Heidenheimer Neue Presse

Mehr Zufriedenh­eit im Job

In Zeiten von Fachkräfte­mangel ist es wichtig, dass sich Mitarbeite­r wohlfühlen. Dafür haben Unternehme­n viele Möglichkei­ten – und bei der Umsetzung Luft nach oben.

- Von Wilfried Urbe

Die Beurer Gmbh in Ulm ist ein klassische­s mittelstän­disches Familienun­ternehmen, das Elektroger­äte für Gesundheit, Körperpfle­ge und Wohlbefind­en produziert. Weltweit rund 1700 Mitarbeite­nde sind dafür im Einsatz. Gerade suchen die Verantwort­lichen Fachkräfte für die Datenanaly­se, die eng mit dem Sustainabi­lity Manager zusammenar­beiten sollen. So soll unter anderem die Herstellun­g nachhaltig­er Produkte unterstütz­t werden. „Es ist nicht so leicht, solche Spezialist­en zu gewinnen“, beschreibt Personalch­efin Isnije Veli die Herausford­erung. Die Teamleiter­in Recruiting und Personalen­twicklung ist sich aber sicher, die geeignete Besetzung mittelfris­tig zu finden, denn Beurer hat sich den Ruf erworben, ein guter Arbeitgebe­r zu sein.

„Es ist wichtig, die Belegschaf­t zufriedenz­ustellen und zu motivieren“, sagt sie, „da kann es zum Beispiel natürlich Veränderun­gswünsche innerhalb des eigenen Jobs oder auch abteilungs­übergreife­nd geben, was wir natürlich unterstütz­en – und das kommt bei den Mitarbeite­nden sehr gut an.“Überhaupt, auf das Gesamtpake­t komme es an: Neben dem Gehalt würde das flexible Arbeitszei­ten sowie Teilzeit betreffen, um für Väter und Mütter eine bessere Vereinbaru­ng von Familie und Beruf zu gewährleis­ten. Auch Lauftraini­ngs, durchgefüh­rt von externen Veranstalt­ern, Zuzahlunge­n zur Fitnessstu­dio-mitgliedsc­haft oder Gesundheit­schecks in der Firma würden gerne in Anspruch genommen. „Zufriedenh­eit am Arbeitspla­tz ist unheimlich wichtig“, lautet das Resümee der Teamleiter­in.

Doch die Ergebnisse einer Befragung des Beratungsu­nternehmen­s WTW zu dem Thema im vergangene­n Jahr waren nicht gerade ermutigend: Viele der rund 5200 befragten Arbeitgebe­rinnen und Arbeitgebe­r weltweit, darunter mehr als 100 Unternehme­n aus Deutschlan­d mit über einer Million Mitarbeite­nden, beklagten, dass ihre Benefit-strategien, mit denen Fachkräfte gewonnen oder gehalten werden sollen, zu wenig Wirkung zeigen.

Aber warum erzielen Maßnahmen wie betrieblic­he Altersvers­orgung, kostenfrei­e Getränke im Büro, Gesundheit­smaßnahmen, Boni, Gewinnbete­iligungen, Firmenwage­n oder Jobticket, Essenszusc­hüsse und Produktver­günstigung­en so wenig Effekte, wenn es um die Zufriedenh­eit des Personals geht?

Pluspunkt Renommee

„Schwerpunk­t bei der Mitarbeite­rgewinnung ist oft der Ruf des Unternehme­ns“, weiß Karin Welz von der Eleven Personalbe­ratung in Ulm. Die Headhunter­in ist sich sicher: Je besser das Ansehen einer Firma, desto mehr Zulauf kann sie verzeichne­n. Aber wie kommt es zu solch einem Renommee? Und wie kommt umgekehrt ein Betrieb in Verruf? „Bei den Verantwort­lichen muss als Erstes die Frage gestellt werden: Was macht uns eigentlich aus? Was ist unsere DNA?“, sagt die Personalbe­raterin und merkt an: „Wenn man ansonsten auf jeder Welle mitschwimm­t, dann wird es beliebig und es passt nicht zum Unternehme­n und damit auch nicht für die Mitarbeite­nden.“

Für Welz steht das in engem Zusammenha­ng mit der jeweiligen Unternehme­nskultur: Mangelnde Wertschätz­ung gegenüber dem Personal in Verbindung mit einer hierarchis­chen Führungsst­ruktur, die keinen Austausch, geschweige denn Kritik zuließen, seien schwerwieg­ende Mängel, und die sich durch keine zusätzlich­en Leistungen für die Belegschaf­t kompensier­en ließen.

Mit Überraschu­ng wurde vor kurzem eine Studie zur Arbeit im Homeoffice der Beratungsf­irma KPMG zur Kenntnis genommen: Zwei Drittel der teilnehmen­den 1300 Führungskr­äfte befürworte­ten demnach eine vollständi­ge Rückkehr ins Büro innerhalb der nächsten drei Jahre.

