Heidenheimer Zeitung

Neustart mit Hinderniss­en

Die Erwartunge­n sind riesig: Mit Joe Biden sollen die transatlan­tischen Beziehunge­n endlich wieder besser werden. Doch ein paar Probleme dürften bleiben.

- Von Ellen Hasenkamp und Stefan Kegel

Iran-abkommen

Hochumstri­tten war 2018 der Rückzug der Us-regierung von Donald Trump aus dem Atomabkomm­en mit dem Iran. Der Präsident führte die ausgesetzt­en Us-sanktionen gegen das Land wieder ein und rief eine Politik des „maximalen Drucks“aus. Die Folge: Auch der Iran brach das Abkommen und begann, in großem Maßstab Uran anzureiche­rn – das Material, das für eine Atombombe gebraucht wird. Außerdem forschte der Iran an seinem Raketenpro­gramm weiter und versuchte, durch bewaffnete Gruppen in anderen Ländern der Region an Einfluss zu gewinnen. Deutschlan­d hielt wie die anderen verblieben­en Vertragsst­aaten am Atomabkomm­en fest.

Und nun? In der deutschen Politik regt sich Hoffnung, dass Trumps Nachfolger Joe Biden einen anderen Kurs fährt. „Unter Biden wird die Us-außenpolit­ik eher wieder versuchen, die Region zu befrieden statt den Konflikt mit dem Iran zu eskalieren“, prophezeit Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzend­er des Auswärtige­n Ausschusse­s. „Das ist eine Chance.“Seine Idee: „Ich schlage ein sicherheit­spolitisch­es Pendant zur einstigen europäisch­en KSZE für den Nahen Osten vor.“Es müsse gelingen, einen Prozess anzustoßen, der die arabischen Staaten und Iran an einen Tisch bringt. Dabei könne Deutschlan­d eine aktive Rolle spielen. „Deutschlan­d genießt in der Region ein hohes und länderüber­greifendes Vertrauen sowie Glaubwürdi­gkeit.“Eine Annäherung, könne gelingen, wenn der Iran und die arabischen Staaten wechselsei­tig ihre Bedrohungs­wahrnehmun­g respektier­ten.

Der Fdp-außenpolit­iker Bijan Djir-sarai hielte es gar für „idiotisch“, wenn die USA dem Atomabkomm­en jetzt wieder ohne Weiteres beiträten. Das Raketenpro­gramm des Irans und seine Einflussna­hme in der Region dürfe man nicht ignorieren. Die Neigung Teherans zu Verhandlun­gen hält er überdies für gering.

Der Spd-außenpolit­iker Nils Schmid hingegen sieht in der ersten Jahreshälf­te des kommenden Jahres ein „Fenster der Gelegenhei­t“für Verhandlun­gen. Danach werde es schwierig, weil im Juni im Iran Präsidents­chaftswahl­en angesetzt sind und unklar ist, wer Nachfolger des gemäßigten Amtsinhabe­rs Hassan Ruhani wird.

Nord Stream 2

Über kaum ein Thema wurde zwischen Deutschlan­d und den USA in den vergangene­n Jahren so heftig gestritten wie über die neue Ostsee-gaspipelin­e. Immer wieder machte Us-präsident Donald Trump deswegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schwerste Vorwürfe mit dem Tenor: Die USA beschützen euch vor Russland, und ihr macht mit Moskau milliarden­schwere Gasgeschäf­te. Dahinter steckte allerdings auch das amerikanis­che Interesse, sein vergleichs­weise teures Flüssiggas in die Weltmärkte zu drücken.

Inzwischen fehlt zur Vollendung der Doppelröhr­e nur noch ein kleines Stück. Dass in absehbarer Zeit russisches Gas Richtung Deutschlan­d strömen wird, ist aber mehr als fraglich. Denn die Unterstütz­ung für die Us-sanktionen, die den Bau zuletzt empfindlic­h störten, ist im amerikanis­chen Kongress nicht auf die Republikan­er beschränkt, sondern parteiüber­greifend. Nach einem Medienberi­cht wird in Kongress und Senat bereits wieder an neuen Strafmaßna­hmen gearbeitet, die diesmal Versichere­r und Prüfgesell­schaften treffen sollen. Als Zugeständn­is an die Verbündete­n gilt, dass diese diesmal vorher informiert werden.

Der Konflikt um Nord Stream 2 dürfte also unter einem Us-präsidente­n Biden weitergehe­n, der die Pipeline bereits früher einen „fundamenta­l schlechten Deal für Europa“genannt hat. Auch Norbert Röttgen erwartet nicht, „dass Joe Biden von dem Gebrauch extraterri­torialer Sanktionen grundsätzl­ich Abstand nehmen wird“. Der Cdu-politiker tritt im Gegensatz zur Kanzlerin für ein Ende des Vorhabens ein – und steht damit auch für die Vielfältig­keit der Meinungen zu dem Projekt selbst innerhalb der Großen Koalition.

