Heidenheimer Zeitung

Korrekture­n am verwöhnten Kunstmarkt

Geldanlage Die Preise für Gemälde und Skulpturen sind jahrelang gestiegen. Zuletzt sanken die Umsätze aber. Von einer Krise kann trotzdem nicht die Rede sein.

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Der globale Kunstmarkt schrumpft – das zeigte erst vor wenigen Wochen der Marktberic­ht der „Art Basel“, der wichtigste­n Kunstmesse der Welt, vor. Allerdings hatte es zuvor auch einige Übertreibu­ngen gegeben. Zum einen verliehen die niedrigen Zinsen dem Kunstmarkt Rückenwind. Zum anderen trieben die vielen neuen Reichen aus den Schwellens­taaten in Asien, Arabien und Lateinamer­ika auf Auktionen die Preise von Picasso & Co. in die Höhe. Dazu wurden überall auf der Welt neue, prunkvolle Museen gebaut – und die wollten bestückt sein.

Ohnehin boomte der Kunstmarkt boomt, seit er sich in den 80er Jahren geöffnet und von einem elitären Insider-zirkel verabschie­det hat“, sagen Experten. Die Chancen auf Wertsteige­rungen waren und sind teilweise immer noch attraktiv.

Nach Zahlen der European Fine Art Foundation (Tefaf ) erreichte der globale Kunstmarkt im Jahr 2014 das Rekordvolu­men von rund 51 Mrd. €. Seither sind die Umsätze allerdings um 17 Prozent gesunken. Das schürte Verunsiche­rung in der Branche.

Für das laufende Jahr 2017 stehen die Zeichen bei den großen Häusern Christie‘s und Sotheby‘s schon wieder auf Wachstum. Im Mai versteiger­te Sotheby‘s in New York das Gemälde „Untitled“des New Yorker Künstlers Jean-michel Basquiat für rund 110 Mio. Dollar (99 Mio. €) – das war der bisherige Auktionsre­kord in diesem Jahr.

Sotheby‘ setzte im ersten Halbjahr 2017 rund 2,5 Mrd. Dollar (2,15 Mrd. €) um – ein Plus von 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum. „Ein klares Indiz, dass das Vertrauen in den Markt anhält und wächst“, sagt Europa-chef Philipp Herzog von Württember­g. „Wir erwarten also positiv gestimmt die zweite Hälfte des Jahres.“

Nicht messbar

Beim Konkurrent­en Christie‘s stiegen die Auktionsve­rkäufe in den ersten sechs Monaten sogar um 14 Prozent auf 2,8 Mrd. Dollar (2,4 Mrd. €).

Aber wie stark kann man Indizes und Marktberic­hten aus der Kunstwelt überhaupt trauen? Hans Neuendorf, Gründer des Internetdi­enstleiste­rs Artnet, der Auktionspr­eise weltweit veröffentl­icht und analysiert, lacht: „Den Kunstmarkt kann man nicht messen“, sagt der erfahrene Experte. „Ihn in ein Korsett pressen zu wollen, das normalen marktwirts­chaftliche­n Regeln folgt und empirisch nachweisba­r ist: Vergessen Sie‘s.“

Wenn man ehrlichere Antworten zur Lage der Branche bekommen will, muss man die deutschen Auktionshä­user fragen. „Es ist sicherlich richtig, dass es eine Konsolidie­rung gibt“, sagte Mar- kus Eisenbeis, Inhaber des Kölner Auktionsha­uses Van Ham. Viele Sammler wollten ihre Kunst jetzt nicht verkaufen. Der Kunstmarkt funktionie­re eben nicht wie ein Aktienmark­t, auf dem es immer genügend Angebot gibt. Derzeit fehlten Spitzenwer­ke. „Wenn die da gewesen wären, dann wären die auch gut verkauft worden.“

Eisenbeis rechnet nicht damit, dass die Preise „irre nach oben gehen“. Auch die Einliefere­r müssten bei ihren Preisvorst­ellungen „wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeho­lt werden“. Van Ham hielt sein Halbjahres­ergebnis mit rund 15 Mio. € ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres.

Weniger Angebot, aber leicht steigender Umsatz, heißt es bei Ketterer in München. Die Zahl der angebotene­n Objekte sank um 38 Prozent von 2265 auf gut 1400. Dennoch sei der Umsatz gegenüber dem Vorjahresz­eitraum von 21 auf 22 Mio. € leicht gestiegen, sagt Inhaber Robert Ketterer. „Wir akzeptiere­n nicht alles“, begründet er das gesunkene Ange- bot. Auch bei Ketterer beobachtet man überzogene Erwartunge­n der Einliefere­r, die unter dem Eindruck der Rekordjagd der vergangene­n Jahre stehen. „Wir sind nicht bereit, zu hohe Preisvorst­ellungen der Kunden zu akzeptiere­n“, sagt Ketterer. „Wir sind zu einem gesunden Realismus zurückgeko­mmen.“

Die Nachfrage der Sammler und Investoren sei nach wie vor hoch. Die deutschen Auktionshä­user profitiert­en von einem „extrem gesunden Mittelstan­d und wahrschein­lich der weltweit dichtesten Sammlersch­aft“.

Artnet-gründer Neuendorf meint, dass die Branche die Intranspar­enz des Markts durchaus wolle. „Es hat den Geruch von Abenteuer. Es ist risikobela­den. Es ist sehr elitär“, sagt er. „Mit anderen Worten, die Leute haben genau den Kunstmarkt, den sie mögen.“

 ??  ?? Gustav Klimts „Bauerngart­en“aus dem Jahr 1907 wurde bei Sotheby‘s in London im März für umgerechne­t 50,8 Mio. € versteiger­t. Spitzenwer­ke sind rar auf dem Markt. Foto: Getty Images for Sotheby‘s
Gustav Klimts „Bauerngart­en“aus dem Jahr 1907 wurde bei Sotheby‘s in London im März für umgerechne­t 50,8 Mio. € versteiger­t. Spitzenwer­ke sind rar auf dem Markt. Foto: Getty Images for Sotheby‘s

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