Für mehr Respekt und gegen die „Umsonst-kultur“
Es kann nicht alles gratis sein: Zum „Project Fair Play“bündeln Kulturschaffende verschiedener Genres ihre Kräfte. Ziel ist ein Bewusstseinswandel.
Fast die Hälfte der 30- bis 39-Jährigen ist bereit, für Musik, die er oder sie hört, Geld zu bezahlen. Das geht aus einer Untersuchung über Musikkonsumenten hervor, die Lando van Herzog zufolge im Jahrbuch 2016 des Bundesverbands der deutschen Musikindustrie veröffentlicht wurde. „Man stelle sich vor, im Jahrbuch des Bundesverbands des deutschen Lebensmittelhandels e.v. hieße es: Fast die Hälfte der Konsumenten ist bereit, für den Einkauf in einem Lebensmittelgeschäft an der Kasse zu zahlen . . .“, sinniert der Kölner Geiger, Sänger und Musikproduzent. „Da offenbart sich der ganze Irrsinn und zeigt sich die Respektlosigkeit gegenüber künstlerischer Arbeit.“
Los ging das schon zu einer Zeit, bevor es die heute aus dem Boden sprießenden, legalen Streaming-plattformen gab, also noch vor der Jahrtausendwende. Damals tauschten Musikfans über die illegale Tauschbörse Napster im Internet ihre Songs und MP3S untereinander. Auch Spotify-gründer Daniel Ek gehörte dem „Handelsblatt“zufolge zu den Vertretern der illegalen Filesharer und war mit Mitte 20 schon Millionär. „Damals ging es der Schallplattenindustrie extrem schlecht“, erinnert sich van Herzog, der bei Django-reinhardt-nachfahre Zipflo Reinhardt Geigespielen lernte und an der Musikhochschule Köln Jazzgesang und Jazzvioline studierte. „Alles stand unter der Prämisse ,Geiz ist geil’. Da hab auch ich gemerkt, Mensch, das geht ganz schön bergab.“Millionen Menschen auf der ganzen Welt genossen seine Musik – aber er erhielt keinen Cent dafür. Heute werde über die nun legalen Streaming-portale wieder Geld verdient – „es kommt bloß leider nicht bei den Musikern an“.
Frust über den Wertverfall
Wenn das nicht zum Schreien ist. Den Frust über den Wertverfall seiner Arbeit rausbrüllen will der gut vernetzte Mann, der vor Jahren der Occupy-bewegung eine Hymne schrieb und mit Transfair-chef Dieter Overath befreundet ist, aber nicht. Auch will er der „Umsonst-unkultur“nicht mittels Unterlassungsklagen oder der Androhung strafrechtlicher Maßnahmen den Kampf ansagen oder mit erhobenem Zeigefinger wedeln. Sondern lieber „aufrufen zum Fair-play gegenüber unserer künstlerischen Arbeit“. Und zwar so, wie er es am besten kann: singend und musizierend.
Vier Jahre lang haben er und rund drei Dutzend Kulturschaffende – allesamt auf eigene Kosten – an einem Album gearbeitet, welches genau das thematisiert, viele Stile vereint und dabei gut unterhalten soll. An der Platte zum „Project Fair Play“sind so unterschiedliche Künstler wie Jazztrompeter Till Brönner, DJ und Pop-produzent Mousse T., Sängerin und Schauspielerin Yvonne Catterfeld, Chansonnière Marianne Rosenberg, die Kölner Domchorknaben, die Prager Philharmoniker, die Band Die Prinzen und die Dub-reggae-formation Tiger Hifi beteiligt. Dazu Bestseller-autoren wie Frank Schätzing und Tanja Kinkel, Moderatoren und Comedians wie Hella von Sinnen und Christoph Maria Herbst, Filmemacher wie Oscar-preisträger Pepe Danquart und Synchronsprecher Charles Rettinghaus, die deutsche Stimme von Jamie Foxx. Denn auch Schriftsteller, Journalisten und Filmschaffende leiden unter sinkender pekuniärer Würdigung und Anerkennung ihrer Arbeit im digitalen Alles-für-umsonst-zeitalter. Mit Paralympics-sieger Markus Rehm holte van Herzog sogar einen Spitzensportler ins Boot. Gesprochene Texte verknüpfen als „Interludes“die einzelnen Songs auf dem 35 Tracks umfassenden Konzept-album inhaltlich miteinander.
Dabei wollen Lando van Herzog und die anderen Beteiligten Streaming nicht verteufeln: „Das könnte eine fantastische Sache sein, wenn jeder User mehr als zehn Euro bezahlen würde“– und die Betreiber nicht vorrangig in die eigene Tasche wirtschafteten.