Anliegen der Kulturbürgermeisterin Simone Maiwald erste Gestalt geben, die das Schloss ganz grundsätzlich mehr und vor allem regelmäßig für Kunst und Kultur genutzt sehen, ihm „noch mehr Leben einhauchen“möchte.
Fünf Jahrzehnte
Was nun die darstellende Kunst anbelangt, so soll auf dem Schloss, nicht zuletzt auch in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum und dessen Leiter Marco Hompes, vor allem eben die skulpturale Schiene befahren werden. Mit „Eisenwege“fing es an – und mit „Holzwege“geht es nun also weiter.
Das Konzept dieser zweiten Ausstellung gleicht nicht nur in seiner Schlüssigkeit dem der ersten. Das ist kein Wunder, denn der Kurator ist derselbe: Jürgen Knubben, Bildhauer aus Rottweil, hat auch die „Holzwege“so gebaut, dass sie einen durchaus repräsentativen Blick auf die Geschichte der Holzbildhauerei nach 1945 in Deutschland erlauben und einen Überblick über fünf Jahrzehnte hinweg bieten.
Stars und Hoffnungsträger
Die Ausstellung ruft knapp 30 Künstlernamen auf, die nicht nur deutschlandweit Geltung reklamieren können. Regelrechte Stars der Szene wie Tony Cragg oder Klaus Balkenhol sind ebenso vertreten wie Namen, die man in
Heidenheim auch aus Ausstellungen im Kunstmuseum oder zuletzt beim Kunstverein kennt: Daniel Bräg, Andreas Welzenbach, Klaus Hack . . .
Die über 50 ausgestellten Skulpturen entstanden im Zeitraum von 1968 bis 2022. Und sie sind, so wie die eisernen Wegbereiter im vergangenen Jahr, in allen Etagen des Schlossmuseums präsent. Wobei unten, in der Schlosskirche, Arbeiten des altbekannten Kettensägen-pioniers Karl Manfred Rennertz oder von jungen Hoffnungsträgerinnen wie Laura Eckert einen interessanten, geradezu die Evolution der Figur nachzeichnenden Dialog mit den dort seit jeher beheimateten spätgotischen Skulpturen sakraler Kunstprovenienz eingehen.
Ausblick inklusive
Der weitaus größte Teil der Schau erwartet den Besucher treppauf im Obervogteisaal, wo, die Figürlichen zur Linken, die Abstrakten zur Rechten, Jürgen Knubbens Präsentationsform nicht nur erneut in wunderbarem Einklang mit dem Raum steht, sondern auch wieder einen Wettstreit auf in jeder Hinsicht hohem Niveau mit der aus dieser Höhe weithin in vorwiegend nördlicher Richtung über Heidenheim schweifenden Aussicht austrägt. Eine Augenweide, wohin der Blick auch fällt. Wer sich noch daran erinnern kann, wie es hier zur Zeit der schon damals längst aus derselben gefallenen Glasvitrinen mit mehr oder weniger aufregenden altsteinzeitlichen Inhalten oder in aller Bescheidenheit präsentierten Heimatgeschichte ausgesehen hat, nimmt’s noch einmal staunend zur Kenntnis. Wer den Unterschied noch nicht selber gesehen hat, sollte einen baldigen Besuch unbedingt in Erwägung ziehen.
Zumal man sich bei dieser Gelegenheit zu allem anderen auch noch gleich das Gefühl mitgeben lassen kann, in Sachen Kunst durchaus up to date und persönlich an der Renaissance der Holzbildhauerei beteiligt gewesen zu sein. Ein solche jedenfalls konstatiert Jürgen Knubben. „Denn je mehr das Virtuelle unseren Alltag bestimmt, desto mehr lechzen wir nach der Erfahrung des Sinnlichen, nach Naturmaterialien wie Holz.“Und der internationale Kunstmarkt lechzt mit. „Die bereits als überkommen geltende Hinwendung zu den tradierten Materialien der Kunst scheint überwunden.“