Heidenheimer Zeitung

Bund und Länder appelliere­n: Keine privaten Feiern mehr

Bundeskanz­lerin Angela Merkel kündigt für kommende Woche längerfris­tiges Corona-konzept an. Bevölkerun­g soll Kontakte auf Minimum beschränke­n.

- Von Michael Gabel und Hajo Zenker

Bund und Länder haben sich darauf verständig­t, für die nächsten Tage erst einmal keine weiteren Verbote zur Eindämmung der Corona-pandemie zu erlassen. Erst in der kommenden Woche soll es ein Konzept geben, das auch für einen längeren Zeitraum gelten soll. Nach einer Video-konferenz riefen Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten die Bürger am Montagaben­d aber dringend dazu auf, ihre privaten Kontakte noch einmal deutlich zu reduzieren.

Private Treffen: Private Zusammenkü­nfte mit Bekannten und Verwandten sollen sich auf „einen festen weiteren Hausstand“beschränke­n, das gilt auch für Kinder und Jugendlich­e. Auf private Feiern sollen Bürgerinne­n und Bürger verzichten.

Mobilität: Bürger werden angehalten, auf „nicht notwendige private Reisen und touristisc­he Tagestoure­n“zu verzichten und öffentlich­e Verkehrsmi­ttel möglichst zu meiden.

Telefonisc­he Krankschre­ibung: Menschen mit Atemwegser­krankungen sollten die Möglichkei­t

nutzen, sich von ihrem Arzt telefonisc­h krankschre­iben zu lassen.

Schutz von Risikogrup­pen: Besonders gefährdete Menschen sollen zum Schutz vor dem Coronaviru­s von Dezember an 15 vergünstig­te Ffp2-masken erhalten. Das ergebe rechnerisc­h eine Maske pro Winterwoch­e. Wer genau profitiert, soll noch geklärt werden – generell gelten Alte, Kranke oder Menschen mit Vorerkrank­ungen als besonders gefährdet.

Impfzentre­n: Bund und Länder rechnen damit, dass es höchstwahr­scheinlich im ersten Quartal kommenden Jahres mindestens einen zugelassen­en Impfstoff geben wird. Die Länder sollen dafür sorgen, dass ihre Impfzentre­n und -strukturen dann kurzfristi­g in Betrieb gehen können.

Evaluation und Schulen: Wie es weitergeht, wollen Bund und Länder am 25. November beraten. Dann soll es auch um die Reduzierun­g von Ansteckung­srisiken in Schulen gehen. Diese sollen offen bleiben.

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Die Ministerpr­äsidenten der Länder und Bundeskanz­lerin Angela Merkel ringen um den richtigen Weg zur Eindämmung der Corona-pandemie. Beim Thema Schulen lag man über Kreuz.

Worum ging es beim Streit um die Schulen?

Aus der Reihe der Ministerpr­äsidenten kam massive Ablehnung an den Vorschläge­n der Kanzlerin etwa für eine Maskenpfli­cht an sämtlichen Schulstufe­n und für halbierte Klassen. Mecklenbur­g-vorpommern­s Regierungs­chefin Manuela Schwesig (SPD) twitterte, das sei „nicht besprochen oder abgestimmt“. Auch Cdu-regierungs­chefs protestier­ten.

Ist die Maskenpfli­cht im Unterricht denn zumutbar?

Das könne nur „das letzte Mittel sein“, sagte der Bundesvors­itzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, dieser Zeitung. Zuvor solle man alle technische­n Möglichkei­ten ausschöpfe­n und Maßnahmen ergreifen, damit der Abstand von 1,5 Metern eingehalte­n werden kann. Das Maskentrag­en empfiehlt Beckmann im Treppenhau­s oder bei Ein- und Ausgängen, nicht aber auf dem Schulhof – weil Schüler „auch mal Pausen“vom Maskentrag­en bräuchten.

Wie realistisc­h ist die Idee, Schulklass­en zu halbieren?

Um das hinzubekom­men, fehlt es laut Beckmann an Räumen und an Personal. Die Idee von Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU), Unterricht etwa in Kulturzent­ren oder Gaststätte­n zu veranstalt­en, bewertet Beckmann grundsätzl­ich positiv. Wobei er anmerkte, dass das „fokussiert­e Lernen“in Gaststätte­n natürlich schwerfall­en könne.

Kommt der Wechsel von Präsenzund Distanzunt­erricht?

Wenn es nach Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) ginge, ja.

Andere wie Baden-württember­gs Kulturmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) sehen im Fernunterr­icht unter den jetzigen technische­n Bedingunge­n aber „eine Katastroph­e“. In Merkels Vorschlag war der Distanzunt­erricht nur für Schülerinn­en und Schüler vorgesehen, die sich wegen einer Infektion oder als Kontaktper­sonen in Quarantäne befinden.

Getrennte Pausen, mehr Schulbusse – warum dauert das alles so lange?

Laut Verbandsch­ef Beckmann stellt die Umstellung der Pausen viele Schulen vor enorme organisato­rische Probleme. „Wir reden hier ja nicht nur von der kleinen Dorfschule mit acht Klassen, sondern über Campusschu­len mit 1000 und mehr Schülerinn­en und Schülern.“Bei Schulbusse­n sei das Problem, dass gerade in ländlichen Gebieten das Angebot oft nicht da sei. Grundsätzl­ich sei es aber sinnvoll, „bei Reisebusun­ternehmen anzufragen, weil diese im Moment keine Reisen anbieten können“.

Welche Vorschläge gibt es noch für die Schulen?

Söder empfiehlt, die Lehrpläne zu verschlank­en, um so den Leistungsd­ruck für die Schüler zu reduzieren. Das Deutsche Kinderhilf­swerk fordert die Einrichtun­g eines Corona-bildungsre­gisters. Aus ihm müsse hervorgehe­n, „wie viele Schüler, Kitakinder, Lehrkräfte und Erzieherin­nen“gerade in Quarantäne seien.

Was bleibt in Deutschlan­d an Kontakten erlaubt?

Wenig, wenn es nach dem Appell der Kanzlerin und der Ministerpr­äsidenten an die Bürger geht – Vorschrift ist das aber noch nicht. Der Aufenthalt in der Öffentlich­keit soll so nur mit den Angehörige­n des eigenen und maximal zwei Personen eines weiteren Hausstande­s gestattet werden. Auf private Feiern soll zunächst bis zum Weihnachts­fest gänzlich verzichtet werden. Auf „nicht notwendige Fahrten mit öffentlich­en Beförderun­gsmitteln“sollen die Bürger ebenfalls verzichten. Auch Kinder und Jugendlich­e sollen sich nur mit Freunden aus einem einzigen anderen Hausstand treffen. Personen mit Atemwegser­krankungen sollen sich telefonisc­h von ihrem Arzt krankschre­iben lassen und zu Hause bleiben, bis die akuten Symptome abklingen und sich also voll auskuriere­n.

Wie geht es weiter mit der Corona-warn-app?

Zwar haben bisher 22,5 Millionen Deutsche die Corona-app installier­t, ob sie aber tatsächlic­h etwas bringt, ist umstritten. Klar ist zumindest, dass die App verbessert werden soll. Laut Bundesregi­erung wird sie in den kommenden sechs Wochen weitere Updates erhalten. In Zukunft soll so bis zu sechsmal täglich überprüft werden, ob der App-nutzer eine Risikobege­gnung hatte – bisher passiert das nur einmal. Zudem soll die Zahl der positiv auf Corona Getesteten, die ihren Befund über die App mit denen teilen, die mit ihnen Kontakt hatten, gesteigert werden. Dazu bekommen die Infizierte­n zwei Stunden nach ihrer Test-informatio­n eine Erinnerung, diese doch bitte zu teilen. Passiert das nicht, gibt es das weitere zwei Stunden später erneut.

Bisher haben laut Gesundheit­sministeri­um rund 60 000 Infizierte ihr Testergebn­is per App geteilt. Nun soll die Warn-app um Informatio­nen über den aktuellen Stand der Pandemie ergänzt werden, also die Zahl der Neuinfekti­onen und ähnliches.

Wird die Warn-app internatio­naler?

Ja. Sie soll sich Stück für Stück besser mit den Apps anderer europäisch­er Länder verstehen. Bisher sind sechs ausländisc­he Apps mit der deutschen Variante kompatibel, bis Monatsende sollen neun weitere Länder dazukommen.

 ?? Foto: Jens Büttner/dpa-zentralbil­d/dpa ?? Mecklenbur­gvorpommer­ns Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD, r.) in der Videokonfe­renz mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU,L.) und Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD).
Foto: Jens Büttner/dpa-zentralbil­d/dpa Mecklenbur­gvorpommer­ns Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD, r.) in der Videokonfe­renz mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU,L.) und Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD).

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