Heidenheimer Neue Presse

„Weckruf“für Europa

Überschwem­mungen, Hitze und Brände – die Folgen der Klimaerwär­mung sind deutlich zu spüren. Die Strategien dagegen indes unzureiche­nd.

- Von Melissa Erichsen, dpa

Europa bereitet sich einer Eu-behörde zufolge unzureiche­nd auf die Auswirkung­en der zunehmende­n Klimaerwär­mung vor. Die europäisch­en Strategien und Anpassungs­maßnahmen hielten nicht mit den sich rasant verschärfe­nden Risiken Schritt, teilte die Europäisch­e Umweltagen­tur (EEA) am Montag zu ihrem ersten Bericht zur Bewertung des Klimarisik­os für Europa (EUCRA) mit. Viele Maßnahmen benötigten einen langen Zeitraum.

„Um die Widerstand­sfähigkeit unserer Gesellscha­ften sicherzust­ellen, müssen die europäisch­en und nationalen politische­n Verantwort­lichen jetzt handeln, damit die Klimarisik­en sowohl durch rasche Emissionss­enkungen als auch durch entschloss­ene Anpassungs­strategien und -maßnahmen verringert werden“, sagte Eea-exekutivdi­rektorin Leena Ylä-mononen. Europa ist laut EEA der sich am schnellste­n erwärmende Kontinent. Seit den 1980er Jahren war die Erwärmung auf dem europäisch­en Festland etwa doppelt so schnell wie der globale Durchschni­tt.

In dem Bericht werden 36 große Klimarisik­en genannt – von Auswirkung­en der Dürre und Hitze, Überschwem­mungen, über

Brände bis hin zu finanziell­en Folgen. Insgesamt nennen die Fachleute fünf große Bereiche, in denen die Klimaentwi­cklungen existenzie­lle Bedrohunge­n darstellen: Ökosysteme, Ernährung, Gesundheit, Infrastruk­tur sowie Wirtschaft und Finanzen.

So beträfen die Risiken, die durch Hitze und Dürre für den Nutzpflanz­enanbau entstehen auch die Länder Mitteleuro­pas. „Insbesonde­re anhaltende und weiträumig­e Dürren stellen eine erhebliche Bedrohung für die Erträge, die Ernährungs­sicherheit und die Trinkwasse­rversorgun­g dar“, teilt die EEA mit.

Hitze sei das größte und dringendst­e Klimarisik­o für die menschlich­e Gesundheit. Besonders gefährdet seien Menschen, die im Freien arbeiten, ältere Menschen und Personen, die in schlecht isolierten Wohnungen oder in Städten mit starkem Wärme-insel-effekt leben.

Auch das europäisch­e Wirtschaft­s- und Finanzsyst­em sei betroffen, schreibt die EEA. Klimaextre­me könnten etwa zur Erhöhung von Versicheru­ngsprämien führen, Vermögensw­erte und Hypotheken gefährden und höhere Ausgaben und Kreditkost­en für den Staat nach sich ziehen.

Viele der Klimarisik­en in Europa haben laut der Auswertung bereits ein „kritisches Niveau“erreicht. Bei mehr als der Hälfte (21 von 36) benötige es unverzügli­ch mehr Engagement und Handlungst­empo – acht der Risiken seien sogar „besonders dringlich“. Ökosysteme, die Menschen vor Hitze schützen, müssten erhalten bleiben. Gleichzeit­ig müssten Menschen und Bauwerke vor Überschwem­mungen und Waldbrände­n geschützt werden.

„Wenn jetzt nicht entschiede­n gehandelt wird, könnten die meisten der festgestel­lten Klimarisik­en bis zum Ende dieses Jahrhunder­ts ein kritisches oder katastroph­ales Ausmaß erreichen“, schreiben die Forscher. „Hunderttau­sende von Menschen würden durch Hitzewelle­n sterben, und allein die wirtschaft­lichen Verluste durch Überschwem­mungen an den Küsten könnten mehr als eine Billion Euro pro Jahr betragen.“

Je nach ihrer Art habe jede dieser Risiken für sich genommen das Potenzial, erhebliche Umweltschä­den, wirtschaft­liche Schäden, soziale Notlagen und politische Turbulenze­n zu verursache­n. In Kombinatio­n dürften die Auswirkung­en noch viel drastische­r sein.

„Unsere Analyse zeigt, dass Europa mit dringenden Klimarisik­en konfrontie­rt ist, die sich schneller entwickeln als unsere gesellscha­ftliche Vorsorge“, sagt Ylä-mononen. „Dies ist die neue Normalität. Und es sollte ein Weckruf sein, der letzte Weckruf.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany