Heidenheimer Zeitung

Bärchen am Stiel

Auch im herbst blüht un noch was: Marion Reinhardt hat die "25 schönsten Kräutergär­ten" im Südwesten dokumentie­rt. Spurensuch­e in einem Duft- und einem Klostergar­ten. Von Petra Walheim

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Hier, probieren Sie mal.“Birgit Wonneberge­r reicht der Besucherin ein grünes, unscheinba­res Kraut. Sie hat es von einem Strauch gezupft, der einen allseits bekannten Duft verströmt. „Das ist Cola-kraut“, sagt sie und steckt sich selbst auch einen jungen Trieb in den Mund. Beim Zerkauen ist erst mal nichts Spektakulä­res zu schmecken. Es wird bitter im Mund. Das Warten auf den Cola-geschmack dauert. Dann macht sich im Mund eine Schärfe breit. „Nach der Schärfe kommt die Cola“, verspricht die Frau, die in der Gärtnerei Syringa in Binningen für die Organisati­on und für Führungen zuständig ist. Binningen ist ein Ortsteil von Hilzingen, und das liegt in der Nähe von Singen am Hohentwiel. Die Gärtnerei Syringa betreibt einen 6000 Quadratmet­er großen Duftgarten. Die Kräuterpäd­agogin Marion Reinhardt stellt diesen Garten neben 24 anderen in dem Buch „Die 25 schönsten Kräutergär­ten im Südwesten“vor, riesige Anlagen ebenso wie kleine Gärtlein.

Der Duftgarten der Gärtnerei Syringa gehört zu den größeren, und er ist ein Abenteuer für alle Sinne, vor allem aber für die Nase. In einem Teil des Gartens duftet es wie in einem Süßwaren-laden. Gleich neben der Cola-pflanze steht die Schokolade­n-kosmee – Sorte „Zartbitter“. „Besonders intensiv ist der Duft an warmen, trockenen Nachmittag­en“, sagt Birgit Wonneberge­r. Überhaupt habe jede Tageszeit ihre eigenen Düfte. Manche Pflanzen versprühen ihre Wohlgerüch­e morgens, andere am Nachmittag oder Abend.

Morgens riecht es nach Kakao

Es gibt auch eine Schokolade­nblume, die nach Vollmilch duftet. „Das ist eine wunderbare Frühstücks-pflanze“, sagt die Expertin. Denn das Gewächs duftet morgens besonders intensiv nach Kakao. Zum Süßwaren-bereich gehört auch die Gummibärch­en-blume. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie die Kamille. Wer die kleinen, gelben Blütenköpf­e aber zerreibt, dem steigt der unverwechs­elbare Duft von Gummibärch­en in die Nase. Mmmmhhh. Essbar sind die Blüten allerdings nicht. In ihrer Heimat Chile wird die Blüte der Gummibärch­en-blume unter anderem zur Herstellun­g von Textilfarb­e genutzt.

Nur ein paar Schritte weiter, in der Minz-ecke, steht eine englische Minze-art, die der Besucherin erneut das Wasser im Mund zusammenla­ufen lässt. „Die hier duftet stark nach den bekannten Schokolade­nblättchen After Eight“, sagt die Expertin. Stimmt. Es gibt aber auch die andere Duftseite, die eher unangenehm­e. Ein Vertreter dieser Pflanzen ist der Asphalt-klee. Birgit Wonneberge­r zupft ein Blatt ab und hält es der Besucherin unter die Nase. Die zuckt sofort zurück, weil es stark nach frischem Asphalt „stinkt“. Daher der Name. „Sie gehört zu der Kategorie der Stinkpflan­zen“, sagt die Expertin. Übrigens eben- so wie Rucola und Koriander. So können sich die Besucher des traumhaft gelegenen und angelegten Duftgarten­s von Pflanze zu Pflanze schnuppern, hin und wieder ein Blättchen verzehren, in Wolken von ätherische­n Ölen schwelgen und die unglaublic­he Vielfalt an Farben und Formen bestaunen.

Jetzt im Herbst sind die verschiede­nen Salbei-arten besonders interessan­t. „Der Pfirsich-salbei und der Frucht-salbei legen im Herbst nochmal so richtig los“, sagt Birgit Wonneberge­r.

Für Heilpflanz­en-fans ist der Salbei ohnehin unentbehrl­ich. Als Tee oder als Bonbons mildert er Halsschmer­zen, Husten und Heiserkeit. Seine ätherische­n Öle sind keimtötend und entzündung­shemmend und sorgen in der Regel schnell für Linderung. Hübsch anzusehen ist auch der Ananas-salbei. „Der blüht an Weihnachte­n“, sagt die Expertin. Der Frucht-salbei wiederum blüht nach Silvester in großen rosa Blüten.

Noch bis Ende Oktober bietet die Gärtnerei Syringa Führungen an. Die Gäste lernen auf diesen Touren nicht nur zahlreiche Pflanzen kennen, sondern sie werden laut Birgit Wonneberge­r auch mit den „zauberhaft­en, mystischen Geschichte­n beschenkt“, die sich um viele der Gewächse ranken.

„Wie im Gewürzschr­ank“

Führungen bietet auch Georg-johannes Maier an, obwohl sein Kräutergär­tlein in Schienen, einem Ortsteil von Öhningen auf der Höri am Bodensee, vergleichs­weise winzig ist. Es schmiegt sich mit seinen 60 Quadratmet­ern an eine frühere Kapelle. Die wurde um das Jahr 800 auf einem keltischen Kultplatz errichtet, fungiert heute aber als Wohnhaus mit Ferienwohn­ung.

Der Klostergar­ten ist viergeteil­t und nimmt mit seinen vier Beeten Bezug auf die Himmelsric­htungen, die Jahreszeit­en und die vier Elemente. Im Mittelpunk­t der vier Beete steht ein Rondell mit einem Quellbrunn­en, der das lebenswich­tige Wasser spendet. In dem Garten, der nur auf schmalen Wegen zu begehen ist, wachsen 55 Küchen- und Heilkräute­r. „Die habe ich alle selbst gepflanzt“, sagt Maier. Er zählt auf: Majoran, Baldrian, Liebstöcke­l, Thymian, Rosmarin, Oregano, Schnittlau­ch, Beinwell, Meerrettic­h. Die Liste ist noch viel länger, doch Maier zupft lieber die Blüte eines Gewürzfenc­hels ab und steckt sich die Blüten in den Mund. „Schmeckt intensiv nach Fenchel“, sagt er. Das Kraut sei gut für den Magen, den Darm und die Verdauung. Als Tee ist es wohlbekann­t.

„Wenn es geregnet hat und danach die Sonne wieder scheint, riecht es hier wie in einem Gewürzschr­ank“, schwärmt Maier. Er pflegt den Garten gemeinsam mit seinem Sohn Michael, und beide haben viel Freude daran. So klein der Garten auch ist, Georg-johannes Maier ist es gelungen, darin auch noch 80 Engel und einen winzigen Erzengel-pfad unter zu bringen. Die sorgen wohl dafür, dass hier alles so wunderbar wächst und gedeiht.

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Birgit Wonneberge­r kümmert sich um den Duftgarten der Gärtnerei Syringa. Hier schnuppert sie an der Schokolade­n-kosmee. Fotos: Petra Walheim

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