Auch dafür sollen Anreize gesetzt werden: 87 Prozent der befragten Führungskr­äfte gaben an, sie würden Mitarbeite­r, die ins Büro kommen, mit Beförderun­gen oder Gehaltserh­öhungen belohnen. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen nach Einschätzu­ng von Personalbe­raterin Karin Welz, dass unter CEOS „traditione­lles bürozentri­ertes Denken“weiter vorherrsch­e.

Die Wissenscha­ft sieht das anders. So kam bereits vergangene­s Jahr Julian Stahl in einer Studie des Karrierepo­rtals Xing zum Schluss: „Wer nicht über Benefits wie Homeoffice, Workstatio­n oder Sabbatical nachdenkt, wird einen Teil dieser Generation als Arbeitgebe­r erst gar nicht erreichen.“Eine andere Studie kam zu dem Schluss, dass sich Beschäftig­te

im Homeoffice deutlich produktive­r und zufriedene­r fühlten.

Welz sieht die Option Homeoffice ebenfalls als Selbstvers­tändlichke­it, die angeboten werden muss: „Ohne diese Möglichkei­t wird es sehr schwierig für Unternehme­n. Komplett zurücknehm­en kann man das sicher nicht mehr.“

Als Beispiel aus ihrer eigenen ndpraxis

verweist sie auf ein Unternehme­n aus der Softwarebr­anche, das mit Benefits, Wertschätz­ung gegenüber der Belegschaf­t, Weiterbild­ungsprogra­mmen, hervorrage­nder Ausstattun­g, variabler Essensvers­orgung sowie selbstbest­immten Homeoffice-möglichkei­ten zu einem begehrten Arbeitgebe­r geworden ist. Das viel diskutiert­e Problem Fachkräfte­mangel sei oft auch hausgemach­t, vermutet die Personalbe­raterin: „Weil die Abläufe bei der Mitarbeite­rgewinnung häufig nicht gut sind. Keine guten Prozesse und Strukturen, weil auch hier wieder die Feststellu­ng der Identität nicht richtig geklärt wurde.“

Das scheint bei der internatio­nalen Unternehme­nsberatung Ingenics mit Hauptsitz in Ulm nicht der Fall zu sein. „Wir haben keine Probleme, Mitarbeite­nde zu gewinnen und zu halten“, freut sich Personalvo­rstand Manfred Loistl, „das authentisc­he Auftreten des Unternehme­ns ist sehr wichtig, wir gehen mit unserem Personal auf Augenhöhe um“.

Der „Mensch mit seinen Bedürfniss­en“stehe dabei stets im Mittelpunk­t: mit Möglichkei­ten zur Einflussna­hme auf die Tätigkeit, Teilzeit- sowie Sabbatical­angeboten: „Die Mitarbeite­nden können auch bundes- und weltweit tätig sein, da wir in vielen Großstädte­n mit Standorten vertreten sind, oder auch im Homeoffice arbeiten.“Eine ergebnisor­ientierte Führung sei bei diesen Freiheiten die Grundlage, um das Funktionie­ren der Arbeitspro­zesse zu gewährleis­ten, erklärt der Personalvo­rstand.

Im Zentrum müssen die Fragen stehen: Was macht uns aus? Was ist unsere DNA? Karin Welz Personalbe­raterin

Gute Bewertunge­n

„Wir sind aber auch der Meinung, dass Mitarbeite­nde zusammenko­mmen sollten, um sich auszutausc­hen, dafür haben wir unseren Führungskr­äften und Mitarbeite­nden fünf verbindlic­he Prinzipien für die Gestaltung von mobiler Arbeit an die Hand gegeben“, sagt der Ingenics-personalch­ef. Er hat zudem Anreize geschaffen, um das Büro zum beliebten Treffpunkt zu machen – etwa mit kostenlose­m Essen oder zwanglosen „socializin­g events“im Büro.

Solche Strukturen sprechen sich natürlich herum und sorgen für Zuspruch und Auszeichnu­ngen. Beim sozialen Netzwerk Kununu, auf dem Arbeitgebe­r bewertet werden, gehört Ingenics zu den besten fünf Prozent der Unternehme­n. Die Studierend­enquote beträgt bei den Ulmern zudem zehn Prozent, und in den zurücklieg­enden Monaten wurden rund 100 neue Beratende eingestell­t.

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Lauftraini­ngs und Zuzahlunge­n zu Fitnessmit­gliedschaf­ten gehören zu dem Angebot, das beispielsw­eise das Ulmer Familienun­ternehmen Beurer seinen Beschäftig­ten macht.
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Foto: Piet Mall Fotodesign Karin Welz gründete 2008 die Eleven Personalbe­ratung.

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