„Erfahrungen ernst nehmen“
Der Blick aus seinen Fenstern im Bundesinnenministerium reicht über halb Berlin. Doch fast noch lieber sitzt der Parlamentarische Staatssekretär Günter Krings (CDU) in seinem Abgeordnetenbüro. Mit Ellen Hasenkamp sprach er über die geplanten Justizreformen.
Ist der Rechtsstaat in Deutschland in Gefahr, wie es auch in der Koalition heißt?
Günter Krings: Ich möchte mich nicht an Katastrophenszenarien beteiligen. Wir stehen im Vergleich zu anderen europäischen Staaten gut da. Aber unser Rechtsstaat ist in keiner optimalen Verfassung. Wir müssen das Gefühl der Menschen ernst nehmen, dass sie oft nicht ausreichend und nicht schnell genug Gerechtigkeit vor Gericht erfahren.
Woher kommt dieses Gefühl?
Das hat viel mit Kapazitäten der Gerichte zu tun. Und mit der Erfahrung, dass in kleinen Dingen – beim Falschparken zum Beispiel oder bei Geschwindigkeitsübertretungen – schnell reagiert wird und bei schwereren Taten Menschen mit zu geringen Strafen nach Hause gehen. Deswegen müssen wir den Rechtsstaat entsprechend ertüchtigen.
Steht der Eindruck von Unsicherheit der Bürger im Verhältnis zur tatsächlichen Lage?
Hinter solchen Gefühlen stecken oft ernst zu nehmende Erfahrungen. Ein Thema sind die Angriffe auf Rettungskräfte oder Polizisten. Da steigen die Zahlen deutlich. Einbruchsdiebstahl ist ein anderes Beispiel: Zwar nehmen die Fälle insgesamt wieder ab, aber das hilft demjenigen nicht, der betroffen ist – oder der einen kennt, der betroffen ist. Vielleicht sind aber auch die Erwartungen der Menschen an den Rechtsstaat gestiegen, so wie an den Sozialstaat auch. Das finde ich legitim.
Lässt sich der Rechtsstaat in Deutschland mitunter auf der Nase herumtanzen?
Für mich ist die Reform des Strafprozessrechts ein Herzstück des Pakts für den Rechtsstaat. Wirtschaftsprozesse zum Beispiel sind heute mitunter undurchführbar geworden. Die Menschen nehmen dann enttäuscht zur Kenntnis, dass Steuerhinterzieher nicht belangt werden.
Wie wollen Sie denn die Qualität der vielen neuen Richter und Staatsanwälte sichern?
Das hat zum einen etwas mit guter Bezahlung zu tun. Die Vergütung ist in den Ländern ja sehr unterschiedlich. Aber auch in dem Zusammenhang ist eine Reform des Prozessrechts wichtig, damit die Arbeit für gute Juristen attraktiv bleibt.