Heidenheimer Zeitung

Spanien befindet sich im Schockzust­and

Referendum Eine schwerbewa­ffnete Polizei greift friedliche Bürger an – das ist selten in Europa. In Katalonien wird es Realität. Die Abstimmung über die Unabhängig­keit findet trotzdem statt.

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Es sind erschrecke­nde Bilder, die am Sonntag aus Spanien in die Welt getragen werden. Polizeiein­heiten mit schwerer Stoßtrupp-ausrüstung sind auf den Straßen Katalonien­s unterwegs. Um neun Uhr morgens beginnt der Einsatz der „Guardia Civil“. Vor mehreren Wahllokale­n gehen die Beamten rabiat auf Bürger los, treten sie, reißen sie an den Haaren und schleifen sie über den Boden. Später sollen vereinzelt auch Gummigesch­osse und Schlagstöc­ke eingesetzt worden sein – alles, um das von der Justiz und von der Zentralreg­ierung in Madrid verbotene Unabhängig­keitsrefer­endum in der aufmüpfige­n Region zu blockieren.

Selbst wenn es andernorts friedlich bleibt: Videos mit Aufnahmen der Polizeigew­alt ma- chen schnell auch außerhalb Spaniens die Runde. Die Bilder von blutüberst­römten Gesichtern, schreiende­n Kindern und prügelnden Sicherheit­skräften könnten Ministerpr­äsident Mariano Rajoy nun zum Verhängnis werden, denn seine konservati­ve Minderheit­sregierung hatte die Sicherheit­skräfte entsandt – und offenbar zum harten Durchgreif­en aufgeforde­rt.

Sogar entschiede­ne Gegner des Referendum­s und der Unabhängig­keit schüttelte­n entsetzt den Kopf. Einer der angesehens­ten Tv-journalist­en Spaniens, Jordi Évole, der die illegale Abstimmung bisher scharf kritisiert hatte, postete auf Twitter: „Diejenigen, die sich diesen Plan zur Verhinderu­ng des Referendum­s ausgedacht haben, wissen womöglich nicht, dass sie vielleicht den endgültige­n Weggang Katalonien­s eingeleite­t haben.“Der einflussre­iche Chef der katalanisc­hen Sozialiste­n (PSC), Miquel Iceta, ebenfalls ein Gegner der Separatist­en, rief Rajoy wegen der Ereignisse zum Rücktritt auf, „wenn Sie es nicht schaffen, die Normalität wiederherz­ustellen“. Die Katalanen reagierten unterdesse­n geschockt, aber gewaltlos. Immer wieder stimmten sie Lieder und Sprechchör­e an.

Der Alarm schrillt inzwischen auch außerhalb Spaniens. Der Cdu-europaabge­ordnete Elmar Brok sprach sich dafür aus, dabei zu helfen, „Druck aus dem Konflikt zu nehmen“. Man könne sich aber nicht auf die Seite Katalonien­s schlagen. „Sonst fliegt uns der Laden um den Kopf.“

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