Gut aufgehoben bei Merkel
Schon seit langem erfreut sich die deutsche Bundeskanzlerin links des Rheins einer Beliebtheit, von der französische Spitzenpolitiker nur träumen können. Rund 72 Prozent der Franzosen hätten eine gute oder gar eine sehr gute Meinung von Angela Merkel, ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Ifop Ende 2014. Unwahrscheinlich, dass sich daran seither viel geändert hat. Für unsere Nachbarn ist Merkel im Laufe ihrer langen Kanzlerschaft zu einem Aushängeschild Deutschlands geworden.
Gerade weil es in ihrem eigenen Land alles andere als rund läuft, blicken die Franzosen mit unverhohlener Bewunderung auf die Christdemokratin, die ihrer Ansicht nach Deutschland und Europa so souverän durch die Krisen der letzten Jahre steuerte. Schon richtig, Kritik an der von ihr verantworteten Spar- und Flüchtlingspolitik gibt es reichlich. Doch unter dem Strich überwiegt bei weitem, was die Bundeskanzlerin für sehr viele Franzosen verkörpert: Pragmatismus, Verlässlichkeit und Stabilität.
Gründe genug dafür, dass man sich in Frankreich nicht mit dem Gedanken herumschlagen mag, in Berlin könnte nach dem 24. September jemand anderes das Sagen haben. Und man tut es auch nicht. Auch Präsident Emmanuel Macron scheint sich bereits auf eine weitere Zusammenarbeit mit Merkel eingestellt zu haben. Auf dem Papier ließen sich Macrons europapolitische Ziele – mehr Solidarität mit schwächeren Eu-ländern, größere Investitionen sowie eine über ein eigenes Budget verfügende Wirtschaftsregierung für die Eurozone – wohl eher mit einem diesen Plänen aufgeschlossener gegenüberstehenden Kanzler Schulz verwirklichen. Doch Macron will glauben, dass er am Ende mit Merkels Unterstützung rechnen kann. Peter Heusch