Heidenheimer Zeitung

„Das System der EU wankt“

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Die Abstimmung in Katalonien hat für Europa spürbare Konsequenz­en, meint Politikwis­senschaftl­erin Sabine Riedel. Frau Riedel, mit was rechnen Sie in Katalonien? Sabine Riedel:

Madrid wird versuchen, die Abstimmung zu verhindern. Das wird die Regionalve­rwaltung nicht hinnehmen. Eine gewaltsame Zuspitzung ist denkbar. Auch wenn das Referendum nicht stattfinde­n kann, wird die Regionalre­gierung Tage später die Unabhängig­keit erklären. Das hat sie angekündig­t und darauf muss man sich einstellen.

Gefährden Unabhängig­keitsbeweg­ungen die EU?

Ja. Erklärt eine Region ihre Unabhängig­keit, tritt sie nach den Verträgen auch aus der EU aus. Folgen mehrere Regionen dem Beispiel, gerät das innere System der EU ins Wanken. Werden aus Regionen kleine Staaten, verändert das die gesamte Struktur der Union. Der frühere katalanisc­he Ministerpr­äsident Artur Mas irrt, wenn er glaubt, die EU wäre mit 50 bis 70 staatliche­n Einheiten noch handlungsf­ähig.

Nimmt die EU eine Erosion hin?

Viele Eu-staaten werden skeptisch sein, weil sie Angst haben vor eigenen Unabhängig­keitsbeweg­ungen. Zu diesen gehört Deutschlan­d, wo die Bayernpart­ei Abspaltung­sbestrebun­gen formuliert. Aber auch in Italien, Griechenla­nd, der Slowakei oder in Rumänien gibt es separatist­ische Parteien. Zudem könnte Spanien nach dem Sonntag auf eine Notlage zusteuern. Denn Katalonien wird nach der Unabhängig­keitserklä­rung keine Steuern mehr an die Zentrale zahlen. Damit könnte ganz Spanien in eine finanzpoli­tische Krise geraten. Das muss die EU beunruhige­n.

Warum?

Mit der Unabhängig­keit fällt Katalonien aus der Eurozone und dem Zentralban­kensystem der EU. Damit erhält die Region kein Geld mehr von der Europäisch­en Zentralban­k. Die Konten werden eingefrore­n. Die Katalanen müssten sich dann bei privaten Geldgebern verschulde­n. Das wäre eine gefährlich­e Entwicklun­g, die Schuldensp­irale würde angeheizt werden. Mit unmittelba­ren Folgen für den Euro – und den europäisch­en Steuerzahl­er. Wir alle sind mit der Katalonien­krise enger verbunden, als wir es auf den ersten Blick meinen.

Und die politische­n Folgen?

Die EU wird einen gewaltigen Imageschad­en davon tragen. Die Regionalre­gierung legt es darauf an, Bilder zu produziere­n, die Spanien als autoritäre­s Land darstellen. Man will sich als Opfer inszeniere­n. Elisabeth Zoll

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Sabine Riedel von der Stiftung Wissenscha­ft und Politik. Foto: Privat

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