Neustart mit Hindernissen
Die Erwartungen sind riesig: Mit Joe Biden sollen die transatlantischen Beziehungen endlich wieder besser werden. Doch ein paar Probleme dürften bleiben.
Iran-abkommen
Hochumstritten war 2018 der Rückzug der Us-regierung von Donald Trump aus dem Atomabkommen mit dem Iran. Der Präsident führte die ausgesetzten Us-sanktionen gegen das Land wieder ein und rief eine Politik des „maximalen Drucks“aus. Die Folge: Auch der Iran brach das Abkommen und begann, in großem Maßstab Uran anzureichern – das Material, das für eine Atombombe gebraucht wird. Außerdem forschte der Iran an seinem Raketenprogramm weiter und versuchte, durch bewaffnete Gruppen in anderen Ländern der Region an Einfluss zu gewinnen. Deutschland hielt wie die anderen verbliebenen Vertragsstaaten am Atomabkommen fest.
Und nun? In der deutschen Politik regt sich Hoffnung, dass Trumps Nachfolger Joe Biden einen anderen Kurs fährt. „Unter Biden wird die Us-außenpolitik eher wieder versuchen, die Region zu befrieden statt den Konflikt mit dem Iran zu eskalieren“, prophezeit Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. „Das ist eine Chance.“Seine Idee: „Ich schlage ein sicherheitspolitisches Pendant zur einstigen europäischen KSZE für den Nahen Osten vor.“Es müsse gelingen, einen Prozess anzustoßen, der die arabischen Staaten und Iran an einen Tisch bringt. Dabei könne Deutschland eine aktive Rolle spielen. „Deutschland genießt in der Region ein hohes und länderübergreifendes Vertrauen sowie Glaubwürdigkeit.“Eine Annäherung, könne gelingen, wenn der Iran und die arabischen Staaten wechselseitig ihre Bedrohungswahrnehmung respektierten.
Der Fdp-außenpolitiker Bijan Djir-sarai hielte es gar für „idiotisch“, wenn die USA dem Atomabkommen jetzt wieder ohne Weiteres beiträten. Das Raketenprogramm des Irans und seine Einflussnahme in der Region dürfe man nicht ignorieren. Die Neigung Teherans zu Verhandlungen hält er überdies für gering.
Der Spd-außenpolitiker Nils Schmid hingegen sieht in der ersten Jahreshälfte des kommenden Jahres ein „Fenster der Gelegenheit“für Verhandlungen. Danach werde es schwierig, weil im Juni im Iran Präsidentschaftswahlen angesetzt sind und unklar ist, wer Nachfolger des gemäßigten Amtsinhabers Hassan Ruhani wird.
Nord Stream 2
Über kaum ein Thema wurde zwischen Deutschland und den USA in den vergangenen Jahren so heftig gestritten wie über die neue Ostsee-gaspipeline. Immer wieder machte Us-präsident Donald Trump deswegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schwerste Vorwürfe mit dem Tenor: Die USA beschützen euch vor Russland, und ihr macht mit Moskau milliardenschwere Gasgeschäfte. Dahinter steckte allerdings auch das amerikanische Interesse, sein vergleichsweise teures Flüssiggas in die Weltmärkte zu drücken.
Inzwischen fehlt zur Vollendung der Doppelröhre nur noch ein kleines Stück. Dass in absehbarer Zeit russisches Gas Richtung Deutschland strömen wird, ist aber mehr als fraglich. Denn die Unterstützung für die Us-sanktionen, die den Bau zuletzt empfindlich störten, ist im amerikanischen Kongress nicht auf die Republikaner beschränkt, sondern parteiübergreifend. Nach einem Medienbericht wird in Kongress und Senat bereits wieder an neuen Strafmaßnahmen gearbeitet, die diesmal Versicherer und Prüfgesellschaften treffen sollen. Als Zugeständnis an die Verbündeten gilt, dass diese diesmal vorher informiert werden.
Der Konflikt um Nord Stream 2 dürfte also unter einem Us-präsidenten Biden weitergehen, der die Pipeline bereits früher einen „fundamental schlechten Deal für Europa“genannt hat. Auch Norbert Röttgen erwartet nicht, „dass Joe Biden von dem Gebrauch extraterritorialer Sanktionen grundsätzlich Abstand nehmen wird“. Der Cdu-politiker tritt im Gegensatz zur Kanzlerin für ein Ende des Vorhabens ein – und steht damit auch für die Vielfältigkeit der Meinungen zu dem Projekt selbst innerhalb der Großen Koalition.
Damit der Streit nicht den gewünschten Neustart der transatlantischen Beziehungen und insbesondere nicht die angestrebte Zusammenarbeit in Energie- und Klimafragen gefährdet, plädiert die Stiftung Wissenschaft und Politik dafür, das „Projekt Nord Stream 2 mit einem Moratorium zu versehen“. Die Grüne Franziska Brantner geht noch einen Schritt weiter: „Nord Stream 2 sollten wir auch im Interesse der Osteuropäer aufgeben und dafür lieber einen transatlantischen Green Deal abschließen.“
Verhältnis zu China
Unter Us-präsident Donald Trump haben die USA mit Wirtschaftssanktionen einen deutlich härteren Kurs gegenüber China eingeschlagen. Auch die EU und Deutschland blieben von diesem Handelskrieg nicht verschont. Erst kürzlich hat die Bundesregierung Leitlinien für den indopazifischen Raum beschlossen, um als selbstständiger Akteur die eigenen Interessen dort zu verfolgen. Unter Trumps Nachfolger Joe Biden erwartet der Spd-außenpolitiker Nils Schmid weiter einen Us-fokus auf die Region: „Das Thema China wird ganz oben auf Bidens Agenda stehen.“Deshalb gehe es darum, bei Marktöffnung, Investorenschutz und dem Schutz geistigen Eigentums mit den USA an einem Strang zu ziehen. „Wir haben kein Interesse, einen Kalten Krieg gegen China auszurufen“, betont Schmid.
Daran ändere auch der Umgang mit dem 5G-mobilfunknetz nichts, bei dem die USA chinesische Bauteile strikt verbieten, um ein Einfallstor für Spionage oder Sabotage zu verhindern. Die Us-regierung verlangt das auch von ihren Verbündeten. Eine deutsche Regelung im neuen It-sicherheitsgesetz hängt aber in der Abstimmung zwischen den Ministerien fest. „Es wird höchste Zeit, dass in Deutschland politisch darüber entschieden wird, wer am 5G-netzausbau beteiligt werden darf und wer nicht“, drängt Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. „Das ist eine Frage der nationalen Sicherheit.“
Deutschland müsse sein Verhältnis zu China neu definieren, fordert Röttgen. Das Land sei in einigen Fragen ein Partner, zum Beispiel beim Klima oder in der Wirtschaft, „gleichzeitig aber auch Wettbewerber und systemischer Rivale“.
Die grüne Außenpolitikerin Franziska Brantner betont, gegenüber China gemeinsam mit den USA für fairen Handel, Menschenrechte und Klimaschutz einstehen zu wollen, aber auch alternative Handelsverträge zum neuen pazifischen Freihandelsabkommen RCEP anzubieten. Der Fdp-außenpolitiker Bijan Djir-sarai sieht RCEP als Signal an Europa: „Wir müssen die Gunst der Stunde nutzen, um mit Biden über die Wiederaufnahme des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP zu reden.“
Militäretat
Die Debatte über die deutschen Verteidigungsausgaben ist weit älter als die Präsidentschaft von Trump. Schon unter dessen Vorgänger Barack Obama (und seinem Vize Biden) drängten die USA Deutschland in Richtung der in der Nato vereinbarten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zugesagt für das Zieljahr 2024 hat die Bundesregierung bisher aber nur 1,5 Prozent, was wohl auch Biden nicht zufriedenstellen wird. „Die Amerikaner fragen sich nicht zu Unrecht, warum sie für Europas Sicherheit zahlen müssen“, sagt der Fdp-politiker Djir-sarai.
Das Zwei-prozent-ziel ist allerdings innenpolitisch hoch umstritten, auch zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD. Derzeit sieht es zwar so aus, als könnte sich Corona beschönigend auf die Zahlen auswirken, weil die Pandemie die Wirtschaft schrumpfen und so den Verteidigungsanteil steigen lässt. Um die Debatte wird die Groko dennoch nicht herum kommen.
Ministerin Annegret Kramp-karrenbauer (CDU) forderte jetzt sogar eine größere Verbindlichkeit bei den Verteidigungsausgaben ein. Dieser Haushaltsposten solle „überjährig und langfristig“per Gesetz festgeschrieben werden, sagte sie in ihrer Grundsatzrede. Sicherheit dürfe nicht länger „Spielball der Konjunktur und kurzfristiger Stimmungsbilder“sein. Was die Ministerin erreichen will, ist klar: Das Geld für das Militär aus den üblichen Etatrangeleien rauslösen, die in der Post-corona-zeit härter werden dürften. Bei den Haushältern im Bundestag allerdings wird das auf wenig Begeisterung stoßen. Brantner plädiert wiederum für eine Abkehr von der Fixierung auf die Zahlen. Stattdessen sollten die europäischen Kapazitäten in der Nato gestärkt werden, schlägt sie vor.
In Sachen Verteidigung haben Deutschland und Europa ihrerseits ebenfalls Erwartungen an die USA. Von Biden erhofft sich Berlin das Aus für die Pläne eines umfangreichen Abzugs von Us-soldaten aus Deutschland sowie vor allem wieder mehr Verlässlichkeit in der Nato. Ob Trump es vor der Amtsübergabe allerdings tatsächlich noch schaffen sollte, den Afghanistan-einsatz drastisch zu reduzieren, ist derzeit offen.