Heidenheimer Zeitung

„Lange her“

Vier Neonazis sagen im Nsu-untersuchu­ngsausschu­ss aus: Eine eindrückli­che Veranstalt­ung mit begrenztem Erkenntnis­gewinn.

- Von Axel Habermehl

Daran kann ich mich nicht erinnern.“„Das ist alles lange her.“„Das weiß ich nicht mehr.“Oder: „Ich hatte auch großen Durst in der Zwischenze­it. Also ich habe viel getrunken. Also Alkohol.“

Im Landtag haben gestern vier Neonazis dem Nsu-untersuchu­ngsausschu­ss ihren Unwillen demonstrie­rt, an der Aufklärung von Verbindung­en und Netzwerken mitzuwirke­n, die zwischen dem Nsu-kerntrio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sowie rechtsextr­emen Strukturen in Baden-württember­g bestanden.

Der Ausschuss soll prüfen, ob und welche Unterstütz­er es im Südwesten gab oder gibt, die den im Untergrund lebenden Rechtsterr­oristen und ihrem direkten Umfeld halfen. Dabei sollte es gestern insbesonde­re um Waffenbesc­haffer gehen, aber auch um die Organisati­on von Skinhead-konzertver­anstaltung­en und den Aufbau internatio­naler Kontakte zu Gleichgesi­nnten.

Da ist zum Beispiel Markus F., 47, aus Kirchheim am Neckar. Er war mal Chef der Württember­g-sektion des inzwischen verbotenen Neonazi-musik-netzwerks „Blood & Honour“. Später gründete er, überwiegen­d mit demselben Personal, die Kameradsch­aft „Furchtlos & Treu“. Die gebe es immer noch, man treffe sich ab und an zum Grillen.

„Wir sind ein Freundeskr­eis“, sagt F., mehrfach vorbestraf­ter Deutsch-kroate mit Bauch, Bart und Totenkopf-tätowierun­g auf Markus F.

Zeuge über das Nsu-terrortrio

der Glatze. Andere Farbmotive wuchern aus Ärmeln und Kragen seines Karohemds. Der Schriftzug „Adolf Hitler“ist nicht zu sehen, doch dass er ihn auf der Haut trägt, gibt F. auf Nachfrage gern zu. Ebenso wie er die Bedeutung seines Auto-kennzeiche­ns „88“erklärt. „Heil Hitler“, sagt er. „Das ist bei uns so ein Szenecode.“

Zschäpe, Böhnhardt, Mundlos? „Kannten wir gar nicht, wussten wir nichts!“Aber ja, bundesweit­e Kontakte über „Blood & Honour“habe er schon gehabt. Dass Angehörige dieses seines Netzwerks den NSU unterstütz­ten? Keine Ahnung. Ja, Mitglied im KuKlux-klan sei er, aber in einer amerikanis­chen Gruppe. Dort, in den USA habe er auch Schießübun­gen gemacht. Dass bei der „Sektion-schlesien“der von ihm gegründete­n Truppe „Furchtlos & Treu“in Tschechien mal Plastikspr­engstoff gefunden wurde? Nichts damit zu tun gehabt, solch eine Sektion sei ja sehr selbststän­dig.

Oder Sven R., 45, Bauhelfer mit Bomberjack­e aus Thüringen. Er saß mit Böhnhardt im Gefängnis und wurde dem Ausschuss in Verbindung mit Waffengesc­häften im Nsu-umfeld genannt. Ein anderer Zeuge beschuldig­te ihn, Waffen besorgt zu haben. Aber davon weiß Sven R. nichts. „Der spinnt“, sagt er über diesen Zeugen, beschwert sich über „das Kasperleth­eater hier“. Er sei ja Aussteiger und nun sogar bedroht worden, weshalb er heute mit Schutzwest­e erschienen ist.

Oder Stepan L., 47, früher Ostberlin, heute auch Kirchheim. Er war mal Deutschlan­dchef von „Blood & Honour“. Aber damit sei er „eher ein Repräsenta­nt“gewesen, „wie der Bundespräs­ident“. Über den NSU wisse er nichts. Ob er mal V-mann war? Dazu verweigere sein Mandant die Aussage, sagt sein Anwalt. „Wir bestätigen das nicht, wir verneinen das auch nicht.“

Das ärgert den Ausschuss. „Wenn das so wäre, könnte ja jeder, der im Verdacht ist, V-mann zu sein, die Aussage verweigern “, sagt der Vorsitzend­e Wolfgang Drexler (SPD). Daher beauftragt man das Justizmini­sterium, eine Stellungna­hme zum Auskunftsv er weigerungs­r echt für mutmaßlich­e V-leute zu erstellen. Auch sonst geben sich die Abgeordnet­en eher unzufriede­n mit den Verhören. Man gleiche alle Aussagen miteinande­r und mit den Akten ab, sagt Drexler. „Wer im Ausschuss etwas Falsches aussagt, wird angezeigt, fertig.“

Kannten wir gar nicht, wussten wir nichts.

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