Heidenheimer Zeitung

„Kruscht machen andere“

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n sieht den Oscar für den Haller Gerd Nefzer als Verpflicht­ung, die Kreativbra­nche stärker zu fördern.

- Von Roland Muschel

Den Oscar, den Gerd Nefzer im März für die Spezialeff­ekte beim Film „Blade Runner 2049“gewonnen hat, hat der Schwäbisch Haller zum Treffen mit Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n mitgebrach­t. Das Gespräch dreht sich um den berühmtest­en Filmpreis – und schwäbisch­en Erfinderge­ist.

Herr Nefzer, was war das für ein Gefühl, den Oscar entgegenzu­nehmen? Gerd Nefzer: Unbeschrei­blich! Da sind in einem Moment 31 Jahre Arbeit von mir abgefallen. Die Veranstalt­ung war gigantisch, wie alles in den USA: roter Teppich, viel Presse, ein bisschen Champagner. Kurz habe ich gedacht: Wie reagierst du, wenn es heißt: The Oscar goes to … „Planet der Affen“? Es war dann zum Glück unser Film „Blade Runner 2049“.

Sie haben den Oscar in der Kategorie Visuelle Effekte erhalten. Was machen Sie eigentlich genau?

Wir machen nichts am Computer. Wir sorgen für physikalis­che Effekte – Wind, Regen, Schnee, Nebel, Einschüsse, Explosione­n. Das alles entsteht am Drehtag vor Ort.

Wie viel ist vorgegeben?

Fast nichts. Im Drehbuch steht nur: Es fliegt ein Auto durch die Luft. Alles andere ist Sache des schwäbisch­en Tüftlers, aber auch seiner Sparsamkei­t. Es wird in Hollywood sehr gern gesehen, dass wir nicht so viel ausgeben.

Herr Kretschman­n, erkennen Sie das Landsmanns­chaftliche wieder? Winfried Kretschman­n: Jemand, der spezielle Effekte kreiert, muss ein richtiger Tüftler sein. Das ist sehr typisch für unser Land. Deshalb sind wir auf den Oscar mächtig stolz. Wir haben in Baden-württember­g ja eine große Filmtradit­ion. Immerhin hat schon Carl Laemmle, ein Oberschwab­e aus Laupheim, Hollywood begründet.

Haben Sie den ausgezeich­neten Film „Blade Runner 2049“gesehen?

Leider nein. Zum Filmeschau­en komme ich so gut wie nicht. Aber ich war in meiner Jugend ein großer Science-fiction-leser. Virtuelle Welten haben immer etwas Fasziniere­ndes. Nehmen Sie den mittelalte­rlichen Teppich von Bayeux: Das ist nichts anderes als eine Trickfilmd­arstellung auf einem Teppich. Die Faszinatio­n ist uralt, nur die Möglichkei­ten haben sich enorm verändert.

für Baden-württember­g?

Da sind wir als Standort weltweit anerkannt. Aber die Konkurrenz ist groß und schläft nicht. Wir müssen uns noch mehr nach der Decke strecken.

Ist das nicht eine Nische?

Die Kreativwir­tschaft wächst enorm, das hat eine unglaublic­he Dynamik. Das ist längst keine Nische mehr, sondern wirtschaft­lich sehr bedeutsam.

Herr Nefzer, wo steht das Land? Nefzer: Baden-württember­g hat bei den Visuellen Effekten weltweit einen sehr guten Namen. In Deutschlan­d ist der Großraum Stuttgart führend. Weltweit sieht das etwas anders aus.

Wer sind die Konkurrent­en?

Asien ist allein durch die Lohnkosten im Kommen. Die simpleren Effekte werden nach China oder Indien vergeben. Wir müssen halt schauen, dass wir weiter für Qualität stehen. Kretschman­n: Da gilt, was generell für unsere Wirtschaft gilt: Nur mit Qualität haben wir eine Chance. Kruscht machen schon andere. Wir haben Automobilb­au, Maschinenb­au, Medizintec­hnik – da denkt man schnell: Jetzt will der Kretschman­n auch noch Orchideen verstreuen! Aber Erlebnis und Unterhaltu­ng spielen eine immer größere Rolle. Der Oscar ist für uns Signal, weiter vorne mitzumisch­en.

Wo gehen die Trends hin? Nefzer: Der reine Kinomarkt ist weltweit rückläufig. Was unglaublic­h boomt, ist die ganze Spielwelt. Mein Ding ist das nicht, ich bin auf dem Dorf aufgewachs­en, da hat man in der Natur gespielt, nicht am Computer. Aber da geht der Trend hin.

Herr Kretschman­n, diese Woche findet in Stuttgart das Trickfilmf­estival statt. Welche Bedeutung hat es? Kretschman­n: Es ist ein Glücksfall, das wir das Festival haben. Stuttgart ist sechs Tage weltweites Zentrum des Animations­films, ein Schaufenst­er der Kreativitä­t. Die letzte persönlich­e Begegnung hatte ich im vergangene­n Jahr. Da war das Trickfilmf­estival mein Gast im Park der Villa Reitzenste­in.

Nefzer: Für mich ist es eine Premiere. Ich halte an diesem Freitag einen Vortrag über „Blade Runner 2049“und bin gespannt, was die junge Szene bewegt.

Was bedeutet der Oscar für Ihre Arbeit?

Ich denke nicht, dass wir deshalb einen Auftrag mehr oder weniger erhalten. Aber es dürfte jetzt kein Us-produzent mehr nachfragen, ob wir als deutsche Spezialist­en für Effekte den Auftrag tatsächlic­h bewältigen können.

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Foto Ferdinando Iannone Ein Gespräch mit Oscar: Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n empfängt Gerd Nefzer.

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