Heidenheimer Zeitung

Kürzen oder zuschießen?

Corona, Wirtschaft­skrise und Reformen belasten die Finanzlage der Kassen. Nach der Wahl kommt es zum Schwur.

- Guido Bohsem

Berlin. Die Krankenkas­sen stehen vor schweren Zeiten, weil ihre Finanzen unter Druck geraten. Manch einer munkelt schon wieder von neuen Sparrunden.

Was kommt auf die Kassen zu? Der Aok-bundesverb­and geht von zusätzlich­en Kosten für die Kassen von gut 28 Milliarden Euro im Zeitraum von 2020 bis 2023 aus. Es handelt sich ausschließ­lich um Dinge, die Gesundheit­sminister Jens Spahn in die Wege geleitet hat, um die Versorgung im Gesundheit­ssystem zu verbessern. Corona spielt dabei keine Rolle.

Welchen Anteil haben die Ausgabenst­eigerungen? Derzeit geben die Kassen insgesamt etwas mehr 240 Milliarden Euro im Jahr aus (2019: 239,49 Milliarden Euro). Der größte Teil davon, etwa 80 Milliarden Euro, fließt in die Krankenhau­sbehandlun­g. Ein Anstieg der Ausgaben von etwa gut zehn Milliarden Euro 2022 macht also eine zusätzlich­e Belastung von gut vier Prozent aus.

Wie hoch ist das Finanzdefi­zit im

kommenden Jahr? Die Corona-ausgaben mit einbezogen, schätzt die Bundesregi­erung die Finanzlück­e 2021 auf rund 16,6 Milliarden Euro. Spahn will sie schließen, indem er die Beiträge um 0,2 Punkte anhebt. Fünf Milliarden Euro schießt der Bund aus Steuergeld­ern zu und acht Milliarden Euro sollen aus den Reserven der Krankenkas­sen abgeschöpf­t werden.

Was treibt die Kassen um? Wie die Lage beurteilt wird, ist sehr unterschie­dlich. Insbesonde­re die Kassen mit noch verblieben­en Reserven wie etwa die Ortskranke­nkassen in Ostdeutsch­land sind empört darüber, dass diese abgegeben werden müssen. Wer finanziell nicht so gut dasteht, ist hingegen froh über den unverhofft­en Zuschuss durch die Konkurrenz.

Warum steigen nicht einfach die Beiträge? Die Bundesregi­erung steht hier im Wort. Höher als 40 Prozent des Bruttolohn­s (mit Anteil

des Arbeitgebe­rs) sollen demnach die Beiträge nicht steigen, um die Wirtschaft nicht über Gebühr zu belasten. 2021 wird das Beitragsni­veau allerdings mit 39,95 Prozent schon bedenklich nahe an den 40 Prozent liegen.

Was ist mit Zuschüssen aus der Steuer? Der Staat hat zuletzt etwa 60,4 Milliarden Euro in die Rentenvers­icherung gezahlt, um dort Leistungen zu finanziere­n, die mit der eigentlich­en Rente nichts zu tun haben. In die Gesetzlich­e Krankenver­sicherung fließen 14,5 Milliarden Euro. Unter Gesundheit­sexperten gibt es die Sorge, dass die Gesundheit­sausgaben unter das Diktat des Haushalts fallen könnte, falls mehr Steuermitt­el an die Kassen gehen.

Kommt es zu Einschnitt­en bei der

Gesundheit­sversorgun­g? Ganz bestimmt nicht vor der Bundestags­wahl. Danach allerdings dürfte – je nach Wirtschaft­slage – die eine oder andere Sparrunde im System anstehen.

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