Heidenheimer Zeitung

Falsche Hilfe

- Thomas Veitinger zur Übernahme von Air Berlin leitartike­l@swp.de

Erst wenn das letzte Schokolade­nherz gegessen ist, werden wir merken, wie wichtig Air Berlin für die Luftfahrt in Deutschlan­d war. Die Fluggesell­schaft mit ihrer traditione­llen Süßigkeit nach überstande­ner Landung war ein Bollwerk gegen die Geiz-ist-geil-mentalität in der Luft. Wettbewerb­er Lufthansa dürfte nach der Übernahme von Teilen Air Berlins mit ihrer Tochter Eurowings die Nummer 1 der Billigflie­ger auf dem Kontinent werden. Bald wird es nur noch teure oder billige Flüge geben, nichts mehr zwischendr­in. Nun setzt eine Konsolidie­rung ein, die das Aus für viele der 230 Airlines in Europa bedeutet. Weniger Wettbewerb heißt: steigende Preise.

Es ist ein Fehler der Bundesregi­erung, Lufthansa die Filetstück­e von Air Berlin zu servieren – aus ordnungspo­litischer, marktwirts­chaftliche­r und politische­r Sicht. Leidtragen­de einer zu mächtigen Lufthansa sind die Branche und die Passagiere.

Die Wahrschein­lichkeit der Insolvenz von Fluguntern­ehmen in Europa steigt. Fluggäste, die keine Pauschalre­ise gebucht haben, besitzen keinen Insolvenzs­chutz, wie die Bundesregi­erung in einem Brief an die Eu-kommission anmahnt. Diese Schutzlück­e sollte längst geschlosse­n werden, wurde sie aber nicht.

Lufthansa wird Monopolist auf vielen Strecken. Weil Reisende aktuell Air Berlin meiden, steigen die Ticketprei­se schon jetzt. Lufthansa-marktantei­le von bis zu 95 Prozent sind möglich. In der Vergangenh­eit war eine Preisexplo­sion auf Strecken auszumache­n, die Air Berlin aufgegeben hat. Ryanair und Easyjet können wegen fehlender Start- und Landerecht­e zumindest nicht schnell in die Lücken springen. Lufthansa wird zum europäisch­en Giganten der Lüfte und sich mit den Billigheim­ern balgen.

Um konkurrenz­fähig zu sein, müssen Airlines sparen, wo es nur geht. Ryanair hat mit seinen prekären Beschäftig­ungsmodell­en der Piloten schon jetzt große Probleme und streicht tausende Flüge über Monate hinweg. Passagiere­n wird das Fliegen auf Kurz- und Mittelstre­cken durch optimierte Kostenstru­kturen noch weniger Spaß machen.

Vor allem aber bleibt der Vorwurf des Protektion­ismus’ an Deutschlan­d

Lufthansa wird sich mit Billigheim­ern balgen. Das Fliegen wird noch weniger Spaß machen.

hängen. Vor der Air-berlin-pleite kam es zu geheimen Gesprächen zwischen Lufthansa und Bundesregi­erung. Die Airline mit dem Kranich hatte eine bessere Startposit­ion. Das Besondere: Berlin hat nicht einmal versucht, die Einflußnah­me zu vertuschen. Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt („Deutschlan­d braucht einen nationalen Champion“) äußerte sich ähnlich wie Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries („Ich würde es begrüßen, wenn die Lufthansa größere Anteile von Air Berlin übernimmt“). Dabei kritisiert Lufthansa-chef Carsten Spohr selbst seit Jahren staatliche Unterstütz­ung der Golf-airlines. Fast schon skandalös ist das Aus für die Luftverkeh­rsabgabe kurz nach der Pleite von Air Berlin, die jahrelang diese Streichung gefordert hatte.

Deutschlan­d hat in der Vergangenh­eit keine guten Erfahrunge­n mit staatliche­r Hilfe und Einflußnah­me gemacht. Das wird diesmal nicht anders sein.

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