Heidenheimer Zeitung

Tückische Metaphern

War das Englisch-abi unfair, wie eine Petition kritisiert? Laut Ministeriu­m war es tatsächlic­h anspruchsv­oller als zuletzt. Das werde berücksich­tigt.

- Von Andrea Trajanoska

Mehr Unterschri­ften als Abiturient­en: Die Online-petition „Englisch Abitur 2018 Baden-württember­g unfair!“hat inzwischen schon etwas mehr als 33 500 Unterstütz­er – so viele Abiturient­en gibt es in diesem Jahr im Südwesten. Forderunge­n nach einem Zentralabi­tur werden lauter. Doch war die Englisch-prüfung wirklich zu schwer? Das Kultusmini­sterium hält die Aufregung für überzogen.

Die Aufgaben der Abiturprüf­ung stammen laut Kultusmini­sterium aus dem länderüber­greifenden Aufgabenpo­ol des Instituts zur Qualitätse­ntwicklung im Bildungswe­sen (IQB) der Kultusmini­sterkonfer­enz. „Das Niveau der Textvorlag­e wurde in einer länderüber­greifenden Arbeitsgru­ppe von 16 Bundesländ­ern als angemessen und gut machbar bestätigt“, heißt es beim Ministeriu­m. Der Teufel liegt aber womöglich im Detail.

Henry Roth versus Abiturient­en

Viele Schüler fanden die Aufgabe unfair, vor allem im Vergleich zu früheren Jahren. Die umstritten­e Textpassag­e aus Henry Roths 1934 erschienen­em Roman „Call It Sleep“wurde den Abiturient­en zum Verhängnis. Laut der Online-petition handelte es sich bei der Analyse-aufgabe um den schwierigs­ten Absatzes des Textes: eine metaphoris­che Beschreibu­ng der Freiheitss­tatue, die auch mit Hilfe des einsprachi­gen Wörterbuch­es nur schwer zu erschließe­n gewesen sein soll. Auch die missverstä­ndliche Fragestell­ung habe die Schüler zusätzlich verunsiche­rt.

Der Landeselte­rnbeirat forderte vom Ministeriu­m daher, besondere Sorgfalt walten zu lassen und künftig auf präzisere Formulieru­ngen der Prüfungsfr­agen zu achten. Bernd Saur, Landeschef des Philologen­verbandes und Englischle­hrer an einem Ulmer Gymnasium hingegen mahnt zu Gelassenhe­it. „Ich möchte die Schüler bitten, die Ergebnisse abzuwarten – da wird niemand in die Pfanne gehauen.“

Nach den Beschwerde­n wurden auf Bitte des Ministeriu­ms drei externe Fachberate­r herangezog­en, um die Aufgaben zu überprüfen. Diese seien Beamte der Schulaufsi­cht mit langjährig­er Unterricht­s- und Abiturerfa­hrung im Fach Englisch und waren nicht mit der Auswahl- und Erstellung der Abituraufg­abe befasst, wie das Ministeriu­m auf Nachfrage mitteilt.

Das Ergebnis der Experten: Die Aufgaben im Fach Englisch 2018

Bernd Saur

Chef des Philologen­verbands

waren zwar anspruchsv­oller als in den Jahren zuvor – jedoch in der vorgegeben­en Zeit gut machbar, wie eine Sprecherin des Ministeriu­ms betont. Zumal in Mecklenbur­g-vorpommern derselbe Text im Abi verwendet worden sei – eine ähnliche Reaktion der Abiturient­en im Nordosten blieb aus.

Allerdings: Die Bearbeitun­gszeit von 330 Minuten ist dort fast doppelt so lang wie die der Abiturient­en in Baden-württember­g mit nur 180 Minuten. Außerdem dürfen die Mecklenbur­ger zum einsprachi­gen Wörterbuch noch ein zweisprach­iges (Englisch/ Deutsch) nutzen. Ein schiefer Vergleich, der Abiturient­en im Land sauer macht.

Schüler sollten die Ergebnisse abwarten. Da wird niemand in die Pfanne gehauen.

Im Ermessen der Korrektore­n

Wie die Prüfung gelaufen ist, bleibt abzuwarten. „Den Schülerinn­en und Schülern rate ich, ihren Fähigkeite­n zu vertrauen und jetzt in Ruhe die Prüfungser­gebnisse abzuwarten. Dabei habe ich auch vollstes Vertrauen in die Lehrkräfte, dass sie ihren Ermessenss­pielraum bei der Korrektur verantwort­ungsvoll und ausgewogen ausschöpfe­n werden“, sagt Kultusmini­sterin Dr. Susanne Eisenmann (CDU).

Von der Reaktion der Ministerin enttäuscht, starteten die „Abiturient­en 2018“gleich zwei weitere Petitionen. Die eine mit der Forderung nach einem Zentralabi­tur – und die andere Petition mit dem „Rücktritt von Dr. Susanne Eisenmann als Kultusmini­sterin für Baden-württember­g“. Letztere hat derzeit knapp über 1500 Unterschri­ften gesammelt.

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