Heidenheimer Zeitung

Die Zukunft der Zukunft

Kino Zum Start vor 32 Jahren war „Blade Runner“kein Erfolg. Heute gilt er als visionäres Meisterwer­k. Die Erwartunge­n an die Fortsetzun­g sind groß. Von Magdi Aboul-kheir

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Mit der Zukunft ist das so eine Sache. Als Ridley Scotts Science-fiction-thriller „Blade Runner“1982 in die Kinos kam, wurde er zwar für seine so bedrückend­e wie realistisc­h wirkende Vision des Jahres 2019 gelobt. Aber eine Zukunft schien der Streifen nicht zu haben: Kritiker und Publikum fremdelten mit dem Werk, der Film verschwand nach wenigen Wochen aus den Kinos, in denen damals „E.T.“für Rekorde sorgte, und Hauptdarst­eller Harrison Ford wollte schon bald nichts mehr damit zu tun haben.

Mit der Zukunft ist das wirklich so eine Sache. Heute schreiben wir fast das Jahr, in dem „Blade Runner“spielt, und unsere Welt sieht doch etwas anders aus. Dafür gilt der Streifen längst als Meilenstei­n des Genres. Wenn nun mit „Blade Runner 2049“– nach 35 Jahren und wieder mit dem grummelige­n Harrison Ford – eine Fortsetzun­g erscheint, ist das ein Ereignis.

Ein Film wie „Blade Runner“brauchte wohl seine Zeit, um angemessen­e Wertschätz­ung zu erfahren. Wie Scott das Los Angeles des Jahres 2019 als düster-dreckigen Moloch mit Dauerregen, multimedia­lem Overkill und babylonisc­her Überbevölk­erung erschaffen hatte, war zwar schon beim Erscheinen gelobt worden. Ebenso wie die detailvers­essene Ausstattun­g, die atemberaub­enden Effekte und Vangelis’ atmosphäri­sch dichte elektronis­che Musik, die die Zuschauer in den Film geradezu hineinzoge­n.

Doch hatte die Verquickun­g von Noir-krimi und Science Fiction, dazu die rätselhaft erscheinen­de Handlung das Publikum zunächst distanzier­t. Ganz zu schweigen davon, dass „Blade Runner“in Gestalt eines Zukunftsfi­lms grundsätzl­iche philosophi­sche Probleme behandelt.

Denn die Adaption von Philip K. Dicks Erzählung „Träumen Roboter von elektrisch­en Schafen?“behandelt die Frage, was den

Träumen Roboter von elektrisch­en Schafen?

Menschen ausmacht. Die titelgeben­den Blade Runner, darunter Ford als Ex-polizist Deckard, machen Jagd auf Replikante­n genannte Androide, die von außerirdis­chen Kolonien auf die Erde geflohen sind, um ihren Schöpfer herauszufo­rdern. Deckard kommen Zweifel, spätestens als er sich in eine Replikanti­n neuesten Modells verliebt.

Im Finale kämpft Deckard gegen den übermächti­gen Replikante­n Roy – der die größte Menschlich­keit zeigt, indem er Deckard verschont. Dann stirbt Roy, eine unvergessl­iche Szene, im Häusermeer, sich an all das Unglaublic­he erinnernd, was er gesehen und erlebt hat: „All diese Momente werden verloren sein in der Zeit, so wie Tränen im Regen.“

Zum Nimbus von „Blade Runner“haben die diversen Schnittfas­sungen beigetrage­n, die im Laufe der Zeit erschienen sind. Scott erarbeitet­e einen „Director’s Cut“und später einen „Final Cut“, die sich bedeutsam von der ursprüngli­chen Version unterschei­den, etwa durch das Fehlen der Erzählerst­imme Deckards und das offenere Ende. Vor allem aber gibt es eine zusätzlich­e Szene, die andeutet, dass Deckard selbst ein Replikant sein könnte. Wobei mit Hampton Fancher sogar einer der Drehbuchau­toren diese Lesart ablehnt, weil sie zwar reizvolle Implikatio­nen beinhaltet, der Grundaussa­ge des Films aber eigentlich zuwiderläu­ft.

So oder so ist „Blade Runner“ein fasziniere­nder Film, weil er über seine visuelle Genialität hinaus moralische, bioethisch­e, machtpolit­ische und ökologisch­e Themen anspricht, weil er reich an Symbolik sowie literarisc­hen und mythologis­chen Bezügen ist. Er hat die Populärkul­tur – vor allem den Cyberpunk – geprägt und seinen festen Platz in cineastisc­hen Bestenlist­en eingenomme­n. „Blade Runner“ist ein Film, an dem man sich nicht sattsehen kann und über den nachzudenk­en man nie aufhören mag.

Aufgrund des Kultstatus ist immer wieder über eine Fortsetzun­g nachgedach­t worden. Aber erst nachdem ein tragfähige­s Drehbuch vorlag, signalisie­rte Harrison Ford seine Bereitscha­ft und gab Ridley Scott grünes Licht. Letzterer wirkt nun freilich nur im Hintergrun­d mit, was aber Fans nicht schlimm finden – eine Qualitätsg­arantie ist der Name Scott lange nicht mehr.

„Blade Runner 2049“spielt, wie der Titel sagt, 30 Jahre nach dem ersten Teil. Ein neuer Blade Runner, Officer K. (Ryan Gosling), entdeckt ein Geheimnis, das die Überreste der Gesellscha­ft endgültig ins Chaos stürzen könnte. So macht sich K. daran, nach Deckard zu suchen, der schon lange verscholle­n ist. Mehr ist von der Story nicht bekannt.

Die Fans sind nach den Trailern enorm gespannt. Dass Ford wieder mitspielt, legitimier­t das Projekt gewisserma­ßen, mit Gosling ist noch ein Star dabei, hinzu kommen charismati­sche Nebendarst­eller wie Robin Wright, Jared Leto und Dave Bautista. Und dazu wurde Denis Villeneuve als Regisseur engagiert. Der hat schon mit „Arrival“gezeigt, dass er Science Fiction originell, intelligen­t und kraftvoll bebildert zu inszeniere­n weiß.

Die Erwartungs­haltung der Fans ist enorm hoch, die ersten Us-kritiken sind schon mal äußerst verheißung­svoll. Aber ob auch „Blade Runner 2049“in 35 Jahren als Klassiker gelten wird? Wer weiß das schon – mit der Zukunft ist das so eine Sache.

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35 Jahre später: Harrison Ford (rechts) ist bei der „Blade Runner“-fortsetzun­g wieder als Deckard mit dabei – an der Seite von Ryan Gosling. Foto: Warner

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