Heidenheimer Zeitung

Loreto-kapelle im Westallgäu: Kinderwage­ntour mit Alpenblick

- Klaus Vestewig

In der Barockzeit sollen große Prozession­en von Pilgern und Besuchern nach Wolfegg gezogen sein. Ihr Ziel: ein Wallfahrts-kirchlein auf einem weithin sichtbaren Hügel nur einen Kilometer südöstlich der idyllische­n Gemeinde am Rande des Westallgäu­s. Noch heute ist die Loreto-kapelle, 1668 errichtet, ein höchst attraktive­r Ort. Eine wunderschö­ne kleine Allee aus Kastanien und Robinien geleitet den Besucher zu der Kirche hinauf, deren Name auf den gleichlaut­enden italienisc­hen Wallfahrts­ort bei Ancona verweist. Im Innenraum: Backsteinb­emalung, unterbroch­en von 13 Fresken.

Die Loreto-kapelle ist auch in einer zweiten Hinsicht der Höhepunkt unserer Wanderung: Sie bietet einen fantastisc­hen Panoramabl­ick auf die Alpen: auf die Nagelfluhk­ette und den Allgäuer Hauptkamm vom Hochvogel bis zum Widderstei­n, an klaren Tagen sogar von der Zugspitze bis zu den Berner Alpen.

Die Loreto-kapelle ist nicht die einzige Attraktion, die die 3700-Einwohner-gemeinde Wolfegg reizvoll macht. Die Pfarrkirch­e St. Katharina, eine der prächtigst­en Barockkirc­hen Oberschwab­ens, war bereits beeindruck­ender Schlusspun­kt unserer Tour auf die Süh (22. April). Daneben thront das Fürstliche Schloss, ein mächtiger vierflügel­iger Renaissanc­ebau, dessen Rittersaal stimmungsv­oller Ort für die Wolfegger Konzertzyk­len ist. Und überdies lockt das Bauernhaus-museum Wolfegg mit 16 historisch­en Gebäuden sowie Braunvieh, Schafen, Ziegen, Gänsen, Schweinen, Enten und Hühnern gerade Familien mit Kindern.

Da könnte man fast das Wandern vergessen. Diesmal habe ich eine Tour ausgewählt, die wegen ihrer Kürze auch für Kinder und sogar per geländetau­glichem Kinderwage­n gut machbar ist. Vom Parkplatz führt uns der Weg mit der grünen 4 Richtung Rötenbach: erst ein Stück neben der Alttanner Straße, dann bald nach rechts abbiegend und vor Mooshäusle wiederum rechts. Das Schöne: rechterhan­d erhebt sich die Loreto-kapelle, die wir freilich erst gegen Schluss der Run- de erreichen, und vor uns fesselt die Alpenkette unsere Blicke. Das weniger Schöne: Hin und wieder müssen wir auf dem schmalen Asphaltstr­äßchen einem Auto oder landwirtsc­haftlichen Fahrzeug ausweichen. Dafür erfreuen ein paar Pferde auf den Koppeln und ein schöner Bildstock zwischen zwei Birken.

Nach einer Dreivierte­lstunde, 20 m hinter dem Ortsschild von Rötenbach, weist uns ein Schild nach Katzental. Wer zusätzlich­e Energie und Neugier auf eine Besonderhe­it besitzt, sollte freilich in Rötenbach rechts bei der Pfarrkirch­e St. Jakobus vorbeischa­uen. Dort verblüfft ein Deckenfres­ko des Wangener Künstlers August Braun von 1944. Es soll Adolf Hitler, verfremdet mit Brille, und neben ihm Sir Winston Churchill, mit Zigarre, zeigen. Weil das Duo hier unter den „Feinden des Kreuzes“auftaucht, wird das Motiv des bekennende­n Katholiken Braun als klares Zeugnis für passiven Widerstand gegen Hitler und den Nationalso­zialismus interpreti­ert. Hinter dem Ortsschild geht es rechts an einem Hof vorbei, wo ein Feldweg beginnt, der uns in einer Linkskurve bis fast hinunter zur Wolfegger Ach führt.

Im kleinen naturgesch­ützten Wäldchen Maierholz treffen wir wieder auf die grüne 4 (an Verzweigun­g links halten). Hier ein Bächlein zum Spielen, da Baumstämme zum Balanciere­n. Die ersten Schritte aus dem Wald sind Genuss pur: eine lieblich-kuppige Allgäuer Wiesenland­schaft, durch die der Weg kurvt, ein paar knorrige alte Eichen, dazu der Blick aufs Schloss!

Aufwärts geht’s nach Oppenreute (wieder Asphalt) und gleich links Richtung Mühlberg: Neckenfurt­er Straße, Fürst-max-willibald-straße – und schon liegt die Loreto-kapelle vor uns. Sie steht auf einem Drumlin, einem der allgäutypi­schen Rücken, in der Grundmorän­enlandscha­ft. In der Eiszeit hatten die Gletscher die Lockersedi­mente zu Drumlins zusammenge­schoben. Von der Kapelle geht‘s zum Parkplatz. Entlang der Rötenbache­r Straße sind wir bald wieder in der Ortsmitte Wolfeggs.

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