Umzug von 70 000 Medien läuft wie im Bilderbuch
Stadtbibliothek Vom Elmar-doch-haus ins neue Domizil: Eine Spezial-firma versetzt eine Woche lang ganze Berge von Büchern. Von Erwin Bachmann
Wenn Hans Godau Feierabend macht und ins Hotelzimmer zurückkehrt, dann ist ihm vielleicht noch nach einem Schwätzchen mit den Kollegen und nach ein bisschen Fernsehen. Ein Buch hingegen nimmt er nach getaner Arbeit nicht mehr in die Hand. „Definitiv nicht.“
Nicht dass der 53-Jährige nichts mit Büchern anzufangen wüsste. Im Gegenteil, doch nach einem langen Arbeitstag, an dem er tausende Bücher in die Hand genommen hat, ist sein Bedarf gedeckt, zumal das Ganze eine Fortsetzungsgeschichte ist, sich alles noch öfter wiederholen wird. Bis Ende kommender Woche dauert der seit Mittwoch andauernde Umzug der Stadtbibliothek vom Elmar-doch-haus ins neue Domizil an der Helmut-bornefeld-straße, und Hans Godau gehört mit zum Umzugs-tross, ist einer der sechs Männer, die diesen Weg in der für sie fremden Stadt inzwischen schon im Schlafe finden würden.
Buchtransport im Pendelverkehr
70 000 Medien, darunter auch Non-books, aber größtenteils Bücher, begeben sich in diesen Tagen auf Wanderschaft. Die professionellen Wegbegleiter kommen von der im sächsischen Werdau beheimateten Firma Lahero, ein auf Archiv-und Bibliotheks-umzüge spezialisiertes Unternehmen, das dem gesamten Heidenheimer Medienbestand mit Hilfe von 24 Holzrollwagen Beine macht. Das geschieht im Pendelverkehr: Die am alten Platz stehenden Regale werden von oben links nach unten rechts ausgeräumt und schön sortiert in fahrbare Bücherschränke verfrachtet, die dann mit Folie umhüllt werden, um die Bände vor dem Herausfallen oder Verrutschen zu hindern. Während ein Team zwölf dieser Bücherwagen befüllt, sind andere Kollegen in der neuen Stadtbibliothek dabei, zwölf der rollenden Kisten aus- und – eins zu eins – in die noch leeren Regale einzuräumen, bevor die Wägelchen getauscht werden und das Hin und Her von vorne beginnt.
Der Medien-rochade war eine generalstabsmäßige Vorbereitung durch die Stadtbibliothek vorausgegangen. Auch oder gerade weil diese Choreographie bis zuletzt zehnmal angepasst und umgestellt werden musste, haben Bibliotheksleiterin Lydia Zebisch und Stellvertreter Klaus-peter Preußger mitsamt ihrem Team ein planerisches Meisterstück abgeliefert. Nur die Werdauer Speditions-experten selbst sind noch größere logistische Herausforderungen gewohnt. Wico Tustek fährt seit nunmehr 17 Jahren auf diesem wohlorganisierten Umzugs-karussell mit und hat als beruflichen Höhepunkt den viele Monate währenden Umzug der Berliner Staatsbibliothek erund überlebt, bei dem ein 165 Kilometer langer Bücherwurm zu bewegen war: Da stemmt man einen Auftrag der Heidenheimer Größenordnung vergleichsweise mit links.
Die Sorgfalt, mit der die Büchertransporteure zu Werke gehen, ist freilich überall dieselbe und gilt als Markenzeichen der Umzugsfirma. Immerhin wird ihnen das ganze literarische Gedächtnis einer Stadt anvertraut, das möglichst unverrückt an seinem neuen Wirkungsort ankommen soll, wo Hand in Hand gearbeitet wird. Denn kaum sind die in der neuen Umgebung noch fremdelnden Bücher in ihren strahlend weißen Regalen grob platziert, macht sich eine Schar kundiger Bibliothekarinnen an den Feinschliff.
Von 900 auf 2000 Quadratmeter
Wie und wo müssen die Bücher stehen, wieviel Platz muss an welcher Stelle freigehalten werden? – Fragen, die sich allein schon durch die veränderte Kapazität ergeben, wird mit dem Bibliotheks-umzug doch von 900 auf fast 2000 Quadratmeter umgeswitcht. Abgestaubt, das interessiert auch manche Hausfrauen, wird übrigens später, wenn auch der jetzt noch unvermeidliche Baustaub mit fortgesaugt werden kann.
Am Ende, wenn also am 10. November das neue Kapitel der Heidenheimer Bibliotheksgeschichte aufgeschlagen wird, soll dann alles seine Ordnung haben. Heißt unter anderem: „Die kleine Raupe Nimmersatt“verpuppt sich in der Kinderbücherei, „Der Spion, der aus der Kälte kam“versteckt sich bei den Krimis. Jeder an seinem Platz, damit sich niemand in die Quere kommt.