Zähneknirschender Respekt für Merkels Sieg
Diplomatie Donald Trump und Wladimir Putin müssen sich auf eine weitere Amtszeit mit der Bundeskanzlerin einstellen. Von Peter De Thier und Stefan Scholl
Aus der Sicht von US-PRÄsident Donald Trump ist das entscheidende Ergebnis der Bundestagswahl nicht etwa, dass Angela Merkel eine vierte Amtszeit absolvieren wird. Trump sieht vielmehr in dem Erfolg der AFD eine Bestätigung der eigenen Politik und eine Absage an Merkels Flüchtlingspolitik, die er während des eigenen Wahlkampfs gnadenlos unter Beschuss genommen hatte.
Ganz gleich, wie die künftige Regierungskoalition aussieht, deutet jedenfalls alles darauf hin, dass die Streitpunkte zwischen Washington und Berlin dieselben bleiben werden. Obwohl der Präsident angedeutet hat, dass er eventuell bereit sein könnte, den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen zu überdenken, sollte dies keine falschen Hoffnungen wecken. Zündstoff bergen auch die neuen Sanktionen gegen Russland, die im August vom Kongress verabschiedet und von Trump zähneknirschend unterschrieben wurden. Sie könnten theoretisch auch deutsche Unternehmen treffen, die geschäftliche Interessen in Russland haben, vor allem im Energiesektor.
Alexei Puschkow Russischer Senator
Ein Dauerbrenner wird während der kommenden Jahre ferner der Us-druck auf Deutschland und andere europäischen Länder sein, ihre Rüstungsbudgets aufzustocken. Ein Stein des Anstoßes wird auch der deutsche Handelsüberschuss bleiben.
Besonders heikel wird angesichts des verbalen Schlagabtauschs zwischen Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un die Debatte um nukleare Abrüstung bleiben, wobei Trump eindeutig auf Modernisierung des Us-arsenals setzt. Zudem könnte auch der Iran noch zu einem großen Problem zwischen Washington und Berlin werden, wenn Trump etwa weiter das Nuklearabkommen in Frage stellt und mit Aufkündigung droht.
Russlands Präsident Wladimir Putin gratulierte Angela Merkel am Tag zwei nach der Wahl per Telefon. Dabei habe man die Bereitschaft bestätigt, die sachliche, für beide Seite vorteilhafte, Zusammenarbeit fortzusetzen, meldete der Kreml.
Trotz des Erfolgs der in Moskau als „prorussisch“bezeichneten AFD und trotz der Verluste für die gern geschmähte Kanzlerin, kommt keine rechte Schadenfreude auf. Zwar freuen sich Verbalfalken wie der Senator Alexei Puschkow, das von Merkel errichtete Gebäude sei ins Schwanken geraten. „Noch vier Jahre solche Politik – und Deutschland kriegt seinen Trump.“
Der demokratische Oppositionspolitiker Wladimir Ryschkow sagte, das Cdu-ergebnis sei angesichts der Flüchtlingkrise von 2015 noch immer ein Erfolg: „Jede andere Regierung wäre darunter zusammengebrochen.“Tatsächlich prophezeiten Russlands Meinungsmacher Deutschland jahrelang Chaos und Bürgerkrieg, feierten Putin als populärsten Politiker auch in Deutschland, selbst die liberale Nowaja Gaseta hatte Merkel bereits verabschiedet. Gemessen an den russischen Erwartungen ist das deutsche Ergebnis ernüchternd.
„In der politischen Öffentlichkeit herrscht die Meinung vor, dieses Wahlergebnis werde zwischen Deutschland und Russland nichts ändern“, sagt der Politologe Alexei Muchin. Aus Moskauer Sicht heißt das vor allem, dass mit Merkel auch die Sanktionen gegen Russland bleiben.
Jetzt diskutieren auch Moskauer Medien, wie machbar oder wie unmöglich die Jamaika-koalition aus CDU/CSU, FDP und den Grünen ist. Und zumindest ein Teil der Medien hat bemerkt, dass mit der AFD niemand koalieren will. Außerdem hat die Euphorie gegenüber den prorussischen Populisten etwas nachgelassen, nachdem sich der Wahlsieger Donald Trump im Nachgang als eher böse Überraschung für Moskau entpuppte. „Merkel hängt uns (und nicht nur uns) zum Hals heraus“, klagt die Zeitung Moskowski Komsomolez. Aber es sei nun einmal Diplomatie, sich mit denen zu verständigen, die einem nicht gefallen.
Noch vier Jahre solche Politik – und Deutschland kriegt seinen Trump.