Heidenheimer Neue Presse

Fünf Mal rund um den Globus

24 Rennen werden in dieser Saison ausgetrage­n – so viele wie nie. Für die Piloten ist die Belastungs­grenze längst erreicht. Sie maulen schon vor der dritten Etappe der Welttourne­e.

- Von Martin Moravec, dpa

Bahrain, Saudi-arabien, Australien. Die Welttourne­e der Formel 1 hat gerade erst Fahrt aufgenomme­n. Doch der Rekordkale­nder mit erstmals 24 Grand Prix auf fast allen Kontinente­n nervt die Stars um Weltmeiste­r Max Verstappen bereits gewaltig. „Ich habe schon jetzt das Gefühl, dass wir das Limit an Rennen weit überschrit­ten haben“, kritisiert­e der niederländ­ische Red-bull-pilot bereits vor dem ersten Rennen des Jahres in Bahrain. „Ich weiß natürlich, dass ich noch sehr jung bin, aber ich weiß auch, dass ich 24 Rennen nicht noch zehn Jahre lang machen werde.“Verstappen ist 26.

Die Formel 1 hat den Anspruch, ein globaler Sport zu sein. Mehr als 200 000 Kilometer werden auf der logistisch­en Tour von Abu Dhabi bis Zandvoort zurückgele­gt, das entspricht fünf Weltumrund­ungen. Trotz allem Luxus vor allem für die Stars und Führungskr­äfte der Motorsport-königsklas­se: Das zehrt an den Kräften.

„Meiner Meinung nach sind wir schon zu weit gegangen“, meinte Ferrari-pilot Carlos Sainz, dessen Einsatz an diesem Wochenende in Melbourne wegen der Folgen einer Operation am Blinddarm nicht sicher ist. „Wir sind am Limit, was die Zahl der Rennen für Teamperson­al, Fahrer, weitere Formel-1-mitarbeite­r, Journalist­en und so weiter betrifft.“

Die Formel 1 boomt – und das beschleuni­gt die Expansion. Denn der Kampf um Bruchteile von Sekunden auf dem Asphalt sorgt für fette Einnahmen und befeuert damit auch die Gagen der Protagonis­ten. „Wir könnten schon heute mehr als 30, sogar 32 Rennen haben, weil jeder eines veranstalt­en will“, äußerte Geschäftsf­ührer Stefano Domenicali zum Saisonstar­t

vor einem Jahr in verlockend­ster Marketingm­anier. Gleichzeit­ig bezeichnet der Italiener 24 Grand Prix als angemessen für die absehbare Zukunft. Doch wann sieht die Formel 1 den nächsten Zukunftssc­hritt gekommen?

Sainz sieht die Gefahr, dass das Premiumpro­dukt verwässert wird. Die Formel 1 laufe Gefahr, dass die Tv-zuschauer „ein wenig den Appetit verlieren“, mahnte er. „Die Formel 1 muss exklusiv bleiben.“Der Spanier, der zur kommenden Saison bei Ferrari von Rekordwelt­meister Lewis

Hamilton verdrängt wird, zog einen Vergleich zur Champions League im Fußball. „Die bekommt man nicht so oft, und die Höhepunkte dieser Spiele verbinden die Menschen.“Allerdings wurde auch die Fußball-königsklas­se über die Jahre aufgebläht.

Der Formel-1-zirkus zieht aber weiter. Von Dschidda bis nach Melbourne sind es knapp 13 000 Kilometer Luftlinie. Ein Verstappen muss nicht in der Economykla­sse fliegen, die Stars genießen den Komfort von Privatjets. Die Teams kümmern sich aber auch längst um Herz und Kopf aller

weiteren Mitarbeite­r. Für Mechaniker, Datenwisse­nschaftler & Co. gibt es Wohlfühlma­nager, die sich auch um Schlafgewo­hnheiten angesichts von Jetlag-distanzen kümmern. Die Köche wiederum bereiten Soulfood zu, das der Seele guttut. „Man muss sich um die hart arbeitende­n Menschen kümmern“, betonte Mercedes-teamchef Toto Wolff.

Längst gibt es auch Rotationss­ysteme für Mitarbeite­r – sogar unter den Führungskr­äften am Kommandost­and. „Wenn wir an den Punkt gelangen, dass wir Fahrer rotieren, dann sind wir zu weit gegangen“, befand Sainz.

Ziel: Bis 2030 klimaneutr­al

Dieses Szenario ist nicht realistisc­h. Spitzenfah­rer wie Verstappen oder Hamilton sind wegen ihrer Klasse nicht austauschb­ar. Doch die Welttourne­e ist auch eine Belastungs­probe für die Umwelt. Man müsse „auch an die Auswirkung­en denken, die wir auf die Welt haben“, bemerkte Mercedes-pilot Hamilton. „Je mehr Rennen wir veranstalt­en, umso mehr reist dieser ganze Zirkus überallhin. Nachhaltig­keit sollte im Mittelpunk­t der Entscheidu­ngen stehen.“Die Formel 1 jedenfalls will bis 2030 klimaneutr­al sein.

Die 24 Events in diesem Jahr hält auch Fernando Alonso für übertriebe­n. „Das ist nicht nachhaltig, für niemanden“, kritisiert­e der Aston-martin-fahrer aus Spanien. Als Alonso 2001, also vor fast einem Vierteljah­rhundert, sein Formel-1-debüt gab, wurden noch 17 Grand Prix gefahren.

Der zweimalige Weltmeiste­r fürchtet angesichts von Verstappen­s Dauerdomin­anz aber noch etwas ganz anderes. „Stellen Sie sich vor, wie wir in die Rennen der zweiten Saisonhälf­te gehen“, meinte Alonso fast schwermüti­g, „und wenn es dann keinen Anreiz mehr geben sollte, um etwas zu kämpfen.“

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Foto: G. Cacace/dpa Rennen über Rennen: Selbst Weltmeiste­r Verstappen kann’s da schwummrig werden.

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