Fasziniert von der Technik
Bei Klaus Karpinski aus Ulm sind alle Regale mit Bügeleisen vollgestellt. Er selbst bügelt aber nur alte Geldscheine aus Ostpreußen und Ulmer Papiergeld, das er ebenfalls hortet. Von Carolin Stüwe
Bei einem Antiquitätenhändler in Tarragona, einer Hafenstadt in Katalonien, hat Klaus Karpinski in seinen Spanienurlauben hartnäckig nach einem kleinen Kamineisen verlangt. Dies ist ein Kohlebügeleisen, bei dem der Dampf über einen Kamin zur Seite hin abgeleitet wird – eine Rarität. Aber erst beim sechsten Anlauf im Jahr 1972 konnte Karpinski endlich den Antiquitätenhändler überreden und ihm das Kamineisen für damals 300 Mark abkaufen. Das war der Anfang der Bügeleisensammlung, die heute rund 600 Exemplare umfasst. „Ich muss langsam anfangen mit Aufhören“, sagt der 79-Jährige und dreht sich in seiner Wohnung einmal um die eigene Achse. Vor allem im zentralen Flur und im Arbeitszimmer steht in den Regalen alles voller Bügeleisen.
Sie dokumentieren die lange Geschichte dieses unverzichtbaren Haushaltsgerätes. Es fehlen nur die Schweinekinnbacken, mit denen man 1800 v. Chr. Textilien noch ohne Wärme glättete. Sobald jedoch die Technik ins Spiel kommt, mit Druck, Hitze und Dampf Kleider zu plätten, zeigt die Sammlung die technischen Entwicklungsschritte alter Bügeleisen lückenlos auf. Auch in Frankreich, Ägypten und der Türkei ist der reisefreudige Wahl-ulmer fündig geworden.
Ab etwa 1600 kamen zunächst die flachen Bolzeneisen aus Messing zum Einsatz. Um sie aufzuheizen, wurden sie einfach auf den Herd gestellt. Im 19. Jahrhundert wurden die Bügeleisenkörper ihrer Form nach als „Ochsenzungen“bezeichnet und durch einen Heizstein erhitzt. Unter diesen gibt es wiederum eine „Ulmer Ochsenzunge“, ein komplett aus Messing gegossenes kleines Mustereisen der Firma P.J. Wieland von 1820 – ein Unikat, auf das Karpinski besonders stolz ist. Klaus Karpinski Rentner, 79, aus Ulm
In der Barock-, aber auch noch zur Biedermeierzeit benötigte man für die faltenreichen Kleider Feinbügel-bolzeneisen „mit Glanzbügelkante am Sohlenfortsatz“, weist Karpinski auf dieses Details hin. Bügeleisen, die nicht auf dem Herd oder in einem Schneiderofen vorgeheizt wurden, füllte man mit Kohlestückchen. 1890 gab es die ersten elektrisch betriebenen. Und genauso waren Modell-bügeleisen für die Puppenstube auf dem Markt.
Alte Geldscheine bügeln
Selbst diese kleinen muss Karpinski alle abstauben, „seit ich Rentner bin“. Als er noch berufstätig war, hatte seine Frau Sieglinde ihm diese Arbeit abgenommen. Sie sammelt ebenfalls mit und begleitet ihren Mann auch seit Jahren zu diversen Sammlertreffs, wo getauscht, gekauft und viel gefachsimpelt wird. Richtig Bewegung kommt in die Exponate, wenn das Ehepaar Teile seiner Sammlung für Ausstellungen etwa im Kreisfreilichtmuseum Kürnbach ausleiht. Allerdings bleibt dann Sieglinde Karpinskis Lieblingsstückchen daheim: Ein 13 Millimeter „langes“Bügeleisen samt passendem Untersetzer.
Handgeschmiedete Untersetzer etwa aus der Barockzeit sammelt Karpinski ebenfalls. Der große Mann schaut sich die kleinen Kunstwerke auch immer wieder gerne an, die hoch über den Türrahmen hängen. Bügelt Karpinski dann auch mal? Nur alte Geldscheine“, antwortet er schlagfertig, wobei wir beim nächsten Sammelobjekt wären: Papiergeld aus Ulm und aus Ostpreußen.
Zur Erklärung: Der Ostpreuße Karpinski ist 1939 in Gumbinnen (heute Russland) geboren und flüchtete 1944 mit seinen Eltern über Berlin nach Hardegsen in Niedersachsen. 1952 folgte die Umsiedelung nach Heidenheim, wo er sich zum Dreher ausbilden ließ. 1962 bekam er eine Stelle bei Magirus in Ulm, träumte aber stets „vom Selbstständigsein“. Also wurde er 1970 Getränkelieferant. Ein Nebeneffekt: Er sammelte Kronkorken.
Zur selben Zeit hatte er das Glück, dass ihm ein Händler eine wertvolle Sammlung von ostpreußischem Papiergeld vermachte. Karpinski fing Feuer, recherchierte die Historie des „Ostpreußischen Papiergeldes“und schrieb dreieinhalb Jahre lang an dem gleichnamigen Buch – mit 1200 Abbildungen der Talerscheine. Welch ein Aufwand! Die Scheine selbst bewahrt er in Alben für Notgeldscheine auf. Einige Unikate, die etliche tausend Euro wert sind, hat er bereits verkauft, „um unsere Rente aufzubessern“.
Schließlich fand Klaus Karpinski noch Gefallen an diversen Ulmer Scheinen und schrieb das Buch „Die Geschichte des Ulmer Papiergeldes von 1918 – 1947“. So hatte zu Zeiten der Inflation 1923 etwa die Pflugfabrik Eberhardt ihren eigenen Zehn-miliarden-mark-schein, der heute einen Wert von 150 Euro hat. Oder es gab auf rosa Papier den „Opfergroschen“, zehn Pfennige für das Winterhilfswerk.
Ich muss langsam anfangen mit Aufhören.