Startklar mit Paraffin und Sauerstoff
Erstmals seit Jahrzehnten soll eine kommerzielle Trägerrakete eines deutschen Unternehmens die Erde verlassen. Die zwölf Meter lange Rakete wird in Australien getestet.
In der privaten Raumfahrt sind vor allem Menschen wie Elon Musk und Jeff Bezos bekannt. Doch auch private Raketenbauer aus Deutschland mischen mit. Der erste Start einer Trägerrakete eines dieser deutschen Start-ups ist für frühestens Mittwoch im australischen Koonibba geplant. Er war wetterbedingt verschoben worden – das Startfenster reicht bis 6. Mai. Die zwölf Meter lange Rakete soll mit Kerzenwachs und Sauerstoff fliegen, aber die Grenze zum Weltraum nicht überschreiten.
Was ist das für eine Rakete?
60 Kilometer in die Höhe will das Unternehmen Hyimpulse, das in der Nähe von Heilbronn seinen Sitz hat, die Trägerrakete SR75 schicken. Die Rakete könne eine Nutzlast von 250 Kilogramm transportieren und sei auch in der Lage ins All zu fliegen, sagt COCEO und Mitgründer Christian Schmierer. Im Rahmen der vorliegenden Genehmigung sei das diesmal nicht geplant.
Die Ingenieure wollen das Triebwerk der Rakete testen. Das Antriebskonzept sei etwas Besonderes. Die Rakete fliege mit Paraffin, also Kerzenwachs, und flüssigem Sauerstoff. An dem Triebwerk werde mittlerweile seit mehr als zehn Jahren gearbeitet. Die Technik sei schon bekannt, habe sich aber bei Startraketen bisher nicht durchgesetzt, sagt Martin Tajmar, Experte für Raumfahrttechnik an der TU Dresden.
Was steckt dahinter?
Die Idee sei, mit der Trägerrakete ein besseres Angebot für Kleinsatelliten zu machen, sagt Schmierer. „Bisher gibt es vor allem Raketen auf dem Markt, die man sich wie Busse oder Züge vorstellen kann. Sie laden die Satelliten nur an bestimmten Orten im Orbit ab – wie an einer Haltestelle. Unsere Rakete ist eher wie ein Taxi.“Sie sei durch das hybride Triebwerk aus festem und flüssigem Treibstoff günstiger, da weniger Bauteile nötig seien als bei herkömmlichen Antrieben, sagt der 36-Jährige. Die Rakete sei das erste Produkt von Hyimpulse. Man arbeite auch an einer größeren
Rakete mit mehr Kapazitäten. Die Raketen sollen in etwa eineinhalb Jahren Satelliten ins Weltall transportieren.
Was bedeutet der Start im internationalen Kontext?
Die Welt schaue zwar nicht auf den Start, aber für Deutschland sei er wichtig, sagt Tajmar. Im
Ganzen betrachtet sei es ein Nischenmarkt, doch für Europa relevant. In Europa spielen bislang die Raketen des Unternehmens Arianespace eine entscheidende Rolle beim Transport von Satelliten. Ein Ariane-launcher sei aber gerade nicht im Betrieb.
Welche Rolle spielt private in anderen Ländern? Raumfahrt
Die Raketen von Tech-milliardär Elon Musk seien in diesem Jahr für rund 90 Prozent aller weltweiten Raketenstarts zuständig, erklärt Tajmar. Danach folge China. Das Übrige entfalle auf den Rest der Welt. „Das ist sowas von unwichtig.“In China gebe es jede Menge privater Start-ups, die schon ins All geflogen seien. Der Spacex-gründer habe den Maßstab hochgelegt. „Da schauen alle nur ehrfürchtig zu und die Chinesen versuchen es zu kopieren.“Musk habe auch mit einer kleinen Rakete angefangen. Er sei relativ schnell zu größeren Modellen
übergegangen, die dann auch wiederverwendbar wurden, ein enormer Vorteil für Preis und Verfügbarkeit. Aber: „Man muss irgendwo anfangen“, sagt Tajmar mit Blick auf die deutschen Start-ups.
Was erwartet der Anbieter?
In den USA und China gibt es entsprechende Anbieter von kleinen Raketen. Aber die seien viel zu teuer, sagt Schmierer. Hyimpulse wolle preislich deutlich attraktiver sein. Ein Start der größeren kommerziellen Rakete koste etwa sechs Millionen Euro. Pro Kilogramm Nutzlast wolle man etwa 6500 Euro berechnen. Man habe bereits viele Kundenanfragen. Auch die Politik hofft auf Kostensenkungen durch die Nutzung privater Anbieter.
Wer braucht Satelliten-taxis?
Zu den Kunden gehört laut Schmierer etwa die Automobilindustrie, die Satelliten für die Navigation und das autonome Fahren
bräuchte. Man wolle den Markt nicht China und den USA überlassen. „Wir brauchen auch als Europäer Unabhängigkeit von den Amerikanern, auch wenn sie unsere Partner sind.“
Der ehemalige Astronaut Ulrich Walter sieht viele Chancen für private Hersteller von kleineren Raketen. Die Satelliten werden seiner Einschätzung nach immer kleiner werden. Die neuen Kleinraketen-anbieter seien flexibler als die großen, bei denen man zwei Jahre im Voraus einen Platz buchen müsse. In Zukunft werde der Markt ordentlich wachsen, sagt der Professor für Raumfahrttechnik an der TU München.
Bereits in den späten 1970erjahren habe eine deutsche Firma eine Privatrakete entwickelt, die eine günstigere Alternative sein sollte. Es habe einige Raketentests in Afrika gegeben. Die Firma Otrag sei jedoch in den 80erjahren eingegangen.