Schön und gefährlich
Auf jeden Aufschwung folgt auch wieder ein Abschwung – diese goldene Regel der Wirtschaftsforscher scheint derzeit außer Kraft gesetzt zu sein. Die deutsche Wirtschaft wächst bereits im fünften Jahr in Folge, und es ist kein Ende absehbar. Alle Risiken, die immer wieder aufgeführt wurden, haben sich nicht bestätigt: Us-präsident Donald Trump ist nur ein Maulheld, der kaum etwas durchsetzen kann. Mit dem Brexit dauert es noch, und auch im Inland läuft die Konjunktur prächtig. Wie schön für alle.
Für die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen ist das gefährlich: Die potenziellen Partner können leicht verführt sein, Lieblingsprojekten nachzujagen. Es ist ja jede Menge Geld da für zusätzliche Investitionen, soziale Wohltaten und Steuersenkungen. Doch die Wirtschaftsforschungsinstitute erinnerten bei der Vorlage ihres Herbstgutachtens zu recht an eine alte Erfahrung: Die gravierenden Fehler werden dann gemacht, wenn es uns wirtschaftlich gut geht. In schlechteren Zeiten sind sie nur mühsam wieder zu korrigieren. Das zeigte sich in der letzten Legislaturperiode, als gleich zu Beginn Mütterrente und Rente mit 63 beschlossen wurden, und das zu Lasten der Beitragszahler. Das dürfte sich im nächsten Jahrzehnt rächen, wenn die demografische Entwicklung sowieso schon deutlich negative Auswirkungen haben wird.
Das sollten sich die Politiker zu Herzen nehmen, auch wenn es auf den ersten Blick viel schöner ist, aus dem Vollen zu schöpfen. Es gibt Verteilungsspielraum. Aber den gilt es, klug zu nutzen. Nicht für zusätzliche Konsumausgaben, sondern für Zukunftsprojekte wie Bildung und Glasfaserverkabelung sowie eine gezielte Entlastung der Bürger.