Mitreißende musikalische Würdigung
Luther-lieder Dörte Maria Packeiser ging an der Rieger-orgel der Heidenheimer Pauluskirche bis an die Grenzen technischer Möglichkeiten. Von Hans-peter Leitenberger
Ein meisterliches Konzert bot Kirchenmusikdirektorin Dörte Maria Packeiser jetzt auf der Rieger-orgel in der Pauluskirche. „Lutherlieder in Kompositionen für Orgel“hieß das anspruchsvolle und musikalisch weitgefächerte Programm, das mit der Choralfantasie „Nun freut euch, lieben Christen g’mein“von Dietrich Buxtehude begann.
Mit ausdrucksstarker Registrierung erklang das Vorspiel dieses kontrastreichen Stücks, bei der die Choralmelodie mit einem Kontrasubjekt in Achtelnoten kombiniert wurde. Mit subtilem Feinsinn und Gespür für das Tempo spielte die Organistin das chromatische Lamento bis zur jubelnden Coda.
Heinrich Heine bezeichnete einst den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“als „Marseillaise der Reformation“– und diese kam gleich drei Mal in diesem formidablen Konzert vor. Sigfrid Karg-elerts Fantasia über dieses Thema glänzte im Spiel mit scharf punktierten Rhythmen und rasend schnellen Läufen bei dem Cantus firmus im Pedal. Die turbulente Fortführung kam klar akzentuiert bis zu der arpeggiert dargebotenen Choralzeile „Ein feste Burg“.
Regelrechtes „Orgelbeben“
Ein regelrechtes „Orgelbeben“kam am apokalyptisch wirkenden Schluss mit einem mächtigen Doppelpedal bei „ein gute Wehr und Waffen“.
Max Regers Version zum gleichen Thema hatte im Spiel von Dörte Maria Packeiser ein mitreißendes Feuer mit Wechseln des Cantus firmus vom Pedal in den Sopran.
Ein richtiges „Kampflied“bot der gläubige Katholik Reger, das wie eine ausdrucksstarke Hommage an Luther wirkte.
Ausgesprochen koloristisch erschien dagegen Sigfrid Karg-elerts „Aus tiefster Not schrei ich zu dir“. Die Flöte in höherer, die Clarinette in mittlerer Lage, unterbrochen durch Echotakte, hatten eine besondere Charakteristik in der Bearbeitungstechnik Karg-elerts mit klangstarken Sequenzen in Bass und Tenor.
Im Sinne klassischer Tradition erklang Max Regers Choralvorspiel zu demselben Liedtext mit raschen Achtelbewegungen im Pedal und Sinn für die polyphonen Strukturen.
Bei Jean Langlais „De profundis“verstand es die Organistin, die Spannungsbögen in diesem polyphon und imitatorisch angelegten Stück kunstvoll zu registrieren, das in seiner Satzstruktur einen enormen Reiz ausstrahlte.
Ein wahrer „Kracher“kam mit dem „Impromptu sur le Choral de Luther“von Charles Valentin Alkan. Der Chopin-zeitgenosse war eigentlich ein hochbegabter Pianist, was seinem Werk anzumerken war. Die farbige romantische Klangsprache leuchtete in einer ungeheuren Expressivität; und beim Tempo ging die Organistin bis an die Grenzen der technischen Möglichkeiten der Orgel.
Ein ungemein bewegendes und in seinem triumphalen Charakter mit immer größeren Phrasenbildungen einfach überwältigendes Werk.
Ein überwältigendes Werk
Dies kann auch von Max Regers Schlussfuge „Denn der Herr ist freundlich“und dem vierten Satz aus Psalm 100 gesagt werden, die mit dem Fugenthema „Ein feste Burg“zusammengeführt wurde in einer beeindruckenden Orgelbearbeitung von Hanns-friedrich Kaiser.
Dörte Maria Packeiser demonstrierte hier die ganze Klangpracht unddiedynamischenfähigkeitender Orgel–bisandiegrenzendertechnischen Möglichkeiten. Retardierende metaphysischemomentemitexpressiven kantablen Linien und eine prachtvolle Akkordik ergaben einen triumphalen Glanz, den die Organistin mit viel spielerischer Emotion aufleuchten ließ. Eine mitreißende musikalische Würdigung Luthers.