„Gipfelpolitik allein reicht nicht“
Kanzlerin Merkel diskutiert mit den wichtigsten Vertretern der Automobilwirtschaft und Politik die Zukunft des Autos. Verkehrsausschussvorsitzender Özdemir verlangt verbindliche Vereinbarungen.
Beim anstehenden Autogipfel im Kanzleramt kommen die wichtigsten Vertreter der Autobranche und Politik zusammen. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Cem Özdemir (Grüne), erwartet verbindliche Vereinbarungen.
Herr Özdemir, auf dem Autogipfel ist Elektromobilität ein Hauptthema. E-pkw erleben einen Boom. Da müssten die Grünen doch nichts zu meckern haben, oder?
Cem Özdemir:
Ein grundsätzliches Problem ist, dass sich die Bundesregierung von Autogipfel zu Autogipfel hangelt. Doch mit Gipfelpolitik allein kann man keine Transformation unserer wichtigsten Industrie erfolgreich gestalten. Was wir brauchen ist ein durchgängiger Strategiedialog zwischen Politik und Automobilwirtschaft mit ehrlichen Ansagen und verbindlichen Vereinbarungen, wie das Baden-württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann in seinem Bundesland macht. Wir müssen in allen relevanten Bereichen die Technologieführerschaft anstreben. Das ist mit der aktuellen Koalition der Schlafmützen nicht möglich.
Die Regierung tut Einiges zur Förderung von E-antrieben. So wird über eine Verlängerung der Umweltprämie diskutiert...
Das ist grundsätzlich richtig, aber die Ziele in Sachen E-mobilität sind nicht ambitioniert genug. Die Stiftung Klimaneutralität geht davon aus, dass wir zum Erreichen der Klimaschutzziele mindestens 14 Millionen E-autos bis 2030 brauchen. Die Bundesregierung geht von sieben Millionen bis zehn Millionen E-fahrzeugen aus. Das ist viel zu wenig. Hinzu kommt: Wenn was Neues wachsen soll, muss was Altes abgebaut werden.
Was heißt das?
Wir geben jährlich die Wahnsinnssumme von rund acht Milliarden Euro pro Jahr für die Subvention von Dieselkraftstoff aus, während wir zugleich die Technologien von morgen unterstützen. Beides gleichzeitig macht keinen Sinn. Wir brauchen deshalb einen schrittweisen Abbau der Diesel-subventionen. Und wir brauchen ein echtes Bonus-malus-system, das umweltschonende Mobilität fördert und den Kauf von Spritschluckern stärker belastet. Dazu kommt, dass der staatlich subventiontierte Klimabetrug bei Plug-in-hybriden beendet werden muss.
Sollten Plug-in-hybride nicht mehr gefördert werden?
Ich will, dass der Plug-in-hybrid zu einem Erfolg wird, um den Übergang zur E-mobilität für die Zulieferer und die vielen Beschäftigten bestmöglich zu gestalten. Aber die Idee Plug-in-hybrid steht auf der Kippe. Die Autoindustrie ist dabei, den Plug-in-hybrid kaputt zu machen mit freundlicher Unterstützung von Andreas Scheuer.
Plug-in-hybride sind nur dann klimafreundlich, wenn hauptsächlich elektrisch gefahren wird...
Und nur dann darf er mit Steuergeld gefördert werden. Mit Autos, die nicht halten, was sie versprechen, ist die Koalition der falschen Freunde der Automobilwirtschaft schon einmal beim Dieselskandal auf die Nase gefallen. Einfache Regelungen könnten Abhilfe schaffen und den Plug-in aus der Schmuddelecke holen. Das wäre ein Win-win. Das würde der Glaubwürdigkeit der Branche helfen und dem Klima.
Wie?
Das gelingt, indem man die Kaufprämie für einen Plug-in aufteilt. Nach einer bestimmten Zeit, zum Beispiel bei der Hauptuntersuchung, wird die tatsächliche elektrische Fahrleistung ausgelesen. Nur wenn der Großteil elektrisch erbracht worden ist, sollte es Steuergeld geben.
Kommt dieser Vorschlag bei Minister Scheuer an?
Scheuer spielt auf Zeit. Es gibt den Auftrag aus der Koalitionsvereinbarung zum Konjunkturprogramm, aktiv zu werden. Aber ich sehe die politischen Vorschläge nicht. Das hat nichts mit zukunftsfähiger Verkehrspolitik zu tun. Ähnliches gilt für den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Badenwürttemberg hat gezeigt, wie es gehen kann und ist das erste Bundesland mit flächendeckendem Ladenetz für E-autos in einem 10-Kilometer-raster. Reichweitenangst ist im Ländle ein Fremdwort. Wir brauchen künftig mehr Baden-württemberg in der Verkehrspolitik und weniger Bayern.
Die EU will die Co2-grenzwerte verschärfen. Die Autoindustrie befürchtet ein Ende des Verbrenners 2025. Ist die Sorge berechtigt?
Das Ende des fossilen Verbrenners ist nicht in Brüssel beschlossen worden, sondern in Paris beim Klimaschutzgipfel von über 190 Staaten. Paris ist der Abschied vom Erdöl im Verkehr. Viele Staaten, darunter einige zentrale Exportmärkte, haben den Ausstieg aus dem fossilen Verbrenner angekündigt. Wer sich jetzt darüber wundert, hat in Paris nicht aufgepasst oder die deutsche Unterschrift nicht ernst gemeint.
Wir brauchen mehr Badenwürttemberg in der Verkehrspolitik und weniger Bayern.
Die Grünen wollen 2021 das Bundesverkehrsministerium besetzen. Wird es mit einem Grünen-minister keine Verbrennungsmotoren mehr geben?
Nicht sofort. Die fossilen Verbrennungsmotoren werden auslaufen, während die Elektromobilität beim Pkw anläuft. Uns ist aber auch klar, dass es nicht zu Brüchen kommen darf. Wir haben eine Verantwortung für die Beschäftigten bei Autounternehmen und Zulieferern und bieten der Industrie eine faire Partnerschaft an. Ich erinnere daran, wie wir das mit dem Atom-ausstieg gemacht haben. Unser rot-grüner Ausstieg war ein gleitender, wo wir die Industrie mitgenommen haben. Schwarz-gelb hat ihn zurückgedreht, gegen die Wand gefahren. Die Autobranche und Gewerkschaften sind sich weitgehend einig, was die Transformation angeht. Es sind Teile der Politik, die den Wind of Change nicht mitbekommen haben.
Auftritte gibt es für Premierminister Boris Johnson vorerst nur von zuhause aus.
und wurde dann sogar auf die Intensivstation verlegt, wo er Sauerstoff bekam. Einige Tage lang stand die Sache auf Kippe. „Es hätte so oder so laufen können“, meinte der Premier hinterher. Jetzt ist es unwahrscheinlich, dass Johnson erneut erkrankt.
Von seiner Dienstwohnung aus, „wird er weiterhin in der Downing Street arbeiten und die Maßnahmen der Regierung in der Coronavirus-pandemie leiten“, sagte Johnsons Sprecher. Dabei sollten in dieser Woche entscheidende Weichen gestellt werden. Von einer „Neuausrichtung“war die Rede, nachdem zwei der engsten Mitarbeiter Johnsons aus der Downing Street verstoßen wurden. Dominic Cummings und Lee Cain, die einen harten Kurs beim Brexit propagierten, mussten gehen, nachdem sie in einem Machtkampf mit Carrie Symonds und der neuen Pressesprecherin Allegra Stratton unterlagen.