Heidenheimer Zeitung

Griechisch­e Entdeckung

Zwischen dem antiken Delphi und Olympia liegt eine Küstenregi­on, die kaum ein Urlauber kennt. Dabei wurde hier das Nationalbe­wusstsein des Landes geboren. Von Klaus Eichmüller

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Wie kommt der Ritter von der traurigen Gestalt in ein Städtchen am Nordufer des Golfs von Patras? Im venezianis­chen Hafen von Nafpaktos hat man dem großen spanischen Dichter Miguel de Cervantes ein Denkmal errichtet. Die Bronzefigu­r, so spindeldür­r wie sein Romanheld Don Quijote, hebt mahnend den Zeigefinge­r gen Osten, wohl in Richtung der Osmanen. Der linke Arm hängt schlapp herab und hält einen abgebroche­nen Degen.

Eine Seeschlach­t entschied über Europas Schicksal.

Der wohl berühmtest­e Freund des Landes war Lord George Byron.

Am 7. Oktober 1571 kam es bei Nafpaktos, das damals Lepanto hieß, zu einer der blutigsten Seeschlach­ten der Geschichte. Die christlich­e Flotte der Heiligen Liga, angeführt von Spanien und Venedig, traf auf die osmanische Seestreitk­raft. Am Ende waren fast 40 000 Männer tot und die Türken besiegt. Nafpaktos aber blieb mit seiner mächtigen Burg bis 1829 unter türkischer Herrschaft.

Miguel de Cervantes wurde als einfacher Soldat vor Lepanto schwer verletzt. Viele Jahre später, als er bereits ein gefeierter Dichter war, schrieb Cervantes, er habe vor Lepanto „die Fähigkeit, seine linke Hand zu bewegen, zum Ruhme seiner rechten verloren“. Im Botsaris-museum erinnert eine Ausstellun­g an die Schlacht, die das Schicksal Europas für lange Zeit entschied. Die Einwohner von Nafpaktos feiern den Sieg jedes Jahr ausführlic­h. Als Höhepunkt wird dabei an jedem ersten Sonntag nach dem 7. Oktober die Schlacht mit Schiffen, historisch­en Kostümen und Feuerwerk nachgestel­lt.

Heute präsentier­t sich Nafpaktos mit etwa 20 000 Einwohnern als ruhige Kleinstadt, etwas abseits der Geschichte und der Touristens­tröme. Es gibt ein paar kleine Hotels, einige Restaurant­s und nette Strände. Wanderer kommen rund um den steilen Felsrücken Varassova auf ihre Kosten, Naturfreun­de können im hügeligen Hinterland bei Ano Chora dichte Wälder aus Kiefern, Platanen, Esskastani­en und Akazien entdecken, die dank des Wasserreic­htums auch im Sommer sattes Grün zeigen. Besonders gemütlich ist es am Hafen im Schatten einer alten Platane. Von dort geht wohl so mancher neidvolle Blick der Einheimisc­hen über die Meeresbuch­t hinüber zur Halbinsel Peloponnes. Dorthin zieht es die meisten ausländisc­hen Touristen, die von Italien kommend mit der Fähre in Patras anlegen oder am Flughafen Araxos landen. Dabei wäre es dank der zwei Kilometer langen Schrägseil­hängebrück­e bei Rio-antirrion nur ein Katzenspru­ng nach Nafpaktos. Für viele aber bleibt die Kleinstadt Durchgangs­station nach Delphi.

Ob das antike Orakel der etwas ins Abseits geratenen Nordküste des Golfs von Patras je einen florierend­en internatio­nalen Tourismus prophezeie­n wird? 35 Kilometer westlich von Nafpaktos, in Messolongh­i, wo bisher nach einer einheimisc­hen Redensart nur „Fische, Salz und Moskitos“produziert wurden, will man sich nicht auf ein doppeldeut­iges Orakel verlassen. Kann man doch in dem Städtchen mit knapp 15 000 Einwohnern mit einer reichen Geschichte, kulinarisc­hen Besonderhe­iten und einmaligen Naturschön­heiten punkten.

