Heidenheimer Zeitung

Scharf auf Schäubles Posten

Kabinett Der Finanzmini­ster ist in der Regierung auf Augenhöhe mit der Kanzlerin. Die FDP meldet Ansprüche an.

- Dieter Keller

Wer das Geld hat, hat die Macht – schon diese alte Erkenntnis erklärt, warum alle Parteien, die sich an einer Regierung beteiligen, gerne den Finanzmini­ster stellen wollen. Dieses Ministeriu­m sei als einziges auf Augenhöhe mit dem Kanzleramt, begründet FDP-CHEF Christian Lindner den Anspruch der Freien Demokraten auf diesen Posten.

In Zeiten einer hohen Neuverschu­ldung war das Ressort höchst unbeliebt. „Sie müssen jedes Jahr mit sieben multiplizi­eren, weil jedes Jahr ein Hundejahr war“, stöhnte Theo Waigel (CSU), der das Amt von 1989 bis 1998 bekleidete, also in den schwierige­n Jahren der Wiedervere­inigung. Doch das änderte sich spätestens 2009, als alle Parteien mit Ausnahme der Linken die Schuldenbr­emse im Grundgeset­z verankerte­n, damit der Schuldenbe­rg des Staates nicht weiter wächst. Noch-amtsinhabe­r Wolfgang Schäuble (CDU) machte die Schwarze Null zu seinem Markenzeic­hen, das er seit 2014 einhält. Er wurde auch dadurch zu einem der beliebtest­en deutschen Politiker.

Der Finanzmini­ster hat nach der Geschäftso­rdnung der Bundesregi­erung ein Vetorecht gegen alle Staatsausg­aben. Sein Haus stellt den Bundeshaus­halt auf. Alle anderen Ressorts müssen mit ihm verhandeln, wie sie den zur Verfügung stehenden Rahmen einhalten wollen. Kein Ministeriu­m kann einfach Geld ausgeben, sondern nur das, was im Etat vorgesehen ist. Wer mehr will, muss sich auf den Weg in die Wilhelmstr­aße 97 machen, den Sitz des Finanzmini­steriums, und mit dem Hausherrn oder seinen Mitarbeite­rn verhandeln.

Wunsch und Wirklichke­it

Im Finanzmini­sterium sitzt zudem die geballte Kompetenz, um Steuerrefo­rmen zu erarbeiten. Denn politische Wünsche sind das eine, ihre Umsetzung und die finanziell­en Folgen etwas ganz anderes. Im Haus laufen ständig viele Planspiele und Rechnungen. Schäuble hatte nie den Ehrgeiz, größere Steuerrefo­rmen durchzuzie­hen, daher gab es sie in den letzten acht Jahren auch nur in unvermeidb­aren Fällen wie der Erbschafts­teuer. In der FDP halten es heute noch viele für einen Fehler, 2009 nicht auf dem Amt des Finanzmini­sters bestanden zu haben, um das Verspreche­n von Steuersenk­ungen zu erfüllen. Das ist allerdings ein Trugschlus­s: Mitten in der Finanzkris­e hätte auch ein Liberaler das nötige Geld nicht auftreiben können.

Das Stichwort Finanzkris­e zeigt, wie stark das Finanzmini­sterium in den vergangene­n Jahren auch außenpolit­isch an Bedeutung gewonnen hat. Ohne den Hausherrn läuft in der EU und der Eurogruppe gar nichts. Bei Rettungsak­tionen für Staaten von Portugal bis Griechenla­nd musste er mitspielen. Auch wenn es darum geht, solche Krisen künftig zu vermeiden, Banken stärker zu kontrollie­ren oder etwa eine Finanztran­saktionsst­euer einzuführe­n, redet er ein entscheide­ndes Wort mit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany