Heidenheimer Zeitung

Staatsanwa­lt spricht von Blutrache

Ein 46-Jähriger aus Göppingen ist angeklagt, mit einem Mittäter einen 19-Jährigen an einem Anglersee heimtückis­ch ermordet zu haben.

- Von Petra Laible

Mit einem Umschlag verbirgt der schmächtig­e Angeklagte sein Gesicht, als er in Fußfesseln bei laufenden Kameras und Blitzlicht­gewitter in den Verhandlun­gssaal des Ulmer Landgerich­ts geführt wird. Das Medieninte­resse an dem Prozess, in dem es nach Auffassung der Staatsanwa­ltschaft um Blutrache unter albanische­n Familien geht, ist groß. Familienan­gehörige des Angeklagte­n und des Opfers sitzen im Publikum, als der Vorsitzend­e Richter Gerd Gugenhan gestern die Verhandlun­g am Ulmer Schwurgeri­cht eröffnet.

Der 46-jährige Angeklagte, ein Deutscher mit albanische­n Wurzeln, lebte in Göppingen, wo er eine Autowaschs­traße betrieb. Er wird beschuldig­t, im April 2017 mit einem Mittäter „heimtückis­ch und aus niederen Beweggründ­en“einen 19-jährigen Albaner ermordet zu haben, führte der Leitende Oberstaats­anwalt Christof Lehr aus. Nach dem Mittäter wird noch gefahndet.

Schläge mit dem Hammer

Dem Opfer sei bei einem Treffen am Rößlesee in Erbach (Alb-donau-kreis) plötzlich eine Plastiktüt­e über den Kopf gezogen worden. Dann versetzten sie ihm laut Anklage mit einem Hammer mit voller Wucht mindestens neun Schläge auf seinen Kopf. Die Verletzung­en seien so schwer gewesen, dass sie sofort zum „beabsichti­gten Tod“führten. Die Leiche wurde mit einer Betonsäule in eine Plastikpla­ne gewickelt und im benachbart­en, trüben Anglersee versenkt. Dort tauchte sie aber nach einem Monat wieder auf und wurde von einem Angler entdeckt.

Hinter der brutalen Tat stecke die „Fortsetzun­g der Blutrache“, sagte Lehr. „Kanun“ist der albanische Ausdruck dafür: Wenn ein Mann einer Familie getötet worden ist, soll ein Mann der anderen Familie dafür sterben, um in deren Augen das Gleichgewi­cht in der Gesellscha­ft wiederherz­ustellen. Die Blutrache gilt nur für männliche Familienan­gehörige, Kinder bis 18 Jahren sind davon ausgenomme­n.

Zwischen der Familie des Opfers und einer dem Angeklagte­n nahestehen­den Familie werde seit Jahren blutige Rache genommen. Ein Mitglied dieser Familie ist von einem Onkel des 19-Jährigen vor 18 Jahren in Albanien getötet worden. In der Folge wurden der Vater und ein Onkel des 19-Jährigen erschossen. 2016 dann habe die andere Familie beschlosse­n, auch den inzwischen 19-Jährigen zu töten. Der Angeklagte und sein Mittäter hätten zugesagt mitzuwirke­n.

Der Angeklagte habe das Opfer in Steinfurt (Nordrhein-westfalen) ausfindig gemacht und ein aktuelles Foto von ihm besorgt. Unter einem falschen Namen habe sich dann der Mittäter dessen Vertrauen erschliche­n und ihn wegen eines vermeintli­chen Drogengesc­häfts kontaktier­t. Er vereinbart­e ein Treffen und lockte den 19-Jährigen „zum Zwecke der Tötung“in eine Falle. Die beiden fuhren mit dem ICE von Düsseldorf nach Stuttgart. Der Angeklagte habe sie „höchstwahr­scheinlich“abgeholt und mit seinem Mercedes nach Erbach gebracht.

Da der 46-Jährige Mitglied des Eislinger Fischereiv­ereins ist, der den Rößlesee gepachtet hat, habe er einen Schlüssel besessen, um das Tor zum Grundstück zu öffnen. Der 46-Jährige, der in U-haft sitzt, bestritt, an der Tötung des 19-Jährigen beteiligt gewesen zu sein. Vielmehr habe er aus Angst um sich und seine Familie auf Anweisunge­n seines Landsmanns hin Handlanger­dienste übernommen, etwa die Plastikpla­ne in einem Göppinger Baumarkt gekauft und sein Auto zur Verfügung gestellt. Am Erbacher Rößlesee sei er im April 2017 mehrfach in Begleitung gewesen, aber nicht am Tag des Verbrechen­s.

Der Prozess wird am 7. Mai fortgesetz­t. Angehörige des Angeklagte­n, darunter Ehefrau, Bruder, Neffe und Schwester, machten gestern von ihrem Zeugnisver­weigerungs­recht Gebrauch. Damit kommen sie nicht mehr als Zeugen in Betracht.

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Fotos: Volkmar Könneke Prozessauf­takt im Ulmer Schwurgeri­cht: Ein 46-Jähriger aus Göppingen, rechts von ihm seine beiden Verteidige­r, Mord beteiligt gewesen zu sein. In der gestrigen Verhandlun­g bestritt er dies. ist angeklagt, an einem

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