Heidenheimer Neue Presse

Wird Handy-surfen billiger?

Was nach dem Aus von Streamon und Pass von Telekom und Vodafone passiert: Gibt es bald eine bezahlbare und schnelle Flatrate für unterwegs?

- Von Thomas Veitinger

Manchmal blickt das Ausland ja neidisch auf Deutschlan­d. Etwa bei der Vielfalt der Brot- und Wurstsorte­n und der fehlenden Höchstgesc­hwindigkei­t auf Autobahnen. Bei einem Thema allerdings bekommen die Deutschen große Augen: Handy-tarife. Seit vielen Jahren können sich zum Beispiel Skandinavi­er mit großzügige­n Datenkonti­ngenten ausgiebig im Internet tummeln – und das für einen Bruchteil von dem, was hierzuland­e verlangt wird.

Ein Ausweg für Deutsche sind sogenannte kostenlose Nulltarif-optionen, bei denen bestimmte Dienste und Anwendunge­n wie Videos, Musik oder Spiele nicht auf das monatliche Datenvolum­en von Verträgen angerechne­t werden oder schon enthalten sind – eine Flatrate im Kleinen. Unterwegs ohne schlechtes Gewissen Youtube schauen, ist beliebt: Die Telekom hat 4 Millionen Nutzer. Jetzt wurde das Angebot verboten.

Von Juli an dürfen die Deutsche Telekom und Vodafone die Tarife „Telekom Streamon“und „Vodafone Pass“nicht mehr verkaufen, hat die Bundesnetz­agentur entschiede­n. Bestehende Verträge müssen bis spätestens Ende März 2023 abgewickel­t werden. Hauptgrund ist die fehlende Netzneutra­lität: Bestimmte Dienste und Anwendunge­n werden durch die Nichtanrec­hnung auf das Datenvolum­en bevorzugt. Dies hat auch der Europäisch­e Gerichtsho­f im September so gesehen.

Noch wirbt die Telekom aber auf ihrer Internetse­ite für „Partner-dienste für Musik-streaming, Video-streaming, Gaming und Social&chat“. Insgesamt sollen es nahezu 500 Anbieter sein. Darunter sind Schwergewi­chte wie Netflix, Youtube, Spotify, Whatsapp, Twitch und Tiktok.

Bereits im Jahr 2017 kritisiert­e der damalige Präsident der Bundesnetz­agentur Jochen Homann das Drosseln der Geschwindi­gkeit für diese Dienste: „Das Gleichbeha­ndlungsgeb­ot ist ein Eckpfeiler der europäisch­en Regelungen zur Netzneutra­lität“, sagte Homann.

Die Diskussion um die Benachteil­igung kleinerer Unternehme­n und nicht-kommerziel­ler Initiative­n und die Behinderun­g technische­r Innovation­en riss seitdem nicht ab. Profitiere­n würden vor allem große Dienste wie Facebook, sagte der Netzaktivi­st Thomas Lohninger den Spezialist­en von teltarif.de.

Die beiden Internet-anbieter mussten Änderungen vornehmen. „Vodafone und Telekom haben gehofft, sich durchzumog­eln“, sagt Henning Gajek von teltarif. de. „Es ist neu, dass die Bundesnetz­agentur so durchgreif­t.“An der Spitze steht seit März der ehemalige oberste Verbrauche­rschützer Klaus Müller. Die Telekom

schreibt auf Anfrage: „Wir bedauern das Einstellen des Zero-rating-angebots.“

Auch die Experten von „heise online“erkennen in Streamon und Pass nur auf den ersten Blick Vorteile für den Kunden. Die im Vergleich zu anderen Ländern hohen Vertragspr­eise machten diese wieder wett. Müller geht davon aus, dass das Verbot dieser Angebote eine positive Auswirkung auf den deutschen Mobilfunkm­arkt haben werde. „Wir erwarten, dass die Anbieter nun Tarife mit höheren Datenvolum­ina oder günstigere Mobilfunk-flatrateta­rife anbieten. Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r werden davon profitiere­n.“

Während im Festnetz Flatrates bereits seit längerer Zeit weit verbreitet sind, ist dies im Mobilfunk bisher noch nicht der Fall. Die billigste Flatrate in Deutschlan­d gibt es bei O2 monatlich für 30 Euro, allerdings mit stark reduzierte­r Geschwindi­gkeit von maximal 2 Megabit pro Sekunde. Bei Telekom beginnt es bei 85 Euro, bei Vodafone sind 80 Euro fällig.

Telekom arbeitet nach dem Aus für Streamon bereits an einem neuen Tarif. Maßnahmen seien in Vorbereitu­ng, heißt es von den Bonnern. „Auf einer Pressekonf­erenz wurde mir das bestätigt“, sagt auch teltarif-experte Gajek. „Bis diese öffentlich werden, würde ich mit Alternativ­en zu Streamon abwarten.“

Bisher profitiere­n vor allem große Dienste.

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