Heidenheimer Neue Presse

Startklar mit Paraffin und Sauerstoff

Erstmals seit Jahrzehnte­n soll eine kommerziel­le Trägerrake­te eines deutschen Unternehme­ns die Erde verlassen. Die zwölf Meter lange Rakete wird in Australien getestet.

- Von Aleksandra Bakmaz, dpa

In der privaten Raumfahrt sind vor allem Menschen wie Elon Musk und Jeff Bezos bekannt. Doch auch private Raketenbau­er aus Deutschlan­d mischen mit. Der erste Start einer Trägerrake­te eines dieser deutschen Start-ups ist für frühestens Mittwoch im australisc­hen Koonibba geplant. Er war wetterbedi­ngt verschoben worden – das Startfenst­er reicht bis 6. Mai. Die zwölf Meter lange Rakete soll mit Kerzenwach­s und Sauerstoff fliegen, aber die Grenze zum Weltraum nicht überschrei­ten.

Was ist das für eine Rakete?

60 Kilometer in die Höhe will das Unternehme­n Hyimpulse, das in der Nähe von Heilbronn seinen Sitz hat, die Trägerrake­te SR75 schicken. Die Rakete könne eine Nutzlast von 250 Kilogramm transporti­eren und sei auch in der Lage ins All zu fliegen, sagt COCEO und Mitgründer Christian Schmierer. Im Rahmen der vorliegend­en Genehmigun­g sei das diesmal nicht geplant.

Die Ingenieure wollen das Triebwerk der Rakete testen. Das Antriebsko­nzept sei etwas Besonderes. Die Rakete fliege mit Paraffin, also Kerzenwach­s, und flüssigem Sauerstoff. An dem Triebwerk werde mittlerwei­le seit mehr als zehn Jahren gearbeitet. Die Technik sei schon bekannt, habe sich aber bei Startraket­en bisher nicht durchgeset­zt, sagt Martin Tajmar, Experte für Raumfahrtt­echnik an der TU Dresden.

Was steckt dahinter?

Die Idee sei, mit der Trägerrake­te ein besseres Angebot für Kleinsatel­liten zu machen, sagt Schmierer. „Bisher gibt es vor allem Raketen auf dem Markt, die man sich wie Busse oder Züge vorstellen kann. Sie laden die Satelliten nur an bestimmten Orten im Orbit ab – wie an einer Haltestell­e. Unsere Rakete ist eher wie ein Taxi.“Sie sei durch das hybride Triebwerk aus festem und flüssigem Treibstoff günstiger, da weniger Bauteile nötig seien als bei herkömmlic­hen Antrieben, sagt der 36-Jährige. Die Rakete sei das erste Produkt von Hyimpulse. Man arbeite auch an einer größeren

Rakete mit mehr Kapazitäte­n. Die Raketen sollen in etwa eineinhalb Jahren Satelliten ins Weltall transporti­eren.

Was bedeutet der Start im internatio­nalen Kontext?

Die Welt schaue zwar nicht auf den Start, aber für Deutschlan­d sei er wichtig, sagt Tajmar. Im

Ganzen betrachtet sei es ein Nischenmar­kt, doch für Europa relevant. In Europa spielen bislang die Raketen des Unternehme­ns Arianespac­e eine entscheide­nde Rolle beim Transport von Satelliten. Ein Ariane-launcher sei aber gerade nicht im Betrieb.

Welche Rolle spielt private in anderen Ländern? Raumfahrt

Die Raketen von Tech-milliardär Elon Musk seien in diesem Jahr für rund 90 Prozent aller weltweiten Raketensta­rts zuständig, erklärt Tajmar. Danach folge China. Das Übrige entfalle auf den Rest der Welt. „Das ist sowas von unwichtig.“In China gebe es jede Menge privater Start-ups, die schon ins All geflogen seien. Der Spacex-gründer habe den Maßstab hochgelegt. „Da schauen alle nur ehrfürchti­g zu und die Chinesen versuchen es zu kopieren.“Musk habe auch mit einer kleinen Rakete angefangen. Er sei relativ schnell zu größeren Modellen

übergegang­en, die dann auch wiederverw­endbar wurden, ein enormer Vorteil für Preis und Verfügbark­eit. Aber: „Man muss irgendwo anfangen“, sagt Tajmar mit Blick auf die deutschen Start-ups.

Was erwartet der Anbieter?

In den USA und China gibt es entspreche­nde Anbieter von kleinen Raketen. Aber die seien viel zu teuer, sagt Schmierer. Hyimpulse wolle preislich deutlich attraktive­r sein. Ein Start der größeren kommerziel­len Rakete koste etwa sechs Millionen Euro. Pro Kilogramm Nutzlast wolle man etwa 6500 Euro berechnen. Man habe bereits viele Kundenanfr­agen. Auch die Politik hofft auf Kostensenk­ungen durch die Nutzung privater Anbieter.

Wer braucht Satelliten-taxis?

Zu den Kunden gehört laut Schmierer etwa die Automobili­ndustrie, die Satelliten für die Navigation und das autonome Fahren

bräuchte. Man wolle den Markt nicht China und den USA überlassen. „Wir brauchen auch als Europäer Unabhängig­keit von den Amerikaner­n, auch wenn sie unsere Partner sind.“

Der ehemalige Astronaut Ulrich Walter sieht viele Chancen für private Hersteller von kleineren Raketen. Die Satelliten werden seiner Einschätzu­ng nach immer kleiner werden. Die neuen Kleinraket­en-anbieter seien flexibler als die großen, bei denen man zwei Jahre im Voraus einen Platz buchen müsse. In Zukunft werde der Markt ordentlich wachsen, sagt der Professor für Raumfahrtt­echnik an der TU München.

Bereits in den späten 1970erjahr­en habe eine deutsche Firma eine Privatrake­te entwickelt, die eine günstigere Alternativ­e sein sollte. Es habe einige Raketentes­ts in Afrika gegeben. Die Firma Otrag sei jedoch in den 80erjahren eingegange­n.

 ?? Foto: Hyimpulse/dpa ?? Das Foto zeigt die SR75 des Unternehme­ns Hyimpulse aus der Nähe von Heilbonn, die in der kommenden Woche von Australien aus abheben soll. Es ist die erste Privatrake­te des deutschen Start-ups.
Foto: Hyimpulse/dpa Das Foto zeigt die SR75 des Unternehme­ns Hyimpulse aus der Nähe von Heilbonn, die in der kommenden Woche von Australien aus abheben soll. Es ist die erste Privatrake­te des deutschen Start-ups.

Newspapers in German

Newspapers from Germany