Malu Dreyer: In die Tonne mit den Prognosen
Wahlkampf Mit der Ministerpräsidentin kam auch eine Symbolfigur zur SPD. Sie hat 2016 in Rheinland-pfalz kurz vor Schluss den Wahlkampf gedreht. Von Günter Trittner
Selbst für die große Politik reichen heute zumeist kleine Räume. Bei Malu Dreyer wurde es gestern Vormittag aber beinahe schon platznotnaheng im Kleinen Saal des Heidenheimer Konzerthauses. Dabei schaffte es die Spd-ministerpräsidentin aus Rheinland-pfalz im Nu, die dicht an dicht sitzenden Genossen aus dem Stimmen-tief zumindest in ein Stimmungshoch zu bringen.
Unterstützung für Breymaier
Eine Woche vor der Bundestagswahl war mit Dreyer auch eine Symbolgestalt gekommen, um die Spd-spitzenkandidatin und Landesvorsitzende Leni Breymaier zu unterstützen. Binnen der letzten zehn Tage war es Dreyer im Mai 2016 geglückt, die Landtagswahl im Nachbarland noch zu ihren Gunsten zu entscheiden. Die Umfragen waren bis dahin zugunsten von Julia Klöckner von der CDU gegangen. „Hätte ich auf die Prognosen geachtet, hätte ich gar nicht antreten müssen“, so Dreyer. Also: ab in die Tonne.
Um Prognosen war es in diesen 90 Minuten denn auch nicht mehr gegangen, dafür umso mehr um die „guten Gründe“, SPD zu wählen. Und da hatte Dreyer all denen, welche die großen Volksparteien für ein und dasselbe halten, doch eine ganze Reihe zu bieten. Dies verbunden mit dem Anspruch, dass die SPD nach der Bundestagswahl nicht mehr der Juniorpartner einer Koalition sein wolle. „Denn wir wollen was bewegen.“
Etwa in der Bildungspolitik: eine „Herzenssache“der SPD. Dreyer propagiert und macht es in ihrem Land vor: die völlige Gebührenfreiheit von der Kita bis zum Studium oder dem Meisterkurs. Und: Was das Recht bisher verhindert, auch der Bund soll Bildung fördern dürfen.
In der Rentenpolitik hat laut Dreyer die CDU den Kurs auf ein Rentenniveau von 43 Prozent gesteckt. Die SPD will auf 48 Prozent erhöhen. „Mit der CDU gibt es keine gerechte Rente“, so Dreyer, dafür gehe man mit ihr sehenden Auges in eine Altersarmut. „Das hat nichts mit einem Respekt für eine Lebensleistung zu tun.“
Für Dreyer darf es keine befristeten Arbeitsverhältnisse mehr geben, wenn keine sachlichen Gründe vorliegen. Viele junge Menschen seien betroffen, würden mit infamen Begründungen von einer unbefristeten Anstellung ausgeschlossen.
Die Frauen möchte die SPD aus ihrer Teilzeitfalle holen. „Es muss einen Rechtsanspruch für eine Rückkehr in Vollzeit geben“, sagt Dreyer und weiß auch, wer diesen bisher verhindert hat. „Die CDU“.
Andreas Antoniuk und seine Sängerin Ricarda hatten vorab im Kleinen Saal noch Woody Guthries „This land is made for you and me“angestimmt. Bei allem Befürworten von Pluralität: Als Demokraten ziehen die Genossen eine Grenze da, wo gegen Demokratie gehetzt wird. „Es ist erschreckend“, so Dreyer, „wie viele Menschen inzwischen Populisten nachlaufen.“Aber es sei auch die Pflicht der Demokraten, diese Menschen zu hören und sie zu überzeugen. „Die AFD will nichts Gutes für Deutschland.“
Gut für Deutschland wäre aus Sicht von Leni Breymaier dagegen eine Quote für den Sozialen Wohnungsbau. Bei größeren Vorhaben müsste ein bestimmter Anteil der Wohnungen für Mieter mit weniger Einkommen reserviert sein. Die Null-zins-politik führe mit dazu, dass aus Wohnungen Spekulationsobjekte würden. „Da muss der Staat eingreifen“, so Breymaier, die als Spd-direktkandidatin des Wahlkreises Aalen-heidenheim zum Abschluss mit ans Rednerpult gekommen war.
Breymeier erläuterte hier auch, warum sie für eine Bürgerversicherung ist, warum mehr Frauen in Gremien sein sollten, warum die Autoindustrie vor den Kadi sollte, aber nicht des Teufels sei und warum sie wie Malu Dreyer schlecht findet, wenn nach Cdu-plänen jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro mehr in den Verteidigungshaushalt eingestellt werden sollen. „Als SPD werden wir uns nicht an einer Aufrüstungsspirale beteiligen. Wir sind eine Friedenspartei.“
Warum die SPD schwächelt
Auf eine Frage konnte Breymaier Malu Dreyer aber keine Antwort geben. Warum sich die SPD gerade in Baden-württemberg so schwer tut. „Wenn ich es wüsste, ich tät’ es sofort ändern.“Ansonsten gilt für sie: „Ich bin total glücklich, dass ich hier kandidieren darf.“