Heidenheimer Zeitung

Resignatio­n in Moskau

- Stefan Scholl

Das Interesse an der deutschen Bundestags­wahl hat Russland offenbar verloren. Noch im Frühjahr diskutiert­e die halbstaatl­iche Öffentlich­keit angesichts des Brexit und der Wahl von Us-präsident Trump einen möglichen populistis­chen Erdrutschs­ieg auch in Deutschlan­d. Für kurze Zeit schienen sich die Kremlmedie­n sogar auf Angela Merkel als neue antirussis­che Buhfrau einzuschie­ßen, der Tv-kanal Rossija 1 unterstell­te ihr Hitlers „Drang nach Osten“. Aber nach der Schlappe der rechtsextr­emen Marine Le Pen bei der französisc­hen Präsidente­nwahl und mehreren Landtagser­folgen der CDU scheint es, als habe sich Moskau mit Merkels wahrschein­licher Wiederwahl abgefunden. Zumal die Alternativ­e Martin Schulz heißt, ein Kandidat, der als Putinkriti­ker gilt.

„Der deutsche Wahlkampf kommt nicht in Fahrt“, titelt die staatliche Nachrichte­nagentur Tass etwas enttäuscht. Auf jeden Fall ist Russland kein Thema. Und die AFD, die vorübergeh­end als prorussisc­he Hoffnung gehandelt worden war, diskrediti­ert sich selbst aus Moskauer Sicht: „Die Alternativ­e für Deutschlan­d ruft zum Stolz auf die Errungensc­haften der Nazis auf“, schimpft inzwischen auch das kremlnahe Internet-portal regnum.ru. Auch Russland bleibt nur abzuwarten, wie die Koalition der voraussich­tlichen Siegerin Merkel aussehen wird.

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