Gin und Whisky aus dem Katzental
Die leidenschaftlichen Brenner Ulrich und Stefan Greiner stellen mitten in Heidenheim edle Obstbrände her. Durch die Änderung der Firmenausrichtung wollen sie auch expandieren.
Was in einem Kellerraum an der Straße Im Flügel in Heidenheim geschieht, lässt sich einerseits chemisch erklären: In einer Apparatur wird Maische, ein vergorener Brei aus Obst oder Getreide, erhitzt, bis der aus der Umwandlung von Zucker entstandene Alkohol verdampft und in weiteren Schritten abgekühlt und gesammelt wird.
Alte regionale Obstsorten
Was Ulrich Greiner und sein Sohn Stefan dort auf der Grundfläche einer Doppelgarage tun, hat aber auch viel mit Leidenschaft zu tun, mit Entdeckergeist und dem Willen, alte, regionale Sorten zu pflegen. In den gläsernen Blasen im Regal finden sich Brände aus Quitte oder Stuttgarter Gaishirtle, einer eher seltenen Birnensorte im Schatten der Williams Christ. In einer Reihe gestapelter Holzfässer reift der erste Whisky aus Heidenheimer Produktion, daneben Rum, ebenfalls eine Premiere unterm Hellenstein. Mit ihrem augenzwinkernd „Catvalley Rose“getauften Gin haben es die am Katzental aktiven Brenner sogar ins Buch „Deutscher Gin Band 2“geschafft.
Eine Brennerei zu betreiben, ist in Baden-württemberg allein noch keine Sensation. In ganz Deutschland gibt es Zehntausende Brennereien. Der Schwerpunkt liegt in Süddeutschland, zwischen 20 000 und 30 000 Kleinbrennereien soll es in Baden-württemberg, Bayern und Rheinland-pfalz heute noch geben.
Diese Zahl hat vor allem historische Hintergründe. Einst sollten den darbenden Bauern in der Provinz zusätzliche Einnahmequellen eröffnet werden, indem sie übriges Obst oder Getreide zu Alkohol verarbeiten durften. Freilich schuf sich der Staat dadurch auch selbst neuen Einnahmen, denn der Alkohol musste versteuert werden.
300 Liter Alkohol
Die Kleinbrennereien unterscheiden sich – und hier wird es bereits kompliziert – in Abfindungsund Verschlussbrennereien. Die allermeisten der Kleinbetriebe sind Abfindungsbrennereien, sie gehören zu jenen historisch gewachsenen Betrieben, die jährlich ein festes Kontingent von 300 Litern Alkohol herstellen dürfen. In aller Regel wandern dabei auch die eigenen Rohstoffe, etwa das Obst von Streuobstwiesen oder überschüssiges Getreide, in den Brennkessel.
Bis vor wenigen Jahren brannten diese Betriebe auch nicht unbedingt Schnaps für die Anwendung in der Bandbreite zwischen Genuss und Rausch, sondern oft schlicht sogenannten Agraralkohol, der von der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein abgenommen wurde. Das Monopolgesetz trat jedoch Ende 2017 außer Kraft. Verschlussbrennereien dagegen müssen weder auf eigene Rohstoffe setzen, noch ist die
Menge ihres erzeugten Hochprozentigen gedrosselt. Aller Alkohol läuft in diesen Betrieben durch eine verplombte Messeinrichtung, am Ende des Jahres werden die Daten ausgelesen und der erzeugte Alkohol wird versteuert.
Hier schließt sich wieder der Kreis zum Heidenheimer Flügel. Die Greiners haben nämlich viele Jahre lang eine klassische Abfindungsbrennerei betrieben. Die Familie besitzt auf der Alb und im Remstal seit langem Obstwiesen mit vielerlei Sorten. Ulrich Greiners Schwiegervater Christian Burr betrieb bis Anfang der 1990er-jahre in Mergelstetten eine Bäckerei und Konditorei. Den Kirschbrand für seine Schwarzwälder Kirschtorten ließ er in der Verwandtschaft aus eigenen Kirschen brennen.
Einzige Verschlussbrennerei
So wuchsen Vater und Sohn Greiner mehr und mehr in eine Tätigkeit hinein, die zunächst ein zeitaufwendiges Hobby war und nun eher Nebenberuf geworden ist. Und ganz sicher Berufung. Nach Edelbränden verschiedener Sorten brachten sie dann 2016 ihren Gin auf den Markt, zwei Jahre später gefolgt vom Whisky „Wing 61“. Dieses Jahr erfolgte nun die
Umfirmierung der Obstmanufaktur Greiner zu einer Verschlussbrennerei – nach Angaben der Betreiber ist es die einzige im Umkreis von mindestens 50 Kilometern.
Wenn sie ihre Anlage erläutern, prasseln bald Fachbegriffe auf den Zuhörer ein. Von einem klassischen Wasserbadbrenner sprechen sie, mit nebenstehender Verstärkerkolonne. Daneben glänzt eine sogenannte Geistanlage, in der zum Beispiel Beeren, die für die Vergärung zu wenig Zucker enthalten, in Alkohol eingelegt werden, was ihnen die Aromen entzieht. Im Raum daneben reihen sich in Regalen Glasballons mit Obstbränden.
Feigen aus dem Remstal
Als Verschlussbrennerei wollen die Greiners ihrer Kreativität jetzt freien Lauf lassen – mit aller Geduld natürlich, die das Handwerk erfordert. Im Remstal haben sie dieses Jahr Feigenbäume angepflanzt, das sich wandelnde Klima scheint das Gedeihen dieser Südländer möglich zu machen. Aber es wird viele Jahre dauern, bis die ersten süßen Früchte im Flügel in der Brennblase landen. Mangel an Rohstoffen befürchten die beiden Brenner nicht. Immer wieder kämen Bekannte auf sie zu, die ihrer vollbehangenen Bäume nicht mehr Herr würden, und je seltener die Sorte, umso schneller sitze er im Auto, sagt Ulrich Greiner lachend. Sein Credo ist dabei einfach: „Was der Herrgott hat wachsen lassen, soll nicht verderben.“Gerade in alten Obstgärten finde sich noch große Sortenvielfalt.