Heidenheimer Zeitung

Wirtschaft besteht auf Förderung der Forschung

Die neue Regierung will ihre Verspreche­n einhalten, aber die Kosten begrenzen. Daher möchte sie nur kleine und mittlere Firmen unterstütz­en.

- Von Dieter Keller

Die steuerlich­e Forschungs­förderung steht auf der politische­n Agenda. Bis Pfingsten sollten Wirtschaft­s- und Finanzmini­sterium ein Eckpunktep­apier ausarbeite­n, bis zur Sommerpaus­e einen Gesetzentw­urf vorlegen, und am 1. Januar 2019 solle die Förderung starten.

Bei der Wirtschaft ist die Regierung schon lange im Wort. Bereits in der letzten Legislatur­periode wollte sie Altmaiers Vorgänger Sigmar Gabriel (SPD) durchsetze­n. Doch er scheiterte an Kassenwart Wolfgang Schäuble. Im neuen Koalitions­vertrag steht das Vorhaben prominent ziemlich am Anfang.

Die Wirtschaft fordert die Forschungs­förderung seit Jahren und verweist darauf, dass es sie in den meisten Eu-staaten schon lange gibt. Das hohe Tempo der digitalen Transforma­tion verkürze Innovation­szyklen und erfordere von den Unternehme­n höhere Forschungs­investitio­nen, heißt es etwa beim Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI). Er beobachtet neidisch, dass Us-präsident Donald Trump die Steuern für Unternehme­n senkt und ihnen bis zu 20 Prozent der Investitio­nen in Forschung und Entwicklun­g (F+E) gutschreib­t.

Die deutschen Firmen wären schon mit 10 Prozent zufrieden. Letztlich geht es darum, dass der Staat einen Zuschuss zu den F+e-ausgaben der Unternehme­n gibt, etwa 10 Prozent, entweder zu den gesamten Ausgaben oder nur zum Personalau­fwand. Die Firmen bekommen dieses Geld, indem sie ihre Steuerschu­lden entspreche­nd kürzen. Jede hat einen Anspruch darauf, während die zahlreiche­n bestehende­n Forschungs­programme an konkrete Projekte gebunden sind.

2016 investiert­e die deutsche Wirtschaft 62,8 Mrd. € in F+E. Bei 10 Prozent Förderung kämen über 6 Mrd. € zusammen. Daher schlägt der BDI vor, nur die Personalko­sten zu subvention­ieren. Würde dies auf 35 000 € Gehalt pro Mitarbeite­r beschränkt, könnten die Kosten der Förderung auf etwa 1,5 Mrd. € begrenzt werden.

Das ist allerdings der Koalition immer noch zu viel. Daher plant sie eine Begrenzung auf kleine und mittlere Unternehme­n, wobei unklar ist, wo die Grenzen sind. Nach einem Vorschlag des Bundesrats könnte es auf Unternehme­n mit weniger als 250 Beschäftig­ten und einem Umsatz von maximal 50 Mio. € begrenzt werden. Das würde nach Berechnung­en des Bundesfina­nzminister­iums für Mindereinn­ahmen von 450 Mio. € sorgen.

Baden-württember­g wäre daran mit etwa 40 Mio. € beteiligt, schätzt Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Grüne). Sie ist allerdings dafür, alle F+e-kosten zu fördern, also auch die Auftragsfo­rschung. Denn gerade kleine und mittlere Unternehme­n hätten oft keine eigene Entwicklun­gsabteilun­g. Sie seien daher auf Auftragsfo­rschung und ihre Förderung angewiesen. Das „enorme Innovation­spotenzial bei den kleinen und mittleren Unternehme­n“zu heben, werde sich gerade in einem High-tech-land wie Baden-württember­g auszahlen.

Die Wirtschaft­sverbände laufen allerdings gegen eine Begrenzung Sturm. Die Förderung bleibe „ein Tropfen auf den heißen Stein, solange nicht alle Unternehme­n unabhängig von der Größe“profitiere­n könnten, warnte etwa der Hauptgesch­äftsführer des Verbands der Chemischen Industrie, Utz Tillmann.

Einen Mittelweg zeigte das Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW) in Mannheim in einer Studie für den Maschinenb­au-verband VDMA auf: Alle Unternehme­n sollten unabhängig von ihrer Größe bis zu 20 Mio. € an Forschungs­ausgaben steuerlich absetzen können. Das koste 2 Mrd. € und sei auch leichter mit dem Eu-beihilfere­cht zu vereinbare­n.

Wie viel Geld der Bund überhaupt locker machen will, ist im Koalitions­vertrag nicht genau festgelegt. Stefan Kaufmann, Bundestags­abgeordnet­er aus Stuttgart, erklärte das gegenüber der SÜDWEST PRESSE damit, dass es sich nicht um Mehrausgab­en, sondern um Mindereinn­ahmen handle.

„In jedem Fall aber wird die steuerlich­e Forschungs­förderung insbesonde­re für kleine und mittlere Unternehme­n eingeführt, dies ist klar zwischen Union und SPD vereinbart worden“, so Kaufmann. Ausgang offen.

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Foto: Skynesher/getty Images Ein Maschinenb­au-ingenieur im Testlabor: Der Bundesverb­and der deutschen Industrie wünscht sich mehr Hilfe von der Bundesregi­erung, was Forschung und Entwicklun­g angeht. Kommentar

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