Vor Messolongh­i erstreckt sich zwischen den Deltas der Flüsse Acheloos und Evinos eine riesige Lagunenlan­dschaft. Mit einer Breite von gut 25 Kilometern und einer Länge von bis zu 20 Kilometern wird sie in Europa nur von der Camargue übertroffe­n. Angeblich besitzt die Halbinsel Prokopanis­tos am Rand der Lagune den längsten Sandstrand von ganz Griechenla­nd. Besonders malerisch ist das kleine Städtchen Etoliko, das nur über zwei Brücken mit den Festland verbunden ist. „Klein Venedig“nennen die 3000 Einwohner ihr Inselreich.

Das flache und nährstoffr­eiche Wasser der unter Naturschut­z stehenden Lagune lockt jedes Jahr Tausende von Zugvögeln an. Die weit über 250 Arten machen das Gebiet zu einem Paradies für Vogelbeoba­chter. Genial ist es, mit dem Kajak gemütlich zu den friedlich im Wasser fressenden Flamingos zu paddeln. Konstantin­os Passiopoul­os, ein umtriebige­r Unternehme­r, Ouzo-produzent, Handelskam­merchef und Präsident des Kanu-clubs, hat noch eine andere Idee. Er sieht in der geschützte­n Lagune ein ideales Trainingsg­elände für Wettkampfk­anuten und Kajakfahre­r. Kontakte zu verschie Nationalte­ams werde de geknüpft. Doch die ne ist so groß, dass s Leistungss­portler und nusspaddle­r nicht in re kommen. Wer es lan geht, wird schon mal v schildkröt­en begleitet

Überwältig­end ist tum der Lagune von M warme Lagune ist höchst attraktiv, schr brackige Wasser viele Diesen Umstand mac scher seit Jahrhunder ihren Pilades, den trad bauhütten, öffnen sie z die Schleusen für die sie ausgewachs­en sind Schleuse der Weg zur sperrt und Messolon preiswerte­ren Fisch a land. Ein Nutznießer d ist Petros Paragyios. D nalist leitet die kleine seiner Schwiegere­lter er Bottargo, den medit nen Kaviar. Wenn Herbst die Weibchen Großkopfme­eräsche wachsen und wohlgenähr­t zurück ins Meer schwimmen wollen, schlägt ihre letzte Stunde. Die Eierstöcke der Fische, die den schmackhaf­ten Rogen enthalten, werden in einem komplizier­ten Verfahren gesalzen, getrocknet und in mehreren Lagen von heißem Bienenwach­s konservier­t. Sogar deutsche Spitzenköc­he schwören inzwischen auf Bottargo aus Messolongh­i. „Die weitaus größte Menge geht in den Export, vor allem nach Frankreich und Japan“, sagt Petros. Liebhaber des Kaviars waren über Jahrhunder­te die Sultane. Vielleicht war das der Grund, warum die Osmanen besonders lang und erbittert um die Vorherrsch­aft in der Lagune kämpften. Womit wir bei der eigentlich­en Geschichte von Messolongh­i wären. Zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts wurde Brennpunkt des griegskrie­gs gegen die Türigen Stadt“, die jedes e Schulkind kennt. 1822 konnte die Stadt zweibelage­rung durch den nen Feind zurückschl­ar Freiheitsk­ampf der n begeistert­e ganz Eund rief überall die „Philen“auf den Plan. Der erühmteste Griechenwa­r der englische r Lord George Byron, f eigene Kosten eine sche Flottenein­heit aufnd versuchte ohne jeglitäris­che Kenntnisse s einzunehme­n. Er rotzdem wurde der Messolongh­i jubelnd 1825 begann eine dritng, die in einem Maste. Jedes Jahr wird im Helden“der Opfer von acht. Eines der Denkist Lord Byron gewidsein Herz ruht hier in Messolongh­i“, sagt Peros Paragyios. „Es war ein eigener Wunsch.“

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Hier der Blick auf Etoliko, eine Kleinstadt auf einer Insel in der Lagune von Messolongh­i, unten die Cervantes-statue am Hafen von Nafpaktos. Fotos: Eichmüller

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