Heidenheimer Zeitung

Nach nur einem Jahr hat Carlo Ancelotti ausgespiel­t

FC Bayern Die Bosse des Rekordmeis­ters greifen nach der schweren Pleite in Paris durch und entlassen den Trainer, der mitunter konzeptlos wirkte. Von Raimund Hinko

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Nüchtern klang es am Ende, geschäftsm­äßig, staubtrock­en. So ist es nun mal im profession­ellen Fußball. Egal auf welcher Seite man stehen mag.

Als Karl-heinz Rummenigge nach dem 0:3 in Paris bei seiner Bankettred­e sagte: „Es muss Konsequenz­en in Klartextfo­rm geben“, war Insidern sofort klar, wohin die Reise geht. Auf der Tribüne des Prinzenpar­k-stadions hatte sich der Vorstandsv­orsitzende des FC Bayern mit Präsident Uli Hoeneßbere­itsverstän­digt, dass es nicht mehr anders gehe, als sich von Trainer Carlo Ancelotti zu trennen.

Am Tag danach ging alles rasend schnell. Kaum in München gelandet, fuhr Rummenigge mit Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic zur Säbener Straße. Nach kurzer Unterredun­g informiert­en sie Ancelotti, dass die Zusammenar­beit beendet sei. Noch ehe es Rummenigge offiziell bestätigte­n konnte, preschte der Trainer über seinen Haussender„sky Italia vor, gab bekannt: „Ich bin nicht mehr Trainer von Bayern München.“

Um 15.45 Uhr folgte schließlic­h Rummenigge­s offizielle Erklärung: „Die Leistungen unserer Mannschaft seit Saisonbegi­nn entsprache­n nicht den Erwartunge­n, die wir an sie stellen. Das Spiel in Paris hat deutlich gezeigt, dass wir Konsequenz­en ziehen mussten. Das haben Hasan Salihamidz­ic und ich Carlo heute in einem offenen und seriösen Gespräch erklärt und ihm unsere Entscheidu­ng mitgeteilt.“

Und weiter: „Ich bedaure die Entwicklun­g, die sie genommen hat. Carlo ist mein Freund und wird es bleiben, aber wir mussten hier eine profession­elle Entscheidu­ng im Sinne des FC Bayern treffen.“

Nur selten trennten sich die Bayern von einem Trainer mitten in der Saison, noch nie nach sechs Bundesliga- und zwei Champions-league-spieltagen. Vorzeitig gehen mussten zuletzt allein Louis van Gaal im April 2011 und Jürgen Klinsmann im April 2009, als diesaison jeweils kurz vor dem Ende stand. Ancelottis Entlassung ist so gesehen ein neuer, traurigerr­ekord. Er spricht nicht für ein souveränes Vorgehen beim FC Bayern der Neuzeit.

Mit Ancelotti wurde auch sein Sohn Davide,der Co-trainer, freigestel­lt, sowie die italienisc­hen Fitnesstra­iner Giovanni und Francesco Mauri, Ernährungs­berater Mino Fulco, Ancelottis Schwie- gersohn. Ein bisschen vielder Familie, hatten Kritiker schon längerbemä­ngelt. Der Franzose Willy Sagnol darf dagegen bleiben. Der frühere Rechtsvert­eidiger, der als Aufpasser geholt wurde, hatte sich zuletzt mit Ancelotti angefreund­et. Am Sonntag beim Gastspiel in Berlin hat er als Übergangst­rainer das Sagen.

Tja, wenn die Bayern nach Frankreich reisen. Rummenigge ging zwar nicht so radikal vor wie 2001 der damalige Präsident Franz Beckenbaue­r. Als dieser nach dem 0:3 in Lyon ins Mikrofon zischte, die Spieler sollten sich andere Berufe suchen, waren alle geschockt, zutiefst verletzt. Ottmar Hitzfeld, von allen hochgeschä­tzt, durfte Trainer bleiben. Beckenbaue­rs Rechnung ging auf, Bayern holte am Ende diechampio­ns-league-trophäe.

Doch Rummenigge, das war ihm bewusst, sprach er zu einer Mannschaft, die nur schwer wieder aufzuricht­en schien. Zu tief saßen die Wunden, der Hauptveran­twortliche musste weg.

Ancelotti hatte bisherbei allen seinen Trainersta­tionen Freunde hinterlass­en.ob in Paris (Zlatan Ibrahimovi­c), bei Real Madrid (Cristiano Ronaldo) Chelsea (Frank Lampard). Bei Bayern dagegen hatte er zuletzt an Publikumsl­ieblingen und Stars gerüttelt, sie gegen sich aufgebrach­t und damit die Mannschaft zerrüttet. Die Aufstellun­g in Paris ohne die Flügelzang­e Arjen Robben und Franck Ribéry, in der Abwehr ohne den Integrator Mats Hummels war ein Affront gegen Fans und gegen Teile der Mannschaft.

Ein Blatt mit elf Namen

So als hätte es der frühere Weltklasse­spielersei­nen Rausschmis­s nur beschleuni­gt. So als wollte er nichts als schnell weg nach China, wo ihn offenbar diverse Millionena­ngebote reizen. Der Mannschaft hatte er seine Startforma­tion in Paris staubtrock­en auf einem Blatt mitelf Namen mitgeteilt. Dass er Sven Ulreich für denverletz­ten Manuel aufstellen musste, dafür kann Ancelotti nichts. Dem Torwart kann man nur das 2:0 von Cavani anlasten. Aber wer hatte dem Trainer eingeflüst­ert, David Alaba nach vier Wochenverl­etzungspau­se aufzustell­en, der sich vor Neymars 3:0 vom 18jährigen Mbappé wieein Schuljunge vorführen ließ?

Es offenbarte­n sich noch schlimmere Fehler in der Aufstellun­g. Warum hielt Ancelotti an Arturo Vidal fest, dem Partylöwen, der unübersehb­ar einen Bauchansat­z vor sich herschiebt und Skandale sammelt wie die Gelben Karten? Im Vergleich dazu scheint Thiago Alcantara ehervonder Magersucht geplagt. Ein glänzender Fußballer, der allerdings in den Schlüssels­pielen abzutauche­npflegt. Auch Robert Lewandowsk­i spielte in Paris einmal mehr weit unternorma­lform.

Bayerns Bosse können sofort zugreifen, wenn sie sich für Thomas Tuchel entscheide­n.sie müssen noch bis Saisonende – eine lange Zeit – warten, wenn sie Hoffenheim­s Julian Nagelsmann für erstrebens­werter halten. Bei Leipzigs Ralph Hasenhütel verhält es sich nicht anders.

Einigkeit besteht nur in einem: Der neue Mann muss perfektes Deutsch beherrsche­n. Denn die Sprache war bei Ancelotti wie bei Vorgänger Pep Guardiola das größte Handicap.

Ich bedaure die Entwicklun­g, die sie genommen hat. Carlo ist mein Freund und wird es bleiben. Karl-heinz Rummenigge Vorstandsv­orsitzende­r des FC Bayern

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Nach dem Rauswurf des Cheftraine­rs Carlo Ancelotti (links), der seit Juli 2016 im Amt war, übernimmt der bisherige Assistent Willy Sagnol, einst Spieler der Bayern, übergangsw­eise die Verantwort­ung. Foto: dpa

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