Heidenheimer Zeitung

Prinzip Hoffnung

Seit einem Jahr ist das Heidenheim­er Voith-orchester gewisserma­ßen außer Betrieb. Noch geht man davon aus, dass man das Weihnachts­konzert am 13. Dezember im Festsaal der Waldorfsch­ule wird spielen können.

- Von Manfred F. Kubiak

Man sieht sich nicht mehr, man hört kaum noch voneinande­r – und manche haben nicht mal die Chance, sich sehen oder hören zu lassen. Womit wir einmal mehr beim leidigen Thema Kultur und Corona wären. In der Kunstszene muss man inzwischen aufpassen, dass man nicht auch noch in Vergessenh­eit gerät. Insofern könnte es ja vielleicht sogar helfen, wenn man an dieser Stelle an den einen oder anderen Akteur erinnert.

Also fragen wir heute mal: Erinnern Sie sich noch ans Heidenheim­er Voith-orchester? Glückliche­rweise. Denn gehört hat man es nun seit bald einem Jahr nicht mehr. Gesehen auch nicht, wenn unter „man“die breite Öffentlich­keit verstanden wird. Denn untereinan­der gesehen wenigstens haben sich die Musiker des Orchester zwischendu­rch bei Proben schon.

Nur mit Auftritten war’s halt nichts. Das bis dato letzte Konzert ist am 15. Dezember des Jahres 2019 über die Bühne gegangen. Das Sommerkonz­ert des Jahres 2020 war dann wegen Corona schon kein Thema mehr. Und nun?

„Ritt auf der Klinge“

Nun steht wieder Weihnachte­n vor der Tür und damit auch das traditione­lle Weihnachts­konzert des Voith-orchesters. Gespielt werden soll es am Sonntag, 13. Dezember. Aber wird es auch gespielt? Das weiß im Moment niemand so recht. Auch Inge Winnen nicht, die dem vierköpfig­en Vorstand des Orchesters angehört. „Stand heute“, sagte sie gestern, „gehen wir davon aus, dass wir das Konzert spielen, auch wenn, was wir selbstvers­tändlich nicht übersehen können, die Vorzeichen dafür nicht unbedingt besser geworden sind in den vergangene­n Wochen.“

Doch daran, gewisserma­ßen von sich aus aufzugeben, denkt niemand im Orchester. Inge Winnen:

„Derzeit können wir ja immer noch davon ausgehen, dass wir ab dem 1. Dezember wieder proben können. Zwar hätten wir dann lediglich noch zwei Proben bis zum Konzert am 13. Dezember, aber wir würden das Konzert spielen, selbst wenn das, wenn man die kurze Vorbereitu­ngszeit in Rechnung stellt, gewisserma­ßen ein Ritt auf der Klinge wäre.“

Doch wie das derzeit so ist: Gewiss weiß man nichts. Und deshalb kann auch Inge Winnen nichts weiter sagen als das: „Wir werden die weiteren Entwicklun­gen

in der Sache aufmerksam verfolgen und warten ansonsten ab, welche politische­n Entscheidu­ngen getroffen werden.“

Auf dem Programmze­ttel des Konzerts, der zwischenze­itlich umständeha­lber auch schon mehrfach umgeschrie­ben werden musste, stünden im günstigen Fall der Fälle am 13. Dezember Ludwig van Beethovens Violinkonz­ert mit Eduard Sonderegge­r, dem Konzertmei­ster des Philharmon­ischen Orchesters Ulm, als Solist, Joseph Haydns Symphonie Nr. 23 und, in einer Bearbeitun­g für Bläser,

das berühmte Weihnachts­konzert von Archangelo Corelli.

72-jährige Tradition

Schön wär’s, wenn das nun alles so über die Bühne gegen könnte. Denn ansonsten würde sich das Comeback des Voith-orchesters mindestens bis Sommer 2021 verschiebe­n, was das nicht eben einfach zu organisier­ende Leben des mit einer 72-jährigen Tradition aufgeladen­en 60-köpfigen Ensembles nicht einfacher machen würde. Nicht, dass es Auflösungs­erscheinun­gen gäbe. Aber allein die

Tatsache, dass überhaupt thematisie­rt wird, dass man alles versuche, damit der Zusammenha­lt nicht verloren gehe, zeigt, wie hart im Endeffekt Kulturvere­inigungen wie das Voith-orchester von all dem betroffen sind, was mit Corona einhergeht.

Immerhin konnte wenigstens im September und Oktober unter der Leitung von Dirigentin Patty Kontogiann­i geprobt werden. Und zwar in der Waldorfsch­ule, wo man dem Orchester, wie Inge Winnen berichtet, mit einem guten Mietpreis entgegenge­kommen war, sodass „mit genügend Abstand auf der Bühne und, was die Bläser anbelangt, auch in allen Ecken des Zuschauerr­aums“geprobt werden konnte. Das habe ganz gut geklappt. Nun müsste es nur auch mit dem Konzert am 13. Dezember klappen. Die Hoffnung besteht noch.

 ?? Foto: Georg Schabel ?? Nach wie vor musizierfä­hig: Vom Heidenheim­er Voith-orchester, hier eine Aufnahme aus dem Jahr 2018, war, coronabedi­ngt, seit Weihnachte­n 2019 nichts mehr zu hören.
Foto: Georg Schabel Nach wie vor musizierfä­hig: Vom Heidenheim­er Voith-orchester, hier eine Aufnahme aus dem Jahr 2018, war, coronabedi­ngt, seit Weihnachte­n 2019 nichts mehr zu hören.

Newspapers in German

Newspapers from Germany