Nein zu einer weiteren Windkraftanlage
Dischingens Gemeinderäte lehnen die Vorstellungen des Zweckverbands ab – auch im Hinblick auf die Auffassungen in den benachbarten Gemeinden.
Der Gemeinderat hat den Standor für ein großes Windrad der Landeswasserversorgung zur Eigenversorgung der Wasserpumpen mit Strom einhellig abgelehnt.
Wir sollen immer die Lasten tragen und die anderen holen die Butter vom Brot. Alfons Jakl Bürgermeister Dischingen
Ein volles Haus hat bei Gemeinderatssitzungen eher Seltenheitswert. Anders am Dienstagabend: Gleich mehrere Reihen von Stühlen mussten im Anbau der Egauhalle für die zahlreichen Zuhörer aufgestellt werden. Neben Dischinger Bürgern waren vor allem Einwohner aus den Nachbargemeinden gekommen, zu denen auch die Ortsvorsteher von Fleinheim und Auernheim, Nattheims Bürgermeister Norbert Bereska sowie die Oberhäupter der bayrischen Ortschaften Reistingen, Thomas Baumann, und Zöschingen, Tobias Steinwinter, gehörten.
Anlass für den guten Besuch der Sitzung war gleich der erste Tagesordnungspunkt: die Absicht des Zweckverbands Landeswassserversorgung (LW), im westlichen Markungsbereich Dischingens eine 230 Meter hohe Windkraftanlage zur Strom-eigenversorgung der Pumpen in den Lw-wasserwerken zu errichten.
Dass sich die Härtsfeldgemeinde an die Seite der das Vorhaben kritisch sehenden Nachbarn stellt, machte Bürgermeister Alfons Jakl schon in seinen einleitenden Worten deutlich. Man habe sich einst auf den Ohrberg als Standort für Windkraftanlagen verständigt und den von der LW anvisierten Standort nicht verfolgt. Der Zweckverband hat eine Fläche auf der Anhöhe rechts der Landesstraße Fleinheim-dischingen im Wald Richtung Zöschingen anvisiert. Jakl sagte aber auch, dass sich der Flächennutzungsplan in Überarbeitung befindet und noch keine Ausschlussgebiete für Windkraft festgesetzt seien.
„Wir haben schon viele Beeinträchtigungen unserer Landschaft“, sagte Jakl. „Es stellt sich die Frage: Wollen wir noch ein Windrad, und das an diesem Standort?“
Zehn Millionen Euro Stromkosten
Prof. Dr.-ing. Frieder Haakh, Technischer Geschäftsführer des Zweckverbands, warb in der Sitzung für die Pläne der LW. „Es ist ein Projekt der öffentlichen Daseinsvorsorge.“Der durch die Anlage gewonnene Strom würde ins Netz der Landeswasserversorgung eingespeist und so ausschließlich die Pumpen im Egauwasserwerk bei Dischingen und in den anderen Lw-werken versorgen. Der Zweckverband habe einen jährlichen Energiebedarf von rund 75 Millionen Kilowattstunden, mehr als 72 Millionen davon für Pumpen und Trinkwasseraufbereitung. 56 Millionen Kilowattstunden müssten eingekauft werden, die Stromkosten lägen bei zehn Millionen Euro. „Die Anlage ist auch ein Beitrag zur Energiewende.“
Auf Dischingen als Standort sei man gekommen, weil das Windrad in einer für die Kabelverlegung wirtschaftlichen Entfernung zu den Wasserwerken stehen müsse, so Haakh. „Dischingen ist einzigartig in Baden-württemberg.“Hier sei viel Trinkwasser zu schöpfen und ein geeigneter Standort für eine Windkraftanlage.
Nach Voruntersuchungen sei der genannte Bereich im Dischinger Westen übriggeblieben. Es seien hier den Untersuchungen zufolge sogar bis zu sechs Windräder denkbar. Haakh: „Die LW plant aber nur eine Anlage.“Untersucht habe man Schall und Schattenwurf sowie die Sichtbarkeit des Windrads. Die Grenzwerte würden eingehalten. Man hoffe darauf, mit dem Projekt weitermachen zu dürfen. „Wir wollen die Weichen stellen für eine umweltfreundliche Grundwassergewinnung.“Abschließend appellierte er an eine solidarische Gemeinschaft.
„Das ist sicher ein Windrad, das Sinn macht“, bekannte Bürgermeister Jakl. „Aber was heißt denn Solidargemeinschaft? Es kann nicht sein, dass Dischingen immer nur Leistungen erbringt und nichts kriegt.“Jakl verwies auf die Belastungen der Gemeinde durch Wasserschutzgebiete – Dischingen ist mit dem Egauwasserwerk ja auch Fassungsgemeinde der LW –, durch Landschaftssschutzgebiete und die energiebezogenen Beiträge wie die fünf Windkraftanlagen am Ohrberg, diverse Solar- und Biogasanlagen. „Wir sollen immer die Lasten tragen und die Anderen holen die Butter vom Brot.“Dischingen leiste genug, um das Wasser zu schützen und die LW zu unterstützen.
Da die geplante Anlage Haakh zufolge etwa elf Millionen Kilowattstunden liefern könnte, sah Gemeinderat Reinhold Sporer die Möglichkeit, dass mehr Windräder als eines gebaut werden, um den Energieeinkauf der LW Richtung null zu bringen. Dass diese Reduzierung rein theoretisch möglich wäre, bestätigte der Lw-geschäftsführer. Man solle nicht übersehen, dass hier Menschen wohnen, merkte Jakl an. Wirtschaftlichkeit solle nicht über alles gestellt werden.
Ein Windrad oder mehr?
Gemeinderat Anton Scherer befand, dass „die Belastung der Bevölkerung auf dem Härtsfeld ihre Spitze erreicht“habe. „Heute sind wir zum ersten Mal nicht in der Opferrolle.“Er sei „momentan dagegen“. In einigen Jahren wären es sonst sechs Anlagen. Monika Mai pflichtete Scherer bei. Auch Günter Burger stellte die Anzahl eins in Frage. Er gehe eher von drei aus.
Es sei ein Beschluss des Verwaltungsrats der LW für ein Windrad, sagte Haakh. „Wenn ich sage, wir bauen ein Windrad und nicht mehr, dann baue ich auch nur eines.“
Gremiumsmitglied Michael Raunecker erkundigte sich nach der Bedeutung einer Ablehnung durch den Gemeinderat. „Ich würde den Streit mit der Fassungsgemeinde nicht anfangen“, antwortete Haakh. Man würde an anderen Stellen weitersuchen. „Oder vielleicht können Sie uns einen Standort vorschlagen?“Vor ein paar Jahren hätte die Gemeinde ein gutes Angebot für die LW gehabt, entgegnete Jakl mit Verweis auf den Ohrberg. „Da war die LW noch nicht so weit“, so der Geschäftsführer.
„Das Stimmungsbild ist recht eindeutig“, bilanzierte der Bürgermeister. Dischingen trage viel zur Solidargemeinschaft bei, aber jetzt sei ein Punkt. Auch mit Rücksicht auf die Nachbargemeinden wolle man das Windrad derzeit nicht und auch nicht an dem vorgesehenen Standort. Er beantragte daher die Ablehnung des Standorts, die dann einstimmig ausfiel.
Jakl abschließend: „Ich hoffe, Sie respektieren das.“Der LW-GEschäftsführer antwortete: „Natürlich. Für uns geht die Suche weiter. Wir machen aber auch nichts gegen eine Fassungsgemeinde.“