„Das war hart zu spielen“
In ihrer neuen Rolle als autokratische Insel-chefin verkörpert Martina Gedeck das Böse. Die Schauspielerin über die Apokalypse-saga „Helgoland 513“und Parallelen zu unserer Zeit.
Sie war die Meisterköchin in „Bella Martha“und glänzte im Stasi-drama „Das Leben der Anderen“: Martina Gedeck zählt zu Deutschlands bedeutendsten Schauspielerinnen. Nun ist sie in der dystopischen Serie „Helgoland 513“(ab 15. März auf Sky und Wow) als Chefin einer Gruppe von Überlebenden zu sehen, die nach einer verheerenden Virusseuche auf der Insel Helgoland eine totalitär geführte Gesellschaft errichtet hat. Wir haben mit Martina Gedeck über die Rolle gesprochen.
Frau Gedeck, in der post-apokalyptischen Serie „Helgoland 513“spielen Sie die autokratische Chefin einer Gemeinschaft von Überlebenden. Hat es Spaß gemacht, mal die Böse zu spielen? Martina Gedeck:
Es hat mir großen Spaß gemacht. Beatrice ist eine praktische, tatkräftige Person, die sofort, nachdem die Katastrophe über die Insel hereingebrochen ist, das Heft in die Hand genommen hat. Sie sagt: Ich nutze meine Chance und schaue, wie weit ich komme. Sie hat ein System etabliert, aus dem sie sich nicht vertreiben lassen will, und die Verantwortung, die das mit sich bringt, lastet mittlerweile schwer auf ihr. Es gab neue große Spielmöglichkeiten für mich, es gab herausfordernde Texte, Ansprachen ans ganze Volk, und ich musste glaubwürdig etwas vermitteln, was ich ethisch nicht vertrete.
Die Katastrophe, von der Sie sprechen, ist eine tödliche Virusseuche, die große Teile der Menschheit ausgelöscht hat. Die Corona-pandemie schwingt in der Serie ganz konkret mit...
Corona war ein Break in der Entwicklung der Menschheit. Eine Pandemie zu erleben ist ein riesiger Schock, und die Auswirkungen, auch die seelisch-geistigen, sind gravierend. Gerade wir in meiner Generation, die zuvor nie unter einem globalen Großereignis gelitten hat, haben plötzlich gemerkt, wie fragil alles ist, dass sehr schnell alles zusammenbricht. Da kommen Zukunftsängste auf. Wobei ich sagen muss, dass unser Regisseur Robert Schwentke
die Serie schon im Kopf hatte, bevor es die Pandemie gab.
Also ist „Helgoland 513“weniger eine Virusserie als eine Warnung vor autoritären Regimes?
Genau. Die Serie zeigt: Guckt mal Leute, das passiert, wenn denunziert wird, wenn gemobbt wird,
wenn jeder sich selbst der Nächste ist, wenn die Liebe aus der Welt verschwindet.
sonst angeblich die Ressourcen ausgehen...
Beatrice handelt, damit sie überleben kann, damit ihre Leute überleben können. Aber dass es toll und richtig ist, ein Punktesystem aufzurichten, bei dem Leute, die sich nicht systemadäquat verhalten, im schlimmsten Fall umgebracht werden – das kann ja kein Mensch super finden, auch sie nicht. Beatrice sieht ganz klar: Wenn ich nicht so handle, dann werden wir alle sterben – und deshalb muss es gemacht werden. So schrecklich es ist. Aber das haben die Nazis auch gedacht: Wenn wir nicht unsere Rasse rein erhalten, dann sterben wir aus. Das sind kranke, menschenverachtende, lebensfeindliche Gedanken. Aber das ist ja generell eine Frage, die man sich bei Autokraten stellt: Wie können die so sein? Wie kann jemand einen Krieg wie jetzt den gegen die Ukraine führen, was läuft da in seinem Kopf ab?
Inwiefern waren die Dreharbeiten für die Serie besonders? Gedreht wurde ja offenbar gar nicht auf Helgoland?
Richtig, wir haben vieles in Berlin gedreht, wo wir fantastische Studiobauten hatten – die Szenen in den Bunkeranlagen sind dort entstanden. Dann sind wir auf Inseln gezogen, auf Amrum und auf Sylt, und haben dort die Außenaufnahmen gemacht. Die Dreharbeiten waren sehr intensiv. Vor allem, weil man ja diese dystopische Welt auch aufgebaut und darin gelebt hat, das war eine außergewöhnliche Zeit.
Die Inselgemeinschaft ist ja auch ein radikaler Gegenentwurf zur modernen Überflussgesellschaft. Ist es nicht auch ein reizvolles Gedankenspiel, in einer Welt ohne Luxus und Konsumterror zu leben?
Im Film gibt es keine Handys und keine Computer, es war wie eine Zeitreise in die 80er Jahre, das war schon schön. Aber es gab auch fürchterliche, schreckliche Szenen: Diese Tötungsszenen haben mir ehrlich gesagt schwer zu schaffen gemacht. Ich fand es sehr grausam, was da passiert ist, auch was ich in der Rolle tue – in Verhandlungen vernichte ich Menschen mit Worten, indem ich ihnen Dinge unterschiebe, die sie in Wahrheit nicht getan haben. Das war hart zu spielen – und zu wissen, dass so etwas wirklich stattfindet, das war nicht ganz einfach. Diese denunziatorischen Geschichten, diese Atmosphäre von permanenter Überwachung, in der man sich da bewegt, fand ich sehr unangenehm.
Die Inselchefin Beatrice geht für das, was sie für das Richtige hält, buchstäblich über Leichen: Sie begrenzt die Bevölkerungszahl auf der Insel mit allen Mitteln auf 513, weil
Haben Sie sich dadurch auch an das Stasi-drama „Das Leben der Anderen“erinnert gefühlt, in dem Sie mitgespielt haben?
Ja, aber es hat mich auch an unsere jetzige Zeit erinnert, in der ja auch denunziert und gemobbt wird – nicht nur in den sozialen Medien. Leute werden in die Ecke gestellt, Menschen werden ausgegrenzt. Das ist fürchterlich.