Orchesterklang aus 14 Celli
Konzert Das Ensemble Cellikatessen feierte im großen Saal der Heidenheimer Waldorfschule sein Jubiläum – mit einer beeindruckenden Mischung aus Musik, Tanz, Licht und Sprache. Von Jens Eber
Nicht weniger als ein Fest versprach Roman Guggenberger zu Beginn des Samstagabends im Saal derwaldorfschule. Und die Erwartungen waren offensichtlich hoch, denn der Saal war nicht bloß voll: Auf den Treppen saßen Besucher, sie standen an den Türen, sie rückten zusammen, wo es nur ging.
An mangelndem Interesse konnte das Jubiläumskonzert der „Cellikatessen“also nicht scheitern, und einige Stunden späterwar klar, dass ganz sicher auch das künstlerische Vermögen der Dutzenden Akteuren das Vergnügen nicht trüben, sondern nur auf die Spitze treiben konnte.
Was der gewitzte Einsatz von Licht bewirken kann, bewies gleich zu Anfang das 14-köpfige Cello-ensemble um seinen Initiator Roman Guggenberger mit der Bearbeitung von „Contrapunctus 1“aus Bachs Kunst der Fuge. Nur etwas Schwarzlicht wurde auf die Bühne gestrahlt, wo die Cellisten mit weißen Handschuhen spielten, sodass lediglich ihre tänzerisch wirkenden Bewegungen zu sehen waren, aus denen auf fast geisterhafte Art Musik entstieg. Fortgeführt wurde der faszinierende Anblick durch einen improvisierten Tanz von vier Händen und zwei Masken, die frei über die Bühne „schwebten“.
Nicht zu vergessen Horst Guggenberger, der als versierter Sprecher „musikalische“Textpassagen von Hesse, Schiller oder Goethe rezitierte.
Den ersten geradezu stürmischen Applaus gab es für Tschaikowskys „Pezzo capriccioso“, das die „Cellikatessen“mit fein pointierter Rhythmik spielten und so auf eine furiose Solopassage des Heidenheimer Cellisten Michael Bosch hinarbeiteten. Sehr gefühl- voll gespielt war auch Maurive Ravels „Kaddish“, das in eine atemlose Stille hinein ausklang.
Aus den Dunkel trat danach der Heidenheimer Harry Berger mit einer kraftvollen Saxophon-improvisation heraus, der Joachim Hillebrand am Flügel mit energisch-körperlichem Einsatz antwortete, bevor er mit dem Kontrabassisten Jim Thomas und flankiert von Berger, nun am Akkordeon, sowie Violinist Berthold Guggenberger in Astor Piazzollas „Celos“überging. Diese vier füllten den Raum zwar scheinbar mühelos mit diesem melancholischen Tango, das Tanzpaar Liane Schieferstein und Benedikt Krappmann setzte darauf aber noch den optischen Genuss, ebenso im Folgenden zu Piazzolla „Fuga ymysterio“. Hier erwies sich zudem, wie faszinierend nah die „Cellikatessen“an einen Orchesterklang heranreichen.
Nach der Pause startete das Ensemble erneut im Dunkeln mit Samuel Barbers „Adagio for Strings“, zu dessen vollem, warmem Klang das Licht wie an einem Sommermorgen langsam über den formenreichen Sichtbeton derwaldorfschule stieg. Sicher, die Musik der seit zehn Jahren bestehenden Formation brauchte keine Effekte, aber dank dieses subtilen Einsatzes war es ein Genuss.
Nach einer knorrigen Bass-improvisation von Jim Thomas stiegen die „Cellikatessen“lässig zurückgelehnt in Duke Ellingtons „Satin Doll“ein, bei dem Thomas von den jungen Tänzerinnen und Tänzern der Aalener Urban-danceCrew „Keramika“umschwärmt wurde. Stürmisch-folkloristisch danach Grigoras Dinicus „Hora martisorolui“. Mit Django Reinhardts „Minor Swing“stellten die jungen Cellisten um Roman Guggenberger die Variabilität ihrer Instrumente unter Beweis, denn sie funktionierten auch gezupft und wie eine Gitarre geschlagen prächtig.
Zum Finale lockte schließlich Harry Berger mit dem Saxophon die Tänzer erneut hervor, die zu Arturo Marquez’ sehr dynamischem und von behutsam eingesetzter Percussion begleitetem „Danzon´ No.2“beeindruckende Szenen darstellten.
Wie es Guggenberger und seinen Mitstreitern an diesem Abend gelang, stilistisch vielfältige Werke auf Celli und Kontrabass zu „reduzieren“, ohne ihnen im Geringsten an Wirkung zu nehmen, war für sich allein schon aller Ehren wert. Die umwerfende Integration von Tanz, Licht und Sprache erhob das Programm jedoch zu einem Gesamtkunstwerk, das den anhaltenden Applaus nur logisch erscheinen ließ.