Mehr Gelassenheit
Als die Bundesregierung vor einem Jahr mit Blick auf die Türkei den wahlkampfnahen Auftritt ausländischer Amtsträger untersagte, hatte sie dafür gute Gründe. Galt es doch, dem ungefilterten Import der aufgeheizten türkischen Innenpolitik einen Riegel vorzuschieben. Ganz funktioniert das natürlich nicht, denn die große türkische Gemeinde in Deutschland bleibt von dem, was im Heimatland passiert, nicht unberührt. Doch die regierungsamtlichen Einpeitscher aus Ankara bleiben erstmal draußen.
Nun hat sich der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu zur Gedenkfeier für die Opfer des rechtsextremistischen Brandanschlags vom Mai 1993 in Solingen angesagt. Damals starben fünf Mitglieder einer türkisch-stämmigen Familie. Das Gedenken findet alljährlich statt und auch immer im Beisein eines offiziellen Vertreters des türkischen Staates. In würdiger Atmosphäre aus Achtung vor den Toten.
So wäre es auch diesmal gewesen, wenn nicht der türkische Staatschef Erdogan Parlaments- und Präsidialwahlen auf den Juni vorgezogen hätte. Cavusoglus Deutschland-besuch fiele damit in eine politische Quarantäne, wenn er ihn denn für den türkischen Wahlkampf nutzen würde.
Wenn. Bei Union, Grünen und Linken gibt es entsprechende Befürchtungen. Sofort ausladen, lautet die reflexhafte Reaktion. Angesichts der Solinger Veranstaltung empfiehlt sich etwas mehr Zurückhaltung und Außenminister Cavusoglu sollte erst dann zur persona non grata erklärt werden – dann aber in aller Deutlichkeit –, wenn er den Rahmen der Gedenkfeier sprengt. Etwas mehr Gelassenheit statt vorschneller Erregung wäre angebracht.