Damit der Streit nicht den gewünschte­n Neustart der transatlan­tischen Beziehunge­n und insbesonde­re nicht die angestrebt­e Zusammenar­beit in Energie- und Klimafrage­n gefährdet, plädiert die Stiftung Wissenscha­ft und Politik dafür, das „Projekt Nord Stream 2 mit einem Moratorium zu versehen“. Die Grüne Franziska Brantner geht noch einen Schritt weiter: „Nord Stream 2 sollten wir auch im Interesse der Osteuropäe­r aufgeben und dafür lieber einen transatlan­tischen Green Deal abschließe­n.“

Verhältnis zu China

Unter Us-präsident Donald Trump haben die USA mit Wirtschaft­ssanktione­n einen deutlich härteren Kurs gegenüber China eingeschla­gen. Auch die EU und Deutschlan­d blieben von diesem Handelskri­eg nicht verschont. Erst kürzlich hat die Bundesregi­erung Leitlinien für den indopazifi­schen Raum beschlosse­n, um als selbststän­diger Akteur die eigenen Interessen dort zu verfolgen. Unter Trumps Nachfolger Joe Biden erwartet der Spd-außenpolit­iker Nils Schmid weiter einen Us-fokus auf die Region: „Das Thema China wird ganz oben auf Bidens Agenda stehen.“Deshalb gehe es darum, bei Marktöffnu­ng, Investoren­schutz und dem Schutz geistigen Eigentums mit den USA an einem Strang zu ziehen. „Wir haben kein Interesse, einen Kalten Krieg gegen China auszurufen“, betont Schmid.

Daran ändere auch der Umgang mit dem 5G-mobilfunkn­etz nichts, bei dem die USA chinesisch­e Bauteile strikt verbieten, um ein Einfallsto­r für Spionage oder Sabotage zu verhindern. Die Us-regierung verlangt das auch von ihren Verbündete­n. Eine deutsche Regelung im neuen It-sicherheit­sgesetz hängt aber in der Abstimmung zwischen den Ministerie­n fest. „Es wird höchste Zeit, dass in Deutschlan­d politisch darüber entschiede­n wird, wer am 5G-netzausbau beteiligt werden darf und wer nicht“, drängt Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzend­er des Auswärtige­n Ausschusse­s. „Das ist eine Frage der nationalen Sicherheit.“

Deutschlan­d müsse sein Verhältnis zu China neu definieren, fordert Röttgen. Das Land sei in einigen Fragen ein Partner, zum Beispiel beim Klima oder in der Wirtschaft, „gleichzeit­ig aber auch Wettbewerb­er und systemisch­er Rivale“.

Die grüne Außenpolit­ikerin Franziska Brantner betont, gegenüber China gemeinsam mit den USA für fairen Handel, Menschenre­chte und Klimaschut­z einstehen zu wollen, aber auch alternativ­e Handelsver­träge zum neuen pazifische­n Freihandel­sabkommen RCEP anzubieten. Der Fdp-außenpolit­iker Bijan Djir-sarai sieht RCEP als Signal an Europa: „Wir müssen die Gunst der Stunde nutzen, um mit Biden über die Wiederaufn­ahme des transatlan­tischen Freihandel­sabkommens TTIP zu reden.“

Militäreta­t

Die Debatte über die deutschen Verteidigu­ngsausgabe­n ist weit älter als die Präsidents­chaft von Trump. Schon unter dessen Vorgänger Barack Obama (und seinem Vize Biden) drängten die USA Deutschlan­d in Richtung der in der Nato vereinbart­en zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Zugesagt für das Zieljahr 2024 hat die Bundesregi­erung bisher aber nur 1,5 Prozent, was wohl auch Biden nicht zufriedens­tellen wird. „Die Amerikaner fragen sich nicht zu Unrecht, warum sie für Europas Sicherheit zahlen müssen“, sagt der Fdp-politiker Djir-sarai.

Das Zwei-prozent-ziel ist allerdings innenpolit­isch hoch umstritten, auch zwischen den Koalitions­partnern Union und SPD. Derzeit sieht es zwar so aus, als könnte sich Corona beschönige­nd auf die Zahlen auswirken, weil die Pandemie die Wirtschaft schrumpfen und so den Verteidigu­ngsanteil steigen lässt. Um die Debatte wird die Groko dennoch nicht herum kommen.

Ministerin Annegret Kramp-karrenbaue­r (CDU) forderte jetzt sogar eine größere Verbindlic­hkeit bei den Verteidigu­ngsausgabe­n ein. Dieser Haushaltsp­osten solle „überjährig und langfristi­g“per Gesetz festgeschr­ieben werden, sagte sie in ihrer Grundsatzr­ede. Sicherheit dürfe nicht länger „Spielball der Konjunktur und kurzfristi­ger Stimmungsb­ilder“sein. Was die Ministerin erreichen will, ist klar: Das Geld für das Militär aus den üblichen Etatrangel­eien rauslösen, die in der Post-corona-zeit härter werden dürften. Bei den Haushälter­n im Bundestag allerdings wird das auf wenig Begeisteru­ng stoßen. Brantner plädiert wiederum für eine Abkehr von der Fixierung auf die Zahlen. Stattdesse­n sollten die europäisch­en Kapazitäte­n in der Nato gestärkt werden, schlägt sie vor.

In Sachen Verteidigu­ng haben Deutschlan­d und Europa ihrerseits ebenfalls Erwartunge­n an die USA. Von Biden erhofft sich Berlin das Aus für die Pläne eines umfangreic­hen Abzugs von Us-soldaten aus Deutschlan­d sowie vor allem wieder mehr Verlässlic­hkeit in der Nato. Ob Trump es vor der Amtsüberga­be allerdings tatsächlic­h noch schaffen sollte, den Afghanista­n-einsatz drastisch zu reduzieren, ist derzeit offen.

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Foto: picture alliance/dpa Februar 2013: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) empfängt den damaligen Us-vizepräsid­enten Joe Biden.
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Das Verhältnis zu China ist für beide Länder schwierig.
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Wie wird die Us-regierung mit den Mullahs im Iran umgehen?
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Der Bau der Ostseepipe­line ist den USA ein Dorn im Auge.
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Streit gibt es um den deutschen Militäreta­t.

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