„Wir berauschen uns nicht“
CDU Thomas Strobl kann sich auch im Bund eine Koalition mit den Grünen vorstellen. In der Flüchtlingspolitik fordert er einen harten Kurs. Von U. Becker und A. Habermehl
Die Leistungen für Asylbewerber in Deutschland wirken nach Ansicht von Thomas Strobl wie ein Sog auf Migranten. Deshalb plädiert der baden-württembergische Innenminister und Cdu-bundesvize für eine Absenkung. Die Leistungen sollten innerhalb der EU „harmonisiert“werden, findet Strobl. Herr Strobl, noch eine Woche bis zur Bundestagswahl. Wie läuft aus Ihrer Sicht der Wahlkampf? Thomas Strobl: Sehr gut, ich erlebe viel Zustimmung zur CDU und zu Angela Merkel – die diese Woche, am Freitag, noch nach Ulm kommen wird. Klar ist aber, wir berauschen uns jetzt nicht an Umfragen, sondern kämpfen noch die ganze Woche um jede Stimme. Beim Landesparteitag vorige Woche in Reutlingen wurden Gräben innerhalb der Südwest-cdu sichtbar. Sie selbst bekamen bei der Wahl zum Landesvorsitzenden deutlich weniger Stimmen als 2015. War das ein Rückschlag? Es gibt keine Gräben und wir lassen uns auch nicht auseinanderdividieren. Die CDU Baden-württemberg ist voll da: Die Partei, die Landtagsfraktion und die Regierungsmitglieder leisten exzellente Arbeit. Das anerkennen die Bürgerinnen und Bürger. Darüber sollen und dürfen wir sprechen – nur darauf kommt es letztlich an. Laut Umfragen könnte die AFD drittstärkste Kraft im Bundestag werden. War die Strategie der Union, im Wahlkampf auf eine harte Linie in der Asylpolitik zu setzen, richtig? Die Migrationspolitik ist jedenfalls ein Thema, das die Menschen umtreibt. Entscheidend ist, dass wir Wort gehalten haben: Die Zuzugszahlen sind deutlich zurückgegangen. Wir müssen alles tun, dass das so bleibt. Thomas de Maizière hat gefordert, Leistungen für Asylbewerber zu kürzen. Ist das kein harter Vorschlag? Es ist ein richtiger Vorschlag, den ich übrigens schon vor mehr als einem Jahr gemacht habe. Ich bin überzeugt, dass wir das Asylverfahrensrecht in der EU harmonisieren müssen. Zudem müssen wir, entlang der Kaufkraft, zu vergleichbaren Leistungen kommen. Man kann doch gar nicht bestreiten, dass das hohe Leistungsniveau in Deutschland eine Sogwirkung hat. Die Herausforderungen der Migration sind keine nationalen Herausforderungen, sondern europäische. Deshalb muss man sie auch europäisch angehen. Laut Bundesverfassungsgericht gibt es ein Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, das für Deutsche wie Ausländer gilt. Müsste man dann nicht auch Hartz-4empfängern die Bezüge kürzen? Nein. Die verfassungsrechtliche Lage ist zwar tatsächlich nicht ganz einfach, aber das Gericht hat dem Gesetzgeber durchaus Spielräume gegeben. Wir sind nicht verpflichtet, Ungleiches gleich zu behandeln. Ich sehe durchaus, dass der verfassungsrechtliche Rahmen uns weitere Spielräume für eine europäische Lösung gibt. Wie könnte die aussehen? Es wird nicht in der ganzen EU die deutschen Sozialleistungen geben können. Also muss es bei uns eine Absenkung des Niveaus geben. Ich bin dafür, dass es weniger Geldleistungen gibt, aber es geht auch um die medizinische Versorgung und anderes mehr. Europa kann sich doch nicht einmal auf die Verteilung der Flüchtlinge einigen. Warum glauben Sie, dass es bei diesem Thema gelingt? In Europa nehmen die Prozesse Zeit in Anspruch. Ich bleibe aber zuversichtlich, dass wir zu einer stärkeren Harmonisierung kommen. Zur Verteilung der Flücht- linge hat der Europäische Gerichtshof vor einigen Tagen eine klare Aussage getroffen. Die Rechtslage ist nun für alle Eu-mitglieder klar und verbindlich. Ungarn hat schon angekündigt, dieses Urteil nicht umzusetzen. Recht ist Recht. Sollte es so kommen, müssen wir uns ernsthaft unterhalten. Sollte es dauerhaft haken, funktionieren nach meiner Lebenserfahrung gewisse Steuerungsmittel ganz gut, etwa finanzielle Zuweisungen. Ich bin aber optimistisch, dass das gar nicht nötig sein wird. Zurück zum Bundestag: Sie gelten als Mitkonstrukteur einer von vielen nicht für möglich gehaltenen grün-schwarzen Koalition auf Landesebene. Könnten Sie diese Expertise möglicherweise nach der Wahl auch in Berliner Koalitionsverhandlungen einbringen? Wir haben die Koalition mit den Grünen im Land nicht für Berlin gemacht, sondern aus Verantwortung für Baden-württemberg. Wenn man aber nach der Wahl nach Stuttgart schaut, oder auch nach Wiesbaden, und dann sagt, das funktioniert ja ganz gut mit den Schwarzen und den Grünen – dann hätte ich freilich nichts dagegen. Und würden auch ihr Fachwissen über die Grünen in die Verhandlungen einbringen? Wenn ich gefragt werde, mache ich das, ja. Und ich würde dort dann auch die Interessen Baden-württembergs einbringen. Das wäre gut für unser